Mittwoch, 15. Oktober 2008

Ein paar ernste Worte zu englischem Humor.

Der Blick vieler deutscher Kreativer richtet sich immer wieder neidisch auf die Insel. Die dortige Werbung setzt weltweite Standards, während die deutsche Werbung in den meisten Fällen diese neuen kreativen Standards zu adaptieren versucht.

Mancher Kreative empfindet es schon als wahres Kompliment, wenn sein Spot mit dem Kommentar „das ist englischer Humor“ versehen wird.

Warum ist das eigentlich so?

Der englische Humor gilt gemeinhin als hintergründiger, ironischer, subversiver – und gerne tiefschwarz.

Schwarzer Humor sind Witze, die von unserer Gesellschaft als ernst abgespeicherte Themen wie Verbrechen, Krankheit und Tod in satirischer oder bewusst verharmlosender Weise aufgreifen.

Diese Form des schwarzen Humors ist dadurch natürlich in Werberkreisen gerne gesehen, denn man macht Späße, die an die Grenze des gesellschaftlichen Geschmackes gehen – was auf Kreative einen ungeheueren Reiz ausübt.

Hier ein – zugegeben – extremes Beispiel.

Ein Spot, der in der Zeit vermehrter Terroranschläge vor ein paar Jahren im Internet kursierte und begnadete Klickraten aufweisen konnte.

Die Marke, um die es in dem Spot geht, distanzierte sich – verständlicherweise – sofort von dem Machwerk. Es gab gehörigen Pressewirbel. Ein paar Filmstudenten sollen den Spot ohne Erlaubnis des Unternehmens gedreht und im Web veröffentlicht haben:



Ganz gleich, wie man den Spot findet, er zeigt den Unterschied zwischen englischem und deutschem Humor in der Werbung relativ klar.

In England erwartet der Verbraucher von Marken, dass sie sich selbst und ihre Produkte nicht so ernst nehmen. Das gehört quasi zum guten Ton.

In Deutschland ist das für die meisten Marketingverantwortlichen ein Tabu. Witze über die eigene Marke? Nein danke. Das eigene Produkt zerstören? Bitte kein Ton darüber verlieren.

Wohl nicht umsonst gibt es in unserer Sprache die paradoxe Wortkreation „bierernst“.

Bei aller Diskussion um diesen kreativen Olymp des Humors muss man einfach eine Regel immer im Kopf behalten, wenn es um Werbung geht, die etwas bewirken soll.

Humor ist ein Mittel zum Zweck. Der Zweck ist, eine Botschaft zu platzieren. Und das Transportmittel, damit die Botschaft in Herz und Hirn der Verbraucher ankommt, ist der Humor.

Wer lacht schließlich nicht gerne? (Zumal in Zeiten, in denen es wenig zu lachen gibt).

Wenn man nun als Kreativer mit seinem eigenen Ehrgeiz geklärt hat, dass der Humor der breiten englischen Verbraucherschaft und der Humor der breiten deutschen Verbraucherschaft nicht deckungsgleich ist, sollte man seine logischen Schlüsse ziehen und nicht immer über die Humorlosigkeit der Deutschen lamentieren.

Der Schluß heisst: Verzichte auf den englischen Humor-Olymp, es gibt auch noch andere kreative Gipfel, mit denen ich meine Zielgruppe und Awardshows erobern kann.

Du hast als Kreativer einfach den Humor zu finden, der bei deiner Zielgruppe gut ankommt. Und ehrlich gesagt gibt es da viele gute Beispiele, die nicht mit schwarzem oder englischem Humor arbeiten.

Sondern einfach mit gutem Humor.

Tipp 33: Humor ist, wenn deine Zielgruppe darüber lacht (und nicht nur dein Kumpel – der auch Werbetexter ist).




Deutscher Humor, Teil 1. Mediamarkt mit Oliver Pocher von KemperTrautmann.



Deutscher Humor, Teil 2. Sixt mit Matthias Reim von Jung von Matt.



Deutscher Humor, Teil 3. VW Golf mit Horst Schlämmer von Tribal DDB.

9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo!

