Dienstag, 16. September 2008

Das kreative Wertpapier: deine Mappe.

Ideen sind die Währung unserer Zeit. Die momentan wohl wertvollste Idee dürfte sein, eine neue Antriebsform für Automobile zu finden. Wenn du eine Idee hast, wie Autos mit Meereswasser oder mit Solarenergie fahren: Bingo.

Wir reden zwar nicht über die Automobilbranche, aber dieses Beispiel zeigt, was für eine Bedeutung Ideen bekommen haben. Und was sie für eine Kraft entfalten können.

In diesem Blog geht es um Werbe- und Markenideen – und über die Möglichkeiten für dich, in dieser Branche eine Zukunft zu sehen und glücklich zu werden.

Um zu verstehen, wie schwer es ist, eine gute und nie da gewesene Werbeidee zu finden, muss man sich einfach noch mal vor Augen halten, dass jeden Tag Tausende von Kreativen weltweit über ähnliche Briefings nachdenken wie Du und somit die Wahrscheinlichkeit zigfach erhöhen, dass es deine geniale Idee oder deinen einzigartigen Kampagnengedanken schon mal gegeben hat.

Davon solltest du dich aber nicht allzu sehr abschrecken lassen, denn es kommt häufiger vor, dass es ähnliche Ideen gibt, die unterschiedlich exekutiert wurden. Man kann viele Grundideen aus den 80er und 90er Jahren in heutigen Kampagnen wiederfinden. Eben zeitgemäß interpretiert.

Ob die Ideen mit Absicht kopiert wurden oder ob es Zufall ist, spielt keine Rolle. Wichtig ist am Ende, dass deine Idee in der Branche (z.B. Auto, Kosmetik, Finanzdienstleistungen), in der sie auftritt, einzigartig ist. Dass sie ungewöhnlich und neu wirkt. Dass sie funktioniert. Und bei Award-Wettbewerben nicht als Plagiat gebrandmarkt wird.

Es ist nahezu unmöglich geworden, alle Arten von Ideen, die schon mal erschienen sind, zu kennen.

Wer nun als junger Kreativer – und gleichermaßen unbeschriebenes Blatt – in die Werbung will, muss den entscheidenden Leuten in der Agentur (z.B. Creative Director) zeigen, dass er gute Ideen entwickeln kann.

Das machst du anhand von Arbeitsbeispielen. Diese Beispiele sammelst du in einer Mappe.

Die Mappe war früher eine schwarze Präsentationsmappe (A2 oder A3). Man hat seine Anzeigenbeispiele, TV-Manuskripte, Storyboards usw. auf schwarzes Fotopapier aufgezogen und in großzügigen Klarsichthüllen präsentiert.

So konnten die eigenen Arbeiten dann in einem Bewerbungsgespräch übersichtlich und mit einem gewissen formalen Pathos gezeigt werden. Produzierte Spots (Filme oder Radiospots) wurden dann auf Kassette mitgebracht und im TV-Gerät oder Radiorecorder abgespielt.

Heute ist das Bewerberleben um einiges leichter.

Die Mappen sind zwar immer noch zum Aufklappen. Aber entweder wird ein Laptop aufgeklappt. Oder die Bewerber bringen eine DVD mit. Die E-Mappe klickt der Bewerber dann mit dem Interviewer auf seinem Laptop durch (ich würde immer meine eigene Technik mitbringen, ist sicherer).

Wer bereits in einer Werbeagentur arbeitet, sollte akribisch darauf achten, seine entwickelten Arbeiten (Layout oder produzierte Werke) zu sammeln. Was durch die digitalen Vorlagen inzwischen ebenfalls nicht mehr so mühsam ist wie früher ist. Der Ordner „Mappe“ dürfte heute auf jedem Computer zu finden sein.

Auch sollte man seine Awards fein säuberlich auflisten und aktualisieren, um sie an geeigneter Stelle in der Mappe dezent zu erwähnen. Eher hinten als vorne, wirkt sonst zu protzig. Oder man weist am Rand der jeweiligen Arbeit darauf hin.

Wer gänzlich neu vor den Agenturtüren steht und erst noch die Hürde überwinden muss, um in einer Agentur ein Praktikum zu bekommen, der sollte sich die Aufgaben diverser Copytests von kreativen Agenturen zu Hilfe nehmen (z.B. via Agentur-Webseiten).

Einen beispielhaften Copytest der Texterschmiede, einer Ausbildungsstätte für Werbetexter in Hamburg, findest du hier.

Eine gute Mappe für einen angehenden Junior-Texter enthält ein bis zwei Kampagnen (das kann auch für frei gestellte Aufgaben oder selbst ausgewählte Produkte sein), zwei bis drei TV-Manuskripte, zwei bis drei Radiospots, zwei bis drei Guerilla-Aktionen, zwei bis drei Plakate, eine Promotion, zwei bis drei digitale Ideen (z.B. Banner, virale Aktionen, Webseiten- oder Microseitenkonzept).

Das ist der Idealfall.

Bei einem Art Director sind die Radio-Spots nicht so wichtig, der sollte etwas mehr Design- und Layoutbeispiele dabei haben.

Meine Empfehlung für Einsteiger ist, lieber weniger Ideen zu präsentieren. Aber dafür starke.
Das Fleißkärtchen, in allen Disziplinen etwas zu zeigen, sollte man stecken lassen, wenn viele Ideen nur Durchschnitt sind. Das zieht den Gesamteindruck der Mappe runter.

