Dienstag, 9. September 2008

Reason Why. Warum ADs nicht Grafiker heißen.

Keiner hatte mich vorbereitet. Als ich vor rund 20 Jahren das erste Mal in einem Briefing-Meeting saß (nein, nicht in einer Aufgaben-Besprechung), traf ich ganz unvermittelt auf mir unbekannte Marketinggrößen.

Sie nannten sich Reason Why, Consumer Benefit, Copy Strategy, Unique Selling Proposition, Target Audience – um nur einen Bruchteil zu nennen.

Was ich nach den ersten Begegnungen schnell lernte, war, dass diese Begriffsakrobatik meistens in einem doppelten Salto von Statements und Erklärungen mündet. Das sieht zwar gut aus. Lähmt aber alle Klarheit.

Es ist alles erwähnt. Aber nichts gesagt.

Hinter dieser Verkomplizierung steckt die Unsicherheit vieler Marketingmanager oder Agenturberater. Zum einen müssen sie sich durch verbale Ausritte nicht so genau festlegen (was ja einen gewissen Mut erfordert). Zum anderen ist einfach viel zu einfach (schließlich ist man ja Akademiker und hat einen wissenschaftlichen Anspruch).

Ich habe gegen Fachbegriffe nichts einzuwenden, solange sie ein Briefing kurz und klar halten – und schlüssig aufeinander aufbauen. Aber damals wäre ich froh gewesen, wenn mich jemand von Beginn an ermutigt hätte, die Dinge zu vereinfachen.

Man kann bei der Entwicklung einer Kampagne schließlich nicht all die vielen Anweisungen im Kopf behalten, die erfüllt werden sollen. Wenn man allein gelassen ist, muss man sich das herausfiltern, was Sinn macht und als knackige Plattform für eine gute Idee geeignet erscheint.

Mir ist an dieser Stelle die Feststellung wichtig, dass sich Berufsanfänger von diesen Begrifflichkeiten nicht blenden lassen sollten. Und vor allem das einfache logische Denken nicht ausschalten.

In einem Kommentar zu meinem gestrigen Beitrag wurde eingeworfen, dass es für einen Junior Copywriter schwer ist, ein Briefing zurück zu geben (siehe meinen Tipp 6). Weil er noch keine Lobby oder noch nicht so viel „Eier“ wie Oliver Kahn hat.

Das sehe ich ein.

Deshalb an dieser Stelle eine kleine Arbeitshilfe. Man kann so ein Wust von Briefinginformationen mit folgender Formel selbst sezieren, so dass man kreativ arbeiten kann:

Warum (Ziel) soll was (Botschaft) gesagt werden. Wie (Produktvorteil, Markeneigenschaft) lässt es sich begründen und was hat der Kunde (Vorteil) davon.

Warum-was-wie-was. Klingt für uns eitle Werbefritzen natürlich nicht so sexy, wie nach dem Cosumer Benefit zu suchen. Oder den USP zu formulieren.

Auf einer Visitenkarte schließlich klingt „Art Director“ eben besser als „Senior Grafiker“.

Marketing wurde bekanntlich in Amerika erfunden und damit auch die ganzen Fachbegrifflichkeiten unserer Branche.

Der nicht vorhandene Mut zur Vereinfachung begleitet einen übrigens durch das ganze Leben. Die Vision von der Steuererklärung auf einem Bierdeckel kann man deshalb getrost über einem solchen ertränken.

Aber: Wir Kommunikationsfachleute sollten wenigstens den Mut aufbringen, Dinge zu simplifizieren. Die einfachsten Ideen gehören immer noch zu den besten.

Tipp 7: Wenn das Briefing nicht taugt, vertraue deinem gesunden Menschenverstand.




Marketing-Verbal-Akrobatik auf Schwäbisch. Heavy-Youtube-User werden den Film kennen.

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