Arbeiten Texter eigentlich immer innerhalb der Agentur oder arbeitet die Agentur auch mit unabhängigen Textern?

Gruß
M.

Zschaler hat gesagt…

Es gibt viele Agenturen, die mit freien Textern und freien Art Directoren zusammen arbeiten.

Freelancer werden besonders dann gerne geholt, wenn zu viele Jobs in zu kurzer Zeit bewältigt werden müssen. Plötzlich steht eine NB-Präsentation an, also holt man sich Verstärkung.

Ich persönlich bin sehr zwiegespalten, was Konzeptions-Freelancer angeht, denn wenn ich am Ende eines Jahres hochrechne, was wirklich von der Arbeit der Freelancer beim Kunden präsentiert wurde (oder gar erschienen ist), dann liegt das bei 10%.

Diese Zahl steht in keinem Verhältnis zu der Summe, die man insgesamt in Freelancer investiert hat.

Im Idealfall hat die Agentur einen Pool von freien Leuten, die ihre Arbeitsweise gut kennen und mit denen die Agentur gute Erfahrung gesammelt hat.

Leider sind die guten Freelancer rar und gerade dann, wenn man sie braucht, sind sie meistens anderweitig gebucht.

Anonym hat gesagt…

Hallo lieber Suchender,

vorweg ein Lob für diesen Blog. Der Inhalt ist sehr interessant und aufwendig - ich hoffe über die angekündigten 100 Tage hinaus.

Humor ist nicht nur eine nationale Frage, sondern auch regional sehr verschieden. Der Bayer ist durchaus ernsthafter als der Norddeutsche (weiß ich aus eigener Erfahrung). Ich denke, dass ein feinsinniger Humor, der das Alltägliche auf die Schippe nimmt (wie bei Loriot), eher die Masse anspricht. Die Anlehnung an den englischsprachigen Raum treibt ja weitere Blüten, siehe Berufsbezeichnungen (auch in den Agenturen!). Der Vorstandsvorsitzende ist nicht mehr ein solcher, sondern heißt plötzlich CEO etc.

Hinsichtlich der Freiberufler (Freelancer wäre auch wieder engl.!), muss ich eine Lanze brechen: Ist es nicht eher so, dass ein Freiberufler durch das Nicht-Erleben des Agentur-Alltags womöglich offener - im Sinne von "über den Tellerrand schauen"- sein kann ? Ich habe einige Präsentationen (auch Pitch, uaaahh genannt) erlebt, in denen ich mich gefragt habe "schön kreativ, aber auch zielführend für uns als Unternehmen?". In Schönheit bzw. Kreativität zu sterben, ist für einige Agenturen wichtiger als den Punkt/Nerv des Kunden zu treffen.

Wie schaffen Sie den Blick in Ihrer Agentur offen zu halten, eben nicht im Elfenbeinturm zu sinnieren? Und eine zweite Frage: Müssen Angestellte in Werbeagenturen immer unter 30 Jahre alt sein und "hipp" sein ?

Aber vielleicht bin ich einfach zu pragmatisch veranlagt....(grübel).

Grüße aus Bayern
Andrea

hello hat gesagt…

Ich bin gespannt. Den Link zum Blog gab's gratis in meinem Postfach. Geklickt, rechte Spalte gelesen und, ooops, wow, Interesse geweckt. Respekt.

I'll stay subscribed.

Lesend und lernend
Ein Junior-Texter in der Diaspora

Zschaler hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Zschaler hat gesagt…

Antwort für Andrea aus Bayern.

Mit der Regionalität beim Humor hast du völlig recht. Wenn man eine regionale Marke ist, kann man sich das zu nutze machen. Oder auch als nationale Marke, wenn man regionale Schwerpunkte setzen will (z.B. in Funkspots). Oft wird das aber sehr platt vollzogen (ich werbe in Bayern, also mache ich einen Funkspot, in dem ein Bayer spricht).

Regionaler Humor entsteht ja meistens dann, wenn man regionale Eigenheiten oder Charakteristiken überraschend anders inszeniert.

Wie ich schon in dem Beitrag schrieb, Humor ist ein Transportmittel für die Botschaft und man muss sich vorher entscheiden, wie man ihn einsetzten will.

