Dienstag, 3. Februar 2009

Integriertes Beamtentum.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich im Fach Geschichte richtig aufgepasst habe, aber das Beamtentum wurde von den Preußen perfektioniert.

Fragen wir zur Sicherheit Wikipedia:

Der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. formalisierte die Ausbildung und gilt als Vater des Berufsbeamtentums. Sein aufgeklärter, absolutistischer Sohn Friedrich der Große (II.) war es dann, der das Gemeinwohl zum Primärziel erhob und sich selbst als „ersten Diener des Staates“ sah.

Ok, mein mäßiges Geschichtswissen lag nicht so falsch.

Aber lassen wir die persönlichen Eitelkeiten beiseite, stellen wir fest, dass das Beamtentum von den Deutschen kommt und dass der ADC den Status des kreativen Beamtenstaates momentan für sich proklamiert.

Sein König Amir I. hat den Paradigmenwechsel seit geraumer Zeit entdeckt und sich selbst als Missionar für den Wandel "von der Agentur zur kreativen Unternehmensberatung" identifiziert.

Hut ab vor der Verve, mit der König Amir I. das vollzieht.

Sein mediales Theater hat immerhin die Diskussion um die Zukunft von Kommunikation angefacht.

Während unser Kreativsonnenkönig auf dem Paradigmenwechsel herumreitet, scheinen die angelsächsischen Kreativhandwerker einfach weniger zu diskutieren – und mehr zu machen.

Integrierte Kommunikation ist für sie keine Vision, sondern Alltag.

Sie sind von Natur aus daran interessiert, eine starke Grundidee zu entwickeln und dann aus dem Strauss von Medien diejenigen raus zu suchen, die am besten zur Idee und zur Zielgruppe passen.

Dass da heutzutage – mit aller Wahrscheinlichkeit – online Werbemittel dabei sind, liegt in der Natur von zwei Erkenntnissen.

Erstens nutzen die meisten Zielgruppen inzwischen das Netz (hey, wow, echt interessant) und zweitens ist es ein vergleichsweise günstiges Werbemittel. Immer noch.

Ich hatte diesbezüglich ein Schlüsselerlebnis auf dem ADC-Big-Ideas-Kongress im Oktober 2008.

Bei einer Podiumsdiskussion mit Chuck Porter (Crispin Porter Bogusky), Al Kelly (Fallon) und einigen deutschen Kreativ-Größen (mehr davon hier) kam die Frage im Publikum auf, wie CPB oder Fallon das mit der „integrierten Kommunikation“ organisatorisch so lösen.

Die Jungs aus den USA haben die Frage erst gar nicht verstanden. Auf ungläubiges Nachfragen ihrerseits ins Auditorium (what do you mean?) konnte man dann von ihnen erfahren, dass sie nach wie vor einfach eine starke Grundidee oder Geschichte suchen, bevor sie dann an die Medienkanäle denken.

Ganz klar, sie haben sich ein paar Leute ins Team geholt, die aus der digitalen Richtung oder gar ganz anderen Disziplinen kommen. Aber: alle arbeiten als Team. Und nicht in irgendwelchen Sondereinheiten. Nix Task force "integriert", nix Unit "360 Grad", nix "Agentur für holistische Kommunikation". Einfach wie immer: Werbeagentur.

Ihr Denken: Problem. Lösung. Creatives – just do it.

Das ist der Lauf der Dinge.

Diese Verbeamtung von integrierter Kommunikation ist eben – mal wieder – typisch deutsch. Und die Diskussion darum auch.

Hey, ich liebe dich.

Warum?

Kann ich dir nicht sagen.

Moment, kann man aus deiner Liebe zu mir nicht ein Grundschema erkennen?

Warum?

Na, dann könnte ich ein System daraus machen und es besser vermarkten.

Aber Gefühle sind Gefühle.

Ja, aber Gefühle mit System kann man besser verkaufen.

Ich denke, du liebst mich.

Ja, aber nur, wenn man ein Schema daraus ableiten kann.

Schnitt.

Während wir noch diskutieren, entwickeln die anderen einfach spaßige Werbung.

Der Spot anbei belegt das erneut.

Locker, leicht – und vielleicht auch integriert. Aber egal. Wenn Werbung dich packt, ist es vollkommen Banane, woher die Idee kam. Und wo ich sie schon mal gesehen habe.

Also Leute, alles beim Alten. Die Idee zählt.

Mehr denn je.


TVC „Free Doritos“ von Goodby Silverstein & Partners.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Coole Vorlesung gestern. Nicht labern – machen!

Anonym hat gesagt…

WORD!

Ich fand's auch gut. Und jetzt wird produziert und um Ideen (und Geschichten) gekämpft!

Anonym hat gesagt…

Super blog, faszinierend wie die sachen in germany laufen. Hier in London sprechen auch alle davon, und ich muss schon sagen das die Amis sehr weit voraus sind. Denn hier trennen sich die agenturen, es gibt Above the Line agenturen (TV & Print) und digitale agenturen, dazwischen welche die sich integrated schimpfen aber fast nur direkt marketing und nun verstaerkt digital machen. Es findet sich in London keine einzige, KEINE EINZIGE agentur die CPB maessig grosse ideen schmiedet und diese digital, im tv, print und sonstigem verarbeitet, mit derber qualitaet versteht sich. Hier herrscht die zweiklassen gesellschaft, es gibt die Above the line guys die nur grosse ideen denken und die digitalen/inetegrated die diese grossen ideen in ein bannerformat hineinbugsieren. Obwohl natuerlich alle above the line agenturen digitalen talenten massenhaft kohle an den kopf schmeissen damit sie rueberwechseln.

Vor allem aber interessant, zeigt man einem above the line creative director das portfolio heisst es, du musst mehr digital da drinne haben. Wenn du aber zu den digitalen mit dem buch gehst schauen die nur nach ideen. Die habens kapiert. Kriegen aber wenig chancen es umzusetzen.

Anyway.

Zschaler hat gesagt…

Schön, dass auch jemand von der Insel den Weg hier her gefunden hat. Welcome.

Anonym hat gesagt…

Schöner Artikel! Er spricht mir aus dem Herzen. Und leider wird mal wieder dadurch deutlich: Jedes Land bekommt die Werbung, die es auch verdient!