Heute ist sie offiziell losgegangen, die Weltwirtschaftskrise.
Heute war der erste richtige Arbeitstag im Jahr 2009 (Freitag hat nicht gezählt).
Heute müsstet ihr alle – medientheoretisch – nicht mehr so viel zu tun gehabt haben wie noch im Dezember.
Was macht man da als Kreativer?
Man räumt endlich mal auf. Dauert höchstens eine Stunde. Und dann hat man – lange herbei gesehnt – wieder mehr Zeit, über einzelnen Ideen zu brüten. Oder man nutzt die Zeit, um seine Mappe zu verbessern.
Wenn man die verschiedenen Prognosen zusammenfasst, dann wird es entweder schon Mitte 2009 besser oder es geht noch ins Jahr 2010 hinein, bis es mit der Wirtschaft wieder aufwärts geht.
Tolle Aussagen.
Auf diese unpräzise Hellseherei können wir verzichten. Wirtschaftsweise sind nicht weise, dass konnte man in den letzten Jahren immer wieder feststellen. Warum die immer noch befragt werden, ist mir ein Rätsel.
Als Kreativchef und Unternehmer müsste ich mir in diesen Wochen natürlich ein paar essentielle Fragen stellen:
Wie viele Kunden reduzieren ihre Aufträge?
Wie viel weniger werden wir einnehmen?
Können wir unsere momentanen Kosten noch decken?
Wie komme ich in Zeiten, in denen alle ihre Werbebudgets reduzieren, an neue Etats?
Wo können wir einsparen?
Der übliche Unternehmer-Käse eben.
Aber solche Fragen stelle ich mir nicht.
Ich stelle mir am liebsten die Frage, wie ich die Jobs, die auf dem Tisch liegen, möglichst so kreativ und überzeugend lösen kann, dass sie meine Kunden (auch die mit weniger Jobs) deutlich voran bringen.
Da haben wir genug mit zu tun. Da ist noch viel Luft nach oben bei uns.
In dem englischen Blog Scamp wurde eine interessante Analyse beschrieben:
Eine gewisse Lorna Tilbian von Numis Securities, scheinbar seit Jahren eine der respektiertesten Analysten der Media- und Werbeszene von London, hat in der Vergangenheit beobachtet, dass Agenturen, die in England den Bach runter gingen, längere Zeit vorher keine Awards mehr gewonnen haben.
Ob nun das eine mit dem anderen ursächlich zusammen hängt (eine Agentur macht schlechtere Kreation, also gewinnt sie nichts, also verliert sie Kunden) oder das andere mit dem einen (einer Agentur geht es wirtschaftlich schlechter, also spart sie sich die Award-Einsendekosten) wird selbst in England eine müßige Diskussion sein.
In Deutschland wäre die Diskussion völliger Quatsch, denn 70% der ausgezeichneten Arbeiten sind Fakes und nur für Wettbewerbe gemacht. Also keine kreative Qualitätslatte für die wirklich veröffentlichten Arbeiten und Kommunikationserfolge einer Agentur.
Dennoch glaube ich fest daran, dass die einzige Frage, die man sich als Kreativer in Krisenzeiten stellen kann, die folgende ist:
Wie kann ich jetzt noch bessere Kreation rauskriegen?
Wer sich auf die Beantwortung dieser Frage konzentriert, der dürfte auch die depressiven Phasen überstehen, denn es wird immer Kunden geben, die selbst in schlechten Zeiten Kommunikationserfolge suchen.
Und damit die Kreativen, die sie liefern können.
Wenn weniger und ängstlicher geworben wird als sonst, da fällt eine mutige Kampagne umso mehr auf.
Wie ich schon in meinem letzten Beitrag sagte, es wird das Jahr der Kreativen. Die Analyse dieser Lorna Tilbian bestätigt das nur noch einmal.
So.
Heute war also der erste Tag der Weltwirtschaftskrise. Heute habt ihr hoffentlich anfangen über bessere Kreation nachzudenken.
Ich habe mich wohl weisslich erst mal in den Urlaub verabschiedet – wie auch den Rest der Woche.
Wäre also schön, wenn der ein oder andere schildert, wie sich die Krise am ersten Tag bei ihm bermerkbar gemacht hat.
Oder auch nicht.
Damit ich hier in den Bergen mitkriege, ob die Krise in der ersten Woche auch Wort hält.
Tipp 85: Gegen die Krise helfen nur noch bessere Ideen.
Das Wirtschaftsklima ist kühl. Und draußen ist es arschkalt. Das passt die folgende kreative Arbeit doch bestens zum Gesamtklima:
Der virale Spot „Walrus“ von Goodyear. Entwickelt von unseren lieben Kollegen bei Leagas Delaney London.
3 Kommentare:
Meine Beobachtung: Die Weltwirtschaftskrise bietet einigen Menschen viele Ausreden, ohne dabei konkret werden zu müssen.
Mein erster Tag in der Krise: ADC Einreichungen termingerecht finalisieren, da kriegt man von alleine die Krise.
Außerdem: den Schreibtisch aufräumen, denn in 3 Wochen steht ein Agenturwechsel vor der Tür.
Womit ich gleich mal eine Krisen-Anschlußfrage stellen möchte: Findest du es schlau oder Harakiri, wenn man sich gerade jetzt einen neuen Job sucht? Einen wo man immer schon hin wollte und bessere Chancen sieht?
Na dann mal einen erholsamen Urlaub!
Chris.
Die Krise ist in der Tat für einige ein willkommenes Alibi. Aber das war schon immer so.
@Chris: ich würde wechseln, wenn es so ist, wie du beschrieben hast.
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