Zu deiner Frage bezüglich der Freischaffenden (und ich nehme an, du bist einer):

die Qualität der Arbeit hängt sehr von den Fähigkeiten des einzelnen Freelancers ab. Sehr viele Freelancer kommen in die Agentur, erhalten in – wenn es hoch kommt – einer Stunde das Briefing von einem Kontakter oder einer Teamassi verabreicht und müssen dann sofort loslegen.

Meine Erfahrung bei so einem Prozedere ist, dass viele Freelancer daran scheitern, wichtige Spezifika zu erfassen und deshalb häufig mit Allgemeinplätzen arbeiten. Auch weil Ihnen die Zeit fehlt, sich mit kreativer Recherche zu befassen.

Ich habe die besten Ideen in Kundenmeetings, denn da wird viel über die Marke, den Markt, die Zielgruppe etc. erzählt und oft liegen in solchen Meetings tolle Kampagnenideen verschüttet, die man nur ausgraben muss.

Auch hilft es oft, sich mal in den Supermarkt oder ein Autohaus zu begeben. Doch wenn ein Freelancer nach dem Briefing verkündet, ich geh jetzt erst einmal einen Tag ins Autohaus (wenn er an einer Autokampagne arbeiten soll), was würde der zuständige CD antworten?

Im Elfenbeinturm lebt nur der, der es sich einfach macht. Oft hilft es, mit offenen Augen mal raus ins Produktumfeld zu gehen.

Dazu sind die meisten aber schlicht zu faul. Oder zu abgewichst. Und damit meine ich nicht nur Freie.

Das "unter 30 Jahre"-Thema hat einen Hauptgrund. Diese Leute sind günstiger.

Durch den immensen Kostendruck, unter dem Agenturen heute leiden, kann man sich ein gestandenes Seniortexter/Senior AD Team kaum noch leisten.

Was unter anderem auch dazu führt, dass CDs immer jünger werden, obwohl sie den Job noch gar nicht richtig ausfüllen können.

Am Ende des Tages straft die "Währung Idee" aber alles, was ich eben gesagt habe, Lüge:

Solange jemand einfach sehr gute Ideen hat, spielt das Alter keine Rolle. Und auch nicht, ob er fest oder frei ist.

Werbung kann so einfach sein.

Zschaler hat gesagt…

Antwort für Steph.

Mitglieder der kreativen Diaspora sind hier besonders willkommen.

tom hat gesagt…

Vorab: großes Lob für die Beiträge. Treffen doch alle sehr genau auf den Punkt. Jetzt die Kritik.
Du sagst: "Du hast als Kreativer einfach den Humor zu finden, der bei deiner Zielgruppe gut ankommt. Und ehrlich gesagt gibt es da viele gute Beispiele, die nicht mit schwarzem oder englischem Humor arbeiten."

Eben genau die Einstellung ist es meiner Meinung nach, die dazu führt, dass soviel Schrott produziert wird: Anstatt Ideen zu entwickeln, die einen selbst zum lachen bringen, wird etwas entwickelt, was überhaupt nicht lustig ist - und behauptet: die Zielgruppe wird es wohl lustig finden. Billige Ausrede.
Wenn man es selber lustig findet, dann besteht die Chance, dass auch die Zielgruppe zumindest lächelt. Wenn man nur vermutet (woher sollte man es auch wissen), dass die Zielgruppe es lustig findet, dann findet es niemand lustig.

Zschaler hat gesagt…

Wenn man selbst etwas lustig findet ist die Chance durchaus groß, dass es auch andere lustig finden. Insofern ist dieses Bewertungskriterium legitim.

Andererseits: Ich persönlich finde den "Schuh-des-Manitou"-Humor grauenhaft, aber ganze Kinos brüllen vor Lachen.

Wenn du einen Film für internationale Märkte entwickelst, so haben wir in Hamburg schon Ideen witzig gefunden, über die unsere tschechischen Kollegen gar nicht lachen konnten. Oder gar nicht verstanden haben. Und umgekehrt.

Etwas Sensibilität beim Witz tut also gut.