Die gesamte Agentur zieht heute um. Von einer großen Etage in ein Haus über mehrere Etagen. Nicht weit weg vom Waterloohain, eigentlich nur um die Ecke. Die neue Adresse lautet Eimsbütteler Straße 64. Die Restdaten bleiben wie sie waren.
Der Umzug ist durch Christina und Andreas (danke!) stabsmäßig geplant, gestern ab 17 Uhr war konzertiertes Kisten packen angesagt. Heute hat die Agentur frei, da werden die Kisten von starken Männern rüber getragen, Sonntag packen alle wieder aus, Montag früh geht es (hoffentlich) ganz normal weiter.
Hier die ersten Aufnahmen unserer neuen Räume.
Empfang im EG.
Kreation im 4. OG
Atelier im 3. OG
Ich bin froh, dass wir ein Schanzen-Randkind bleiben. Ich genieße diese Location. Wir sind mitten im wirklichen Leben und bilden eine schöne Alternative zu den kommunikativen Edelboutiquen in der City oder am Hafen.
Wie das beim Kisten packen so ist, fällt einem allerlei staubbeschichteter Schrankinhalt in die Hand.
Mir kam ein ganzer Stoß alte Büchlein entgegen. Präsentationen, die ich zu meinen Zeiten bei Springer & Jacoby und Jung von Matt geschrieben hatte.
Zwei Büchlein erregten dabei meine Aufmerksamkeit.
Das eine ist vom 8.4.1994 und trägt den Titel „Wir bringen das Taxigewerbe zum Leuchten“.
Wir haben damals von Mercedes-Benz den Auftrag erhalten, uns eine Aktion für das Taxigewerbe auszudenken, da Mercedes über 90% der Taxikutschen gestellt hat.
Ich habe mir überlegt, was den Taxifahrern am besten gefallen könnte und so entstand die Idee, dass Mercedes Benz keine direkte Werbung für Mercedes-Taxis macht, sondern den Taxifahrern eine Endverbraucher-Plakat-Kampagne für das Taxifahren schenkt.
Läuft das Taxigeschäft besser, läuft es auch für Mercedes als Platzhirsch besser, so lautete unser strategischer Ansatz.
Hier ein Plakatmotiv-Layout aus dem Büchlein (Original 1994):
Und so sah das spätere Plakat dazu aus:
Das Erstaunliche an dieser Kampagne ist, dass sie teilweise noch heute von Taxiunternehmen genutzt wird. Wir hatten den Taxiunternehmen nämlich die Plakate ebenfalls als Kleinanzeigen (Matern) zur Verfügung gestellt.
Exakt diese Headline sowie einige andere aus der Präsentation sehe ich in exakt diesem Layout noch heute ab und zu im Klönschnack (einem Hamburger Elbvororte-Magazin). Der Absender der Anzeigen ist der Taxiruf Blankenese. Und selbst deren Website hat den Look der Anzeigen übernommen.
Haltbarkeit der Werbung: über 14 Jahre.
Das zweite Büchlein, das eine Anekdote in mir wieder belebt hat, ist datiert auf den 17.7.1995. Ich habe es bei Jung von Matt geschrieben.
Es ging um die Einführungskampagne für den neuen Audi A4 Avant. Titel des Büchleins: Traumauto statt Raumauto.
Man muss wissen, das Audi Anfang der 90er Jahre einen radikalen Designwandel in seiner Modellpolitik vollzogen hat und aus den spießigen Lehrerautos plötzlich attraktive Fahrzeuge wurden.
Der neue Audi A4 war ein echter Wurf und der Kunde wollte, dass das Thema Design in der Werbung herausgestellt wird.
Ich entwickelte mit meinem Partner Hermann damals eine sehr groß angelegte Print- und TV-Kampagne.
Und ich schrieb den Slogan: Schöne Kombis heißen Avant.
Hier ein Motiv aus dem Büchlein (Original 1995):
Hier die spätere Anzeige mit Teaser Doppelseite und Follow up Doppelseite (davon träumen wir Kreative heute, 2 Doppelseiten hintereinander):
Schöne Häuser heissen Villen.
Schöne Gärten heissen Parks.
