Freitag, 12. Dezember 2008

Ein trauriger Klugscheißer.

Das Award-Kartell kommt nicht zustande. So stand es gestern in der Presse.

Zur Erinnerung: Einige so genannte führende Kreativagenturen wollten sich auf Initiative von Grabarz & Partner zusammen schließen und gemeinsam eine überschaubare Liste von Wettbewerben verabschieden, die in Zukunft ausschließlich beschickt werden sollten.

Man will Kosten sparen vor dem Hintergrund der drohenden Wirtschaftsflaute, ohne seinen Kreativruf gegenüber den anderen Agenturen einzubüßen.

Wenn eine Agentur seine Einsendebemühungen reduziert, könnte sie ja gegen die anderen, die weiter machen wie bisher, in Image-Rückstand geraten.

Ich Klugscheißer habe diesem Vorhaben das Scheitern vorausgesagt (hier).

Ich habe geahnt, dass man die rund 20 bis 30 Agenturen nicht unter einen Hut bekommen wird, weil es dort unterschiedlichste Interessen und Stallordern gibt.

Ich habe geahnt, dass man die Presse (z.B. Manager Magazin) nicht dazu verpflichten kann, ihr Ranking mit der geplanten Liste zu synchronisieren (das wäre überhaupt der Schlüssel zum Erfolg des Ganzen gewesen).

Ich habe aber auch festgestellt, dass ich es ziemlich verlogen finde, wenn Agenturen, die diese Wettbewerbe jahrelang beschickt haben und sich dadurch ihren Kreativ-Ruf „erarbeitet“ haben, plötzlich bestimmen wollen, welche Wettbewerbe die zukünftige Meßlatte sind.

Was rund 75% Teilnehmer (n=50) an meiner kleinen Umfrage auch so sahen (15% war es egal. 10% fanden es aus Kostengründen sinnvoll).

Ich empfinde es außerdem als ziemlich naiv, wie sich die Initiatoren ihre mißlungene PR-Aktion jetzt schönreden: „Schließlich habe es sehr viel positive Resonanz auf den Vorstoß gegeben. Alle angesprochenen Agenturen hätten signalisiert, ihre Einsendepraxis zu überdenken und den Aufwand zu reduzieren“.

Was für eine Wahnsinns-Erkenntnis! Bei der bevorstehenden Krise kommt das doch von ganz alleine, das Überdenken der Einsendepraxis.

Okay. Stellen wir fest. Ich bin ein Klugscheißer, der bestätigt wurde, aber sich deshalb trotzdem nicht besser fühlt.

Das eigentliche Dilemma bleibt bestehen.

Fakes bestimmen mittlerweile den kreativen Ruf von Agenturen und wer das meiste Geld in Fakes investiert, wird im Kreativranking oben sein.

Das ist die totale Wettbewerbsverzerrung.

Geld schlägt Talent. Und je größer die Krise, desto mehr wird das eintreffen.

Nicht umsonst sind immer mehr Networks im neuesten Kreativ-Ranking von Horizont unter den ersten 10 vertreten.

Aber klugscheißen wir nicht länger darauf herum. Damit dieser Beitrag nicht in totaler Kreativ-Agonie versinkt, möchte ich euch mit tollen Spots ins Wochenende schicken (den einen oder anderen werdet ihr sicher kennen).

Die englische Tageszeitung The Guardian hat die "Top Ten Virals of the Year" veröffentlicht. Ein Hinweis, den ich aus dem englischen Blog Scamp übernommen habe.

Wieder einmal muss man feststellen, dass sich gute Kreative nicht mit Beschränkungen beschäftigen, sondern mit Möglichkeiten.

Die Award-Kartell-Aktion ist typisch deutsch.

Tipp 73: Beschäftige dich nicht mit Beschränkungen, sondern lieber mit Möglichkeiten.



Die englische Tageszeitung The Guardian hat die "Top Ten Virals of the Year" veröffentlicht.

Hier ist die Nummer 1: das Revival des alten Budweiser Spots "Whassupp" – nur diesmal für Barack Obamas Kampagne "Change".

2 Kommentare:

NathanPortnoy hat gesagt…

Hallo Suchender,

Kudos erstmal zu Deinem Blog und Deiner Voraussicht, dass dieses Kreativkartell scheitern würde. Im Anbetracht der großen Ankündigung und einer dann folgenden kleinlauten Absage wirkt das Ganze echt etwas peinlich und provinziell. Wie eine schlechte Werbeidee eben.

Das passt vielleicht nicht ganz hier hin aber diese Entwicklung ist auf jeden Fall einen Blick wert:
http://www.nytimes.com/2008/12/03/business/media/03adco.html?scp=7&sq=advertising&st=cse

Meine Frage an Dich: Wie siehst Du das? Wird dieser kollektive Individualisierungsterror im Internet die Arbeit von Kreativen so sehr verändern wie in dem Artikel angedeutet?

Gruß,

NP

Zschaler hat gesagt…

Ich bin bei solchen vom System erzeugten Selektionsmechanismen immer skeptisch. Sicher kann man mit Farben, Headlines und sonstigen dramaturgischen Mitteln herum experimentieren und dann auszählen, welche Kombination bei wem am besten funktioniert.

Das hat einen erhöhten Aufwand und sicher auch sehr viel Generve zur Folge.

Aber es erspart einem nicht die Suche nach einer wirklich starken Idee. Wenn man die gefunden hat, sind das andere nur Nuancen.

Solche Individualisierungssysteme werden meistens von den Marken gesucht, die sich ihrer Kommunikation und ihrer Ausrichtung unsicher sind.

Die Entwicklung erinnert mich ein bisschen an Marktforschung. Man hat eine Kampagne durch Tests so hingebogen, dass sie eigentlich gut funktionieren müsste. Und wundert sich dann, dass sie hinter den Erwartungen zurück bleibt.

Nur der Unsichere flüchtet ist Systemische. Der Sichere riskiert mehr und hört auch mehr auf seinen Bauch.