Für mich sind bei der Beurteilung von Junioren (neben der Person selbst) zwei richtig starke Ideen überzeugender als 10 mittelmäßige.

Das gilt auch für Leute, die schon zwei bis drei Jahre im Job sind.

Da man als Anfänger nun vermutlich nicht zweifelsfrei beurteilen kann, was eine richtig starke Idee ist, hier ein paar Quellen, mit denen du siehst, wo die Meßlatte hängt:

die Jahrbücher des ADC (Art Directors Club Deutschland, erscheint einmal im Jahr), Lürzer’s Archiv (erscheint zweimonatlich), die Cannes-Rolle (erscheint einmal im Jahr), die Jahrbücher des D+AD (englischer Directors and Art Directors Club, erscheint einmal im Jahr), das One Show Jahrbuch (erscheint einmal im Jahr), die Website von Creativity – und für gute digitale Arbeiten gibt es z.B. den bannerblog und FWA.

Vorsicht: die Jahrbücher sind leider teuer, evtl. bekommst du auf ebay frühere Jahrgänge günstiger. Die Cannes-Rolle tourt meistens im August und September durch deutsche Großstädte, organisiert vom deutschen Sponsor der Werbefilm-Festspiele an der französischen Cote d’Azur, die Rolle als DVD ist ebenfalls ziemlich teuer.

Alternative: Du besorgst dir die Liste mit den Namen/Titeln der Gewinnerspots aus dem Netz und kannst damit die meisten Werke auf YouTube finden.

Diese Wettbewerbe haben natürlich ihre Eigenarten und man muss nicht alles für die absolute Weltspitze der Werbung halten, was da präsentiert wird. Aber sie sind für einen Anfänger ein ganz guter Gradmesser, wo der kreative Olymp gerade hin ragt.

Zum Thema „Awards“ werde ich zu einem anderen Zeitpunkt noch mal ein paar Worte loslassen, denn die sind ein Thema für sich.

Fest steht: die Mappe ist dein kreatives Wertpapier.

Du musst laufend in sie investieren (Zeit und Ideen), du musst sie schützen (vor Beliebigkeit und Austauschbarkeit) und du musst die Zinsen (mehr Gehalt, Awards) wieder in noch bessere Ideen und Konzepte investieren.

Das inhaltlich Format der Mappe – ganz gleich ob digital oder Leder – sollte ein einfaches, plakatives und ansprechendes Format und eine einfache, plakative und ansprechende Gestaltung haben – so dass die Arbeit selbst im Mittelpunkt stehen kann.

Bring die Ideen zum Wirken, indem du sie nicht durch unnötige Gestaltungs- oder Bewerbungsideen verbesonderst.

Geh immer davon aus, dass der Mensch, der sich die Mappe ansieht, keine Zeit hat. Du musst schnell und überzeugend sein kreatives Herz gewinnen und zeigen, dass du was von Ideen und der Präsentation von Ideen verstehst.

Auch sieht es einfach besser aus, wenn die DVD nicht mit der klassischen Rohlinggestaltung von Aldi oder Conrad Electronics daher kommt, sondern eine gewisse optische Form (gestalteter Aufkleber) erfahren hat.

Und noch etwas: vergiß Zeugnisse und Diplome. Diese Währung zählt in kreativen Berufen nichts.

Tipp 12: Mach deine Mappe nicht zu einer Idee, sondern halte sie einfach und plakativ, damit die Ideen selbst wirken können.





Die Mappe im analogen Zeitalter. Zum Aufklappen und präsentieren.




Die Mappe im digitalen Zeitalter.
Wenigstens das Aufklappen ist geblieben.

4 Kommentare:

hoozn hat gesagt…

Exzellenter Grundlagentext.
Danke für die sehr lesenswerte Einschätzung des Status Quo aus der Sicht eines Profis.

Nun habe ich wenigstens ein paar Anhaltspunkte für meine mögliche Verwandlung vom nicht mehr so jungen aber halbwegs kreativen Wirrkopf zu jemandem, der mit seinen Ideen und seinem Drang nach Abwechslung auch einen Wunschjob bekommen könnte.

Jane hat gesagt…

Ich mag es, wenn das Lämpchen in meinem Kopf während des Stöberns in diesem Blog immer heller wird. Und Ideen langsam an die Oberfläche krabbeln.
Ich bin angehende Bewerberin als Text-Praktikantin - ohne Erfahrung. Dass Copytests unerlässlich sind, weiß ich. Ich stelle mir allerdings die Frage, ob es für meine Mappe erlaubt ist, Aufgaben aus Copytests der Konkurrenz zu übernehmen (mit Angabe der Firma, etc). Oder ist dies nicht gern gesehen und es wäre besser, mir eigene/abgewandelte Aufgaben auszudenken?

Ich wäre für eine kurze Einschätzung sehr dankbar!

Zschaler hat gesagt…

@Jane: Du kannst Copytest-Aufgaben aus mehreren Agenturen lösen und die Ergebnisse in die Mappe packen. Da gibt es bei Agenturen keine Befindlichkeiten. Unseren Copytest findest du hier: http://textergesucht.blogspot.com/2011/02/der-erste-copytest-als-app.html

Jane hat gesagt…

@ SZ
Hoppsa, die Antwort kam fix! Vielen herzlichen Dank!
Und bis (hoffentlich) bald!