Samstag, 18. Oktober 2008

Von Schlüsselbild-Terrorismus und Buschmesser.

Am Donnerstag (16.10.) war ich in Berlin beim 1. ADC BIC. BIC steht für „Brands and Ideas Congress“. Der Cogress selbst stand unter dem sehr viel versprechenden Motto:




Die Veranstaltung begann um 9 Uhr und sah ein straffes Programm mit zahlreichen Vorträgen und Podiumsdiskussionen vor.

Die Referentenliste war eine Ansammlung kreativer Schwergewichte.

Die nationale Kreativgarde wurde vertreten u.a. durch: Jean-Rémy von Matt von Jung von Matt, Amir Kassaei von DDB Berlin, Sebastian Turner von Scholz & Friends,

Die internationalen Persönlichkeiten hießen u.a.: Chuck Porter von Crispin, Porter + Bogusky, Al Kelly von Fallon, Colleen DeCourcy von TBWA Worldwide (leider kam Dave Droga von Droga5, New York, nicht – und man hätte gerne 20% seiner Gebühr zurück erstattet).

Am Ende eines solchen Tages frage ich mich dann natürlich, was habe ich für € 950 an Wissenszuwachs bekommen?

Und als stolzer Besitzer eines 1,5 Monate alten Blogs frage ich mich weiter:

Was kann ich meiner Lesergemeinde, die hoffentlich zum kreativen deutschen Nachwuchs gehört, für ein erfolgreicheres Wirken mit auf den Weg geben?

Auf jeden Fall kann ich paar sehr interessante Statements präsentieren, die im nächsten Beitrag auf euch warten. Sie werden dem ein oder anderen eine gute Orientierung bieten, wie sich Marken-Kommunikation verändert.

Für mich, als kreativen Altsack, war es dagegen erschreckend zu sehen, wie sich das deutsche kreative Selbstverständnis im Vergleich zum internationalen kreativen Selbstverständnis präsentiert hat.

Zu dem Thema „Leading Brands in Digital Times“ begaben sich unsere Kreativstars allesamt in die Mahner- und Warner-Haltung und benutzen mitunter ein gar martialisches Wortwerk.

Der Erste sprach davon, dass die Kommunikation früher einer Wiese glich, wo man alle (Verbraucher) sehen und erreichen konnte, und dass sie jetzt ein Dschungel ist, in dem sich alle (Verbraucher) verstecken und man aufpassen muss, damit einem das Buschmesser (die Markenführung) nicht aus der Hand gerissen wird.

Der Zweite predigte fast schon missionarisch darüber, dass wir vor einem Paradigmenwechsel stehen (ach echt?), dass sich nach der Finanzkrise alles ändern wird und dass die Agenturen der Zukunft keine Kommunikation mehr machen, sondern nur noch Innovationen liefern. Also, wir erfinden erst das Produkt, organisieren dann den Vertrieb und machen schließlich so nebenbei noch die Kommunikation dafür.

Der Dritte mahnte davor, dass sich die klassischen Agenturen mitten in einem kommunikativen Großbrand befinden, den man schnell löschen muss und dass man sich vom Schlüsselbild-Terrorismus endlich befreien sollte. Was meint, dass die Kreation von heute ein Schlüsselbild erfindet und dann durch alle Disziplinen stumpf durchnudelt, was – in der Tat – keine Wirkung hat (welche Erkenntnis).

Wie dagegen denken denn unsere amerikanischen Kollegen "in digital times"?

Ich muss sagen, die waren zuerst einmal allesamt ziemlich entspannt, im Gegensatz zu den deutschen Kollegen, die sehr staatstragend daher kamen.

Hey Leute, es ist Werbung, es geht um Kreation, lasst uns Spaß zusammen haben (ich weiß, das sagt der Richtige, werden jetzt einige denken. Recht haben sie. Das ist mein persönliches Learning).

Irgendwie vermitteln einem englischsprachige Kreative (und auch meine Kollegen von LD) immer wieder den Eindruck, dass sie es als Spaß betrachten, sich Kommunikationsideen auszudenken.

Während unsere Vertreter allesamt zu leiden scheinen.

Chuck Porter, 65 Jahre, stand sehr lässig auf der Bühne, hat kurz ein paar knackige Thesen formuliert, einige Kundenprobleme aufgezeigt um dann im gleichen Atemzug darzustellen, wie seine Agentur die jeweiligen Problem gelöst hat (siehe meine früheren Beiträge, z.B. Whopper-Freakout, Molson-Beer, etc.).

Al Kelly von Fallon war ähnlich drauf.

Während die Deutschen sich in online-/offline-Prozess-Struktur-Idealismus-Diskussionen zergehen, ist es für internationale Kreative ganz selbstverständlich, mit online und offline-Disziplinen zu arbeiten.

Auf die Frage, wie sie mit den neuen online-Herausforderungen in der Agentur umgehen, antwortete Al Kelly: ganz normal. Da gibt es keine online-Abteilung. Da gibt es "Conceptual Creatives or not". Für die technische Umsetzung holen sie sich Spezialisten dazu.

Fazit: Die reden nicht so viel, die machen einfach.

Mir geht dieses Aufbauschen eines neuen kommunikativen Zeitalters, vor dem wir zu stehen scheinen und die dazugehörige Schwarzmalerei echt auf den Keks. Wir sind doch längst mitten drin. Und versuchen, damit zu arbeiten (ich jedenfalls).

Jeder sollte sich einfach daran erinnern, was Kreativität ist.

Kreativität ist purer Optimismus.

Wir haben ein Problem. Und wir werden eine geniale Idee finden, es zu lösen.

Dafür werden wir, verdammt noch mal, bezahlt.

Just do it.

Tipp 34: Denke viel länger über die Lösungen nach als über das Problem.

Tipp 34a: Versuche in deiner Karriere mal in einer Agentur in England oder Amerika zu arbeiten.



Das Konzept "Tate Tracks" von Fallon für die Tate Gallery in London.

Während die deutsche Kreativgemeinde sich noch damit aufhält, wie man die analoge und digitale Welt unter einen Hut bringt, kreieren angelsächsiche Kreative Lösungen, die beides wie selbstverständlich vereinen.

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