Ein Kreativchef aus meinen ganz frühen Texter Tagen sagte gerne, wenn er einen seiner besseren Gedanken in den Raum warf: "Gut, was? Die Idee hatte ich auf dem Klo". Ich weiss nicht, warum er das dauernd sagte, aber damals war ich noch ziemlich naiv und die Aussage hat mich beeindruckt.
Bei der Darmentleerung hat er an Werbung gedacht. Schien ihn zu entspannen und Energie im Kopf frei werden lassen.
Ich habe auf dem Klo in den vergangenen 25 Jahren nicht eine einzige gute Idee hervorgebracht. Ich empfand das nie als einen Ort, der mich inspiriert. Inzwischen weiss ich aber, dass die Entleerung des Geistes ein ziemlich gutes Mittel ist, um auf andere Gedanken zu kommen.
Andere Gedanken zulassen zu können ist der erste gute Schritt, auf bessere Gedanken zu kommen. Denn andere Gedanken sind schon mal anders als immer die gleichen Gedanken.
Der ein oder andere Texter kennt vielleicht diesen reinigenden Prozess, erst mal den ganzen Phrasenmüll, der einem zu einem gewissen Thema oder einer gewissen Proposition so im Kopf herumschwirrt, auf ein Textmanuskript zu verbannen.
Platte Wortspiele, nahe liegende Formulierungen, üble Kalauer. Weg damit.
Liegen sie erst mal festgehalten vor mir, stören sie mich nicht mehr dabei, die besseren Gedanken im Kopf zu entwickeln.
Wer mir zugesteht, dass die Entleerung des Geistes ein guter Weg zu besseren Ideen ist, der wird mir vielleicht auch bei der These folgen, dass diese Art der Hirnwäsche nicht nur durch Öffnen der Schleusen, sondern auch durch Zersetzung erfolgen kann.
Wie zersetzt man seine Gedanken, die einem bei der Entwicklung von besseren Gedanken stören? Indem man etwas wahrnimmt, dass aufregender ist und die Alltagsphrasen an die Hirnrandgebiete drängt. Der semantische Durchschnitt wird degradiert, weil er gegen die neuen und spannenden Impulse keine Chance hat.
Und da kommt endlich Hamburg ins Spiel.
Ich gebe zu, es könnte auch Berlin sein. Oder London. Oder Paris. Es könnte aber auch Leinfelden-Echterdingen oder Klein Bengerstorf sein.
Kreativität und Ideen sind eine leicht verderbliche Ware. Der Kreative lebt vom Nährboden seines Umfeldes. Dort, wo seine Persönlichkeit, sein Charakter und seine Neigungen am besten befruchtet und dann auch konserviert werden, dort wird er seine besten Ergebnisse erzielen.
Ich habe Kreative kennengelernt, die in der Agentur A hervorragende Arbeiten geschaffen haben. Dann wurden sie in die Agentur B abgeworben, aber das Niveau ihrer Arbeit war nicht wieder zu erkennen. Erst als sie dann zu Agentur C gewechselt sind, kam wieder besseres Zeug von ihnen heraus.
Bei Städten kann das ähnlich sein.
Hier lassen sich nun für Hamburg all die Gründe ins Feld führen, die viele Kollegen in den Büchern vor mir auch schon genannt haben: Kiez, Hafen, Elbe, St. Pauli, Schanze, Treppenviertel, Hafenstrasse, etc.
Alles Inspirationsquellen einer Stadt, die ihre Chancen erhöhen, zersetzender für Routinegedanken zu sein als Klein Bengerstorf.
In meinem Fall auf jeden Fall.
Hamburg befruchtet mich persönlich mehr als Berlin, München oder jede andere deutsche Stadt.
In Hamburg gibt es jedoch zusätzlich zu den kulturellen Highlights noch eine Erscheinung, die die Stadt ganz besonders kreativ macht. Hamburg fährt in Deutschland die wohl größte Anzahl von fähigen Kreativen und Agenturen an einem einzigen Ort auf.
Ein Umfeld, dass einen motiviert und anstachelt, die normalen Gedanken ganz schnell zu verjagen, um besser zu sein als die Besten. Um Etats zu gewinnen. Medaillen. Oder sonst was.
Ich bin Schwabe. Aber ich möchte nicht zurück. Und ich möchte meine Ideen auch nicht auf dem Klo haben.
Ein größeres Kompliment kann ich Hamburg nicht bieten.
Das Bild zum Vorwort. |
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