Sonntag, 18. Januar 2009

Rotiert das Management, rotiert die Marke.

Wenn der Entscheider auf Kundenseite wechselt, wird häufig auch die Agentur gewechselt. Oder zumindest eine Wettbewerbspräsentation ausgeschrieben, um den „momentanen Staus der Markenkommunikation und die bestehende Agenturbeziehung einer turnusmäßigen Prüfung zu unterziehen“.

Warum?

Marketingmanager sind in der Regel – mal mehr, mal weniger – für Produktentwicklung, Vertrieb und Kommunikation einer Marke verantwortlich. Ein neuer Manager möchte natürlich seine Handschrift hinterlassen und seine Vorstellungen von Marketing im neuen Unternehmen umsetzen.

Spitze Zungen würden sagen, er muss sich profilieren.

Die Produktentwicklung eines Unternehmens umzustellen oder den Vertrieb auf eine neue Strategie zu trimmen, ist dabei ein weitaus langwierigerer Prozeß als die Kommunikation zu verändern.

Das geht praktisch von heute auf morgen.

Die Kommunikation ist sofort sichtbar, somit ist auch die Veränderung sofort sichtbar. Das gilt besonders nach innen, denn die Kollegen beäugen mitunter argwöhnisch, was der Neue da so treibt.

So weit die Praxis. Und eigentlich auch nicht verwerflich. Im Gegenteil, es ist sogar verständlich.

Wenn nicht der Zeitaspekt wäre.

Werbeleiter, Produktmanager, Marketingdirektoren und sogar Marketing-Vorstände wechseln in immer kürzeren Intervallen, inzwischen ist es fast der gleiche Rhythmus wie bei Kreativen. Die klassische 2-Jahres-Rotation.

Im ersten Jahr profilieren. Im zweiten Jahr etablieren. Dann nix wie weg.

Es gibt Branchen, da ist das Wechselkarussell rasanter als in anderen. Zu den Personal-Schnelldrehern gehören besonders die FMCG-Kunden (Fast Moving Consumer Goods, also Lebens- und Genussmittel).

Wir haben 5 Jahre lang einen FMCG-Kunden betreut und wir haben 3 neue Marketingverantwortliche erlebt. Am Ende war Agentur länger auf dem Etat als alle Mitarbeiter der Marketingabteilung.

Leute des Marketings können sich meistens nur durch einen Jobwechsel entscheidend verbessern. Außerdem ist die Hierarchie in vielen Marketingabteilungen kein Zuckerschlecken und nach 2 Jahre zähem Kampf sind die Energien verbraucht und die Nerven blank.

Was für die einzelnen Personen ein logischer Schritt sein mag, bringt für die zurückbleibende Marke oft einen unlogischen Wechsel der Kommunikationsstrategie.

Die Marke, von der ich oben gesprochen habe, war beim Verbraucher unten durch und hatte stetig fallende Umsatzkurven. Man konnte es in den Gruppendiskussionen förmlich greifen. Der Besitzer, das Management, das Marketing und die Strategie wurden so oft gewechselt, dass mich ihre schlechte Wahrnehmung beim Konsumenten nicht verwundert hat.

Heute hü, morgen hott, übermorgen Galopp – und überübermorgen ganz zurück.

Wenn man weiß, wie lange es braucht (bei begrenztem Budget), bis man eine neue Positionierung beim Konsumenten durchgesetzt hat, kann man sich vorstellen, was bei einer Marktforschung rauskommt.

Ich denke, dass es ein entscheidender Unterschied ist, ob ein neuer Mann oder eine neue Frau gleich die Marken- oder Kommunikationsstrategie über den Haufen wirft, oder ob er/sie nur die Kommunikation auf der bestehenden Strategie hinterfragt.

Eines der größten Markenprobleme unserer Zeit sind mangelnde Konstanz und fehlende Geduld, die es braucht, eine Positionierung und eine neue Markenwahrnehmung durchzudrücken.

Deshalb schätze ich Neuankömmlinge, die sich erst einmal mit der amtierenden Agentur auseinander setzen und versuchen, die Strategie zu verstehen und zu überlegen, an welchen Stellschrauben man drehen kann.

Schließlich darf man nicht vergessen, wie viel Geld in der Vergangenheit in die Kommunikation einer Marke investiert wurde.

