Eine der häufigsten Tätigkeiten eines Kreativen ist: hadern.
Hadern mit den Entscheidungen der Kunden. Hadern mit mangelnder Innovationskraft. Hadern mit fehlendem Mut. Hadern mit zu kleinen Formaten. Die "Haderer-Liste" lässt sich leicht fortsetzen.
Das Hadern ist meist dann am größten, wenn man nach einem langen strategischen und kreativen Entwicklungsprozess zu einer genialen Lösung gekommen zu sein meint. Wenn mit einem gehörigen Aufwand die Strategie, die Idee und/oder die Kampagne visualisiert wurde. Und dann das "nein" des Kunden folgt.
Je schwammiger die Gründe dagegen formuliert sind, desto mehr hadert man.
Was habe ich schon mit Kundenentscheidungen in meinem Leben gehadert!
Aber das hilft rein gar nix. Im Gegenteil, es führt mit den Jahren nur zu einer chronischen Anti-Haltung und zu permanentem Misstrauen. Beides ganz schlecht für Kreativität. Kreativität braucht Optimismus, Aufbruch und Freude.
Gerade wenn eine Lösung vom Kunden nicht akzeptiert wurde, sollte man genau hinterfragen, warum denn nicht (beharrt auf eine ausführlichere Argumentation des Kunden). Denn davon lernt man besonders als junger Kreativer für die Zukunft viel mehr als wenn man mit einem dicken Hals durch die Agentur rennt und alle Missmutigen zu einem Frustbier einlädt (ok, ok, das kann auch mal helfen, aber nicht auf Dauer).
Die Zusammenarbeit mit unserem Kunden followfish eröffnet mir in diesem Zusammenhang immer wieder Schlüsselerlebnisse.
Der regelmäßige Leser weiß, dass das ein Start-up-Kunde ist, den wir von Beginn an betreuen. Wir haben bei der Namens-, Packungs- und Marketingentwicklung erheblich mitgewirkt und partizipieren deshalb auch am Erfolg der Marke.
Wenn man so will, sind wir bei diesem Kunden ein kleines Stück Unternehmer.
Der Kunde selbst ist innovativ, mutig, optimistisch und entscheidungsfreudig. Also alles, was sich ein ausgehungerter Kreativer nur wünschen kann. Bis auf das Budget natürlich, das bewegt sich momentan noch zwischen schmal bis sehr schmal.
Aber das muss einen ja nicht unbedingt von aussergewöhnlichen Ideen abhalten, wenn der Kunde zu fast allem bereit ist.
Nach knapp zwei Jahren seit ihrem Start ist die Marke nun endlich gut distribuiert (im Biofachhandel bundesweit – und mit einigen ausgewählten Produkten auch schon in Teilregionen von Edeka und Rewe).
Jetzt ist es an der Zeit, an eine Kampagne zu denken, um den Namen und die Produkte bekannt zu machen. Um eine wahre Marke daraus zu machen.
Und siehe da, viele Ideen, die mutig und teilweise auch provokant sind, wägen wir kritischer ab und kommen zu dem Schluss, dass es der entscheidende Schritt zu viel ist.
Wir hatten sogar schon eine sehr mutige Idee präsentiert, von der der Kunde ganz begeistert war. Aber als man in den anschließenden Diskussionen die Konsequenzen und Folgen für die Marke nicht wirklich abschätzen konnte, sind wir selbst zu dem Schluss gekommen, dass man die Idee in der Schublade stecken lassen sollte.
Tim Delaney sagt in solchen Fällen gerne: calculated bravery. Gute Ideen müssen mutig sein, aber man sollte das Risiko immer vorher abschätzen können.
Was soll euch das sagen?
Es hilft eigentlich immer, sich einmal vorzustellen, dass einem das Unternehmen gehört und dass es das eigene Geld wäre, das man für die Kampagne ausgeben soll. Um dann zu entscheiden: Würde man Millionen in die eigene Idee investieren oder lieber nicht?
Kleine Anekdote am Schluss: Wir waren mal bei einem Unternehmen vorstellig, das nach vielen schlechten Erfahrungen mit Agenturen wieder in Werbung investieren wollte. Am Ende eines längeren Entscheidungsprozesses, in dem es um ein sechsstelliges Budget ging, hat der Unternehmer seine am Tisch sitzende Frau gefragt:
Sollen wir das Geld in Werbung stecken oder lieber eine gute Immobilie dafür kaufen?
4 Kommentare:
followfish? obwohl ich eigentlich schon ein fleissiger leser bin, ist mir das doch irgendwie entgangen... dass das von euch ist. verdammt. mein tipp: egal ob mutig oder nicht – macht einfach was gutes!
Sicher, es kann helfen, hadern zu vermeiden, wenn man ein fundiertes Feedback vom Kunden bekommt, welche inhaltlichen Gründe gegen eine Idee sprechen und welche Risiken er nicht einzugehen bereit ist.
Vorausgesetzt, man hat einen fundiert argumentierenden und analytisch denkenden Kunden.
Die Realität in den Marketingabteilungen ist anders. Politik, Angst, Eitelkeiten, Geschmäcklerisches, Abteilungskämpfe sind nur ein paar der Punkte, unter denen Kampagnenentscheidungen getroffen werden.
Ups, jetzt hader' ich schon wieder.
Übrigens: ich persönlich stelle mir immer vor, es wäre mein Geld.
Ein Beispiel: die Entwicklung einer Funkkampagne. Die kostet ja nicht nur tausende (manchmal zehntausende) in der Produktion, sondern auch sechs- oder siebenstellig in der Schaltung.
Ein Job, der gerne mal als undankbar empfunden und an Junioren weitergegeben wird. Und über den man sich über Idee und Gag hinaus wenig Gedanken macht.
Da hilft es, wenn man sich ab und an vor Augen hält, wie viel Hin- und Herüberlegen und Abwägen man in sein letztes Auto, Handy, Fernseher oder sogar in Klamotten gesteckt hat (vom Eigenheimkauf will ich gar nicht erst reden).
Wir sollten immer Respekt vor diesen Summen empfinden und verantwortungsvoll damit umgehen.
Gerade weil einem das Geld nicht gehört.
wenn man sieht was heute so rauskommt hätte ich die immobilie genommen...
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