Samstag, 27. September 2008

Sind Anzeigen ein Auslaufmodell?

Meine Kinder (11,16,17) holen ihre Infomationen nicht aus Zeitungen oder Zeitschriften, sondern sie nutzen das Internet.

Ich selbst überfliege die Zeitung nur noch, meine erste Nachrichtenquelle ist Spiegel online.

Und du? Gerade online, wie ich sehe!

Die Zeitung wird nicht sterben, aber sie wird in Zukunft nur noch ein Ergänzungsprodukt zum Internet sein. Die großen Verlage investieren deshalb hektisch in die Entwicklung von Kombinationsmodellen Print/Web.

Die berechtigte Frage: Warum sich also noch Anzeigen ausdenken? Sind meine vergangenen vier Beiträge nur für Sentimentalisten? Die Übungen für den Arsch?

Solange es Zeitungen und Zeitschriften gibt, wird es immer Anzeigen geben. Es werden auf jeden Fall Printmodelle überleben. Aber auf lange Frist nur die, die relevante Inhalte für bestimmte Zielgruppen bieten.

Objekte wie Brand eins, 11 Freunde oder Neon haben Erfolg, weil sie einer gewissen Zielgruppe eine überdurchschnittliche Qualität bieten.

Und auch das ist ein Aspekt: Wer möchte schon am Strand sein Labtop dabei haben?

Die Dramaturgie, mit ungewöhnlichen Bildern und Headlines eine Botschaft zuzuspitzen, findet in etwas anderer Form auch im Internet statt. Anzeigen sind deshalb eine gute Denkschule für Textpraktikanten und Anwärter, um das Prinzip Werbung zu verstehen.

Doch ganz gleich ob Anzeige, Plakat, TV- oder Radio-Spot, durch die digitalen Medien ist eine ganz neue Dynamik in das System „Kommunikation“ gekommen.

Nicht Anzeigen sind ein Auslaufmodell, sondern die Werbung, so wie sie bisher funktioniert hat, ist ein Auslaufmodell.

Haben Unternehmen früher einseitig ihre Botschaften verkündet und haben Verbraucher artig diese Botschaft entgegen genommen, so ist der Konsument heute in der Lage, die Botschaften zu selektieren, sich komplett zu entziehen oder sie zurück zu schicken – versehen mit eigenen Kommentaren.

Blogs entwickeln Druck auf Marken, YouTube wird zur neuen Bewegtbildplatform, bei der Verbraucher selbst die Inhalte kreieren.

In der Konsequenz geht es bei Werbung nicht mehr um Botschaften für Verbraucher, sondern um Beziehungen zum Verbraucher.

Marken müssen Beziehungen aufbauen und in einen offenen Dialog treten.

Was für ein Wandel! Was für eine spannende Epoche. Es gibt eigentlich keine bessere Gelegenheit, um in der Branche Kommunikation anzufangen. Selten war es aufregender.

Schnitt.

Ich war Donnerstag und Freitag in Berlin. Dort fand die Jahreshauptversammlung des GWA statt und parallel die President's Lecture der Berlin School of Creative Leadership, zusammen mit dem ADC, dem Art Directors Club Deutschland.

Im Rahmen der GWA Veranstaltung hat Susann Remke, Korrespondetin für das Magazin Focus in New York, den Einfluss digitaler Medien im amerikanischen Wahlkampf aufgezeigt.

Barack Obama hat einen großen Teil der Spenden über seine Website gesammelt. Nicht große Summen von wenigen, sondern kleine Summen von Millionen.

Jeder, der ihn unterstützen will, kann das schon mit kleinen Beträgen tun und wird dadurch zu seinem Wahlhelfer erklärt.

So kam (und kommt) ein gigantisches Wahlkampfbudget zusammen.

Und vor allem: es kam eine digitale Bewegung in Gang, die in YouTube sein Forum fand. Obama hat seinen Wahlgegener McCain damit heftig unter Druck gesetzt.

Verbraucher (in diesem Fall die Wähler) haben eigene Spots konzipiert und realisiert, um Meinungen zu beeinflussen. Ich habe unten einen beispielhaften Spot angefügt.

Die griffige Parole für diese neue Wählerbewegung: People powered politics.

Kommen wir zum zweiten Vortrag.

Jeff Steinhour, Managing Partner bei Crispin Porter + Bogusky, einer Agentur, um die so ein Hype gemacht wird, dass mittlerweile sogar Termine für Führungen vergeben werden müssen, referierte über das neue Verständnis von Werbung.

Er vertritt die (ehrlich gesagt nicht ganz neue) These, dass Agenturen ihren Kreativprozess früher ansetzen müssen.

Nicht erst in der Werbung, sondern schon in der Distribution, beim Packaging – und wenn möglich sogarbeim Produkt selbst.

Leichter gesagt als getan. Denn da sind Kunden sehr empfindlich.

Eine Agentur entwickelt ein Produkt? Oder schlägt Produktverbesserungen vor, obwohl es eigentlich "nur" um Kommunikation gehen sollte?

Das ist keine Nuß. Das ist ein Felsbrocken.

Aber es ist auch die Zukunft.

Ganz egal ob Produkt, Verpackung oder Vertrieb – die neue Währung der Welt heisst Ideen (oder von mir aus Innovationen, klingt gewichtiger).

Jeff Steinhour hatte denn auch einige beeindruckende Beispiele dabei.

Unter anderem die Aktion „Whopper Freakout“.

Die Agentur hat dem Kunden vorgeschlagen, für einen Tag keine (!) Whopper zu verkaufen. In ausgewählten Burger King Locations in ganz Amerika.

Die Reaktionen auf diesen "Black-Fast-Food-Day" wurden gefilmt. Und daraus natürlich eine Kampagne gemacht, die im Internet (in Foren) und im TV mit Spots dann ausgewalzt wurde.

Ihr seht unten einen TV Spot dazu.

So. Was sagt dir das alles?

Es sagt, dass eine große Idee keine Anzeige ist. Eine richtig große Idee fängt beim Produkt an.

Und das macht dir die Arbeit für deine Mappe eigentlich leichter. Denn wenn du eine Produkt-, Verpackungs- oder Distributionsidee wie den Whopper Freakout hast, schreibt sich die Anzeige und der TV-Spot ganz von allein.

Und jetzt zurück an deine Mappe. Es ist Wochenende. Eine ideale Zeit, sich eine gigantische Aktion auszudenken, die den Whopper Freakout in den Schatten stellt.

Wie wäre mit einer fetten Idee für McDonalds?

Tipp 20: Eine große Idee fängt nicht bei der Anzeige an, sondern beim Produkt.




Global warming. Dieser Spot, wohl von einem republikanischen"Wähler" gemacht, greift in den Wahlkampf ein. Er wurde erst auf YouTube gestellt und schaffte es dann aufgrund seiner Klickrate auf dem Fernsehsender CNN.

Seit CNN die besten, aktuellsten und provokantesten "politischen" Spots von YouTube im Fernsehen zeigt, sind die Quoten des Senders nach jahrelangen Rückgängen wieder rapide gestiegen.



Whopper Freakout. Burger King stoppte den Verkauf seiner Whopper für einen Tag. Die Leute flippten aus. Und das wurde einfach gefilmt. Gibt es einen besseren Spot?

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