Schöne Strassen heißen Alleen.
Schöne Kombis heissen Avant.
Der neue Audi A4 Avant.
Schnitt. Vor zwei oder drei Jahren saßen wir bei Skoda in einem Briefing-Meeting und es ging um den neuen Octavia Kombi, der im Design einen ganz neuen Maßstab bei Skoda setzen sollte (und auch gesetzt hat).
Der Kunde sagte, dass wir doch mal so einen kompetitiven und Kategorie übergreifenden Slogan wie „Schöne Kombis heißen Avant“ erfinden sollten.
Da war er wieder, der Claim. Haltbarkeit der Werbung: über 11 Jahre.
Wenn ich mit meinen Kindern rede und sie mich fragen, was man die vielen Jahre in seinem Job so gemacht hat, dann kam es mir immer recht peinlich vor, irgendwelche alten Kampagnen heraus zu ziehen, die bei vielen nationalen wie internationalen Wettbewerben abgeräumt hatten (und das waren keine Fakes).
Meine Kinder haben es nicht verstanden, warum vor über einem Jahrzehnt so viel Aufhebens "um das komische Zeug" gemacht wurde.
Der Spruch „nichts ist älter als die Zeitung von gestern“ gilt auch für Werbung.
Nichts ist alberner als ein Cannes Löwe von 1993. Man schaut sich die Arbeit an, für die der Löwe gewonnen wurde, und merkt sehr oft, dass sie nicht mehr zündet. Weil der zeitliche Kontext längst vorbei ist. Und auch die gestalterische Mode längst voran geschritten ist.
Doch wenn man dann plötzlich aus dem Nichts solche Erlebnisse wie die Taxi-Anzeige oder das Slogan-Gespräch erfährt, dann hat man kurz das Gefühl, dass auch Werbung nachhaltig sein kann.
Was bestimmt kein schlechter Moment für das kreative Selbstbewußtsein ist.
Tipp 68: Wirf alte Präsentationen (und Ideen sowieso) nicht vorschnell weg, sie könnten viel später glücksbringende Erkenntnisse liefern.
6 Kommentare:
Zuerst mal Glückwunsch zu Deinen Kindern. Prächtige Burschen. Prächtige Ansichten.
Vor allem, was Deine Avant-Kampagne angeht. Ich finde, mit Verlaub, die war
schon beim Erscheinen kein Grund zur Beachtung oder Stolz. Außer für eine gewisse
Auszeichnungs-Clique. Was für ein Bohei (?), was für ein langatmiger Umweg, zu kommunizieren,
man sei der schönste seiner Gattung. Und der Kunde setzt noch eins drauf, und will
einen Slogan, der "Kategorie übergreifend" ist wie "Schöne Kombis heißen Avant."
Der ist doch ausdrücklich nicht "Kategorie übergreifend". Aber ich will ja das gerade
mühsam aufgebaute kreative Selbstbewußtsein nicht ankratzen. Nur so viel noch:
Alles auf der Welt schwindet gesetzmäßig dahin. Bei Werbung bin ich sogar froh drüber.
Fröhlich Weihnachten von einem weiterhin begeisterten Besucher dieses Bloggs.
Schöne Kombis heißen Avant. Schöne Kritiker heißen Anonym. Aber auch die sind vergänglich. Schöne Weihnachten auch dir.
Und wie lautete dein Slogan für den Octavia Kombi?
Übrigens: Dein Blog gefällt mir ausgesprochen gut. Ein gigantisches Schlüsselloch, durch das ich auch nach dem 100sten Tipp gerne weiter starren möchte.
Der Claim war: Nur mit Vernunft nicht zu erklären.
Ach ja: Schlüsselloch ist ein nette Kompliment. Thx.
Häuser, Gärten, Straßen, Autos. Wenn das nicht kategorieübergreifend ist, dann bin ich des Deutschen wohl nicht mächtig. Ich glaube aber eher, daß der anonyme Kritiker den Schuß nicht gehört hat.
Wie auch immer, schöne Anekdote über den Pitch bei Skoda. Wie hat der Kunfe eigentlich reagiert, als er erfuhr, daß er da genau an der richtigen Adresse war?
:)
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