Natürlich ist es auch legitim, eine Markenstrategie neu festzulegen, aber dann sollte man wirklich handfeste Argumente haben. Und nicht nur von seiner Eitelkeit und seinem persönlichen Geschmack geleitet sein.

Seit ungefähr zehn Jahren „beobachte“ ich – nur über die Pressemeldungen – einen inzwischen hochrangigen Marketingmanager, der durch zwei Dinge auffällt.

Erstens, er wechselt jeweils nach zwei Jahren den Job. Und hinterlässt nicht gerade wirtschaftliche oder kommunikative Erfolgsgeschichten. Trotzdem klettert er die Leiter immer höher. Vom Marketingleiter hat er es inzwischen zum Vorstandsvorsitzenden gebracht.

Und zweitens, er bringt bei jeder Marke, zu der er wechselt, innerhalb kurzer Zeit „seine“ Agentur ans Ruder. Zu allem Überfluss veranstaltet dieser Experte jedes mal einen Pitch mit 4 oder 5 Agenturen und – siehe da – es gewinnt seit Jahren immer die gleiche Agentur.

Ob das noch etwas mit verantwortlicher Markenführung zu tun hat, wage ich zu bezweifeln.

Erfolgreiche Marken, wie zum Beispiel Sixt oder Hornbach, haben eine konstante Kommunikation auf absolut hohem Niveau und eben auch ein konstantes Management. Ob das jetzt der Inhaber ist oder der Marketingvorstand, spielt dabei keine Rolle. Der, der letztendlich die Kommunikation entscheidet, setzt auf Konstanz.

Warum dieses Dilemma in der Szene selten thematisiert wird, hat einen Grund:

Agenturen profitieren von Managementwechseln. Sie kommen schneller an neue Etats.

Allerdings verlieren sie die Etats auch im gleichen Tempo.

Tipp 92: Mach dich darauf gefasst, dass der Etat wackelt, wenn der Marketingdirektor geht.



Momentan die mutigste und gleichzeitig konstanteste Kampagne in Deutschland. Und kein Fake: Hornbach.

Die Marke tritt immer wieder etwas anders auf, dennoch ist die Strategie seit Jahren die gleiche (Selbstverwirklichung). Wie auch das Management.

4 Kommentare:

milchsaeure hat gesagt…

Von diesen Marketingleuten gibt es einige. Und denen ist unsere Leidenschaft, unser guter Wille, unser Markenverständnis total egal. Mehr noch, sie nutzen es aus. Präsentationen, die wegen Zeitknappheit großzügigerweise von Freitag auf Montag verschoben werden, (diese Typen arbeiten nicht am Wochenende), die unmissverständliche Drohkulisse des Etatverlusts bei gleichzeitiger Aufmunterung, die letzte Chance jetzt ja nicht zu vergeigen, usw usw. Diese Typen arbeiten nicht für die Unternehmen, von denen sie bezahlt werden. Sie arbeiten nur für ihre eigene Karriere. Rücksichtslos. Auf dem Rücken ihrer Mitarbeiter, der Marke und der Dienstleister. Wenn einem jemand an der Supermarktkasse so unverschämt käme, würde man ihm eine langen. Aber so steht man in der Verantwortung für seine Agentur und seine Mitarbeiter und hält die Fresse. Grenzt an Nötigung. Aber was will man vom Gscherr' schon erwarten, wenn der Herr nicht anders tickt: Siemens, Allianz, Airbus, Hartz, Ackermann, Esser. Noch Fragen?

Was wir tun können? Mund abputzen weitermachen. Überleben.

Anonym hat gesagt…

Was sind eigentlich deine Lieblings-Werbespots ever?

Anonym hat gesagt…

Hier ist ja wie tot!

Was ist da los Zschaler?

Zschaler hat gesagt…

Ich liebe es, wenn man mich mit dem Nachnamen anredet. Vor allem, wenn man nicht aus der Deckung kommt. Ich hoffe, wir beide sind im wahren leben per du, dann darfst du das.

Jetzt lebt er wieder, der Blog.

@Werbespot-Anonymus: mein Lieblingsspot "ever" siehe Beitrag "Journalist oder Werbetxter".

@milchsaeure: wahre worte.