Freitag, 24. Oktober 2008

Ein paradoxes System namens Media.

Die meisten unserer Ideen würde keiner wahrnehmen, gäbe es nicht Media-Agenturen. Leider sitzen diese Jungs am längeren Hebel als Werbeagenturen, weil es im Media-Geschäft um richtig viel Kohle geht.

Eine Media-Agentur bekommt schneller einen Termin beim Vorstand als eine Werbeagentur, denn es wird schliesslich über Millionen entschieden.

Um allen Jungkreativen, die etwas naiv in die Branche gestartet sind, eine Vorstellung zu geben, wovon wir hier reden, ein paar Preisangaben:

Bei RTL kostet der niedrigste 30-Sekunden-Spot 660 Euro (z.B. innerhalb des RTL Shops), der höchste 132.000 Euro (z.B. bei der Live-Übertragung eines Formel 1 Rennens). In der Gerichtssendung "Das Jugendgericht" am Nachmittag bietet RTL einen 30-Sekunden-Spot für 6.300 bis 6.900 Euro an, bei "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" am Abend für 27.000 bis 61.500 Euro.

Das sind die Preise von 2004!

Einmal 30 Sekunden kosten heute zu einer vernünftigen Sendezeit mindestens 30.000 Euro.

Das ist das Jahresgehalt eines Juniortexters.

Natürlich bekommt man Rabatt, wenn man eine gewisse Menge an TV-Spots bucht (oder eine gewisse Menge an Anzeigen oder eine gewisse Menge an Bannern).

Media-Agenturen machen für diesen Deal die Planung (welche Werbeträger werden eingesetzt, um mit einem Budget X die Zielgruppe Y zu erreichen, um dort die Botschaft Z durchzusetzen) und erledigen anschließend den Einkauf (die ausgewählten Werbeträger werden nach Plan eingebucht).

Die Planungskriterien der Media-Spezialisten rankt sich leider meistens um die Reichweite. Hier gibt es den TKP (Tausend-Kontakt-Preis). Und für den Werbedruck gibt es den GRP (Gross Rating Point).

Ehrlich gesagt habe ich diese Berechnungsgrößen bis heute nicht vollständig akzeptiert, obwohl ich schon in so vielen Media-Präsentationen gesessen oder auch mit den Media-Experten darüber gesprochen habe.

Dieses Streben nach reiner Reichweite ist mir zu einseitig.

Es ist immer wieder ernüchternd mit anzusehen, wie eine Kampagne, die von Kreativen entwickelt und für ganz spezielle Medien ausgedacht wurde, nach der Reichweiten-Berechnungs-Mühle zerbröselt wird und auf andere Medien umgepolt werden muss.

Medien, die für die Idee nicht geeignet sind.

Meine Logik plädiert dafür, lieber weniger Menschen zu "erreichen", dafür umso nachhaltiger und effektiver.

Einige wenige differenziert denkende Mediaexperten nennen das glaube ich "qualifizierte Erstkontakte".

Es ist total paradox, dass Kreative und Mediastrategen nicht ganz eng zusammen arbeiten. Heutzutage spielt die Wahl der Medien für die Botschaft eine entscheidende Rolle.

Einer der Gründe, warum diese enge Allianz nicht gewünscht ist, liegt darin, dass Media-Agenturen riesige Kontigente „blind“ im voraus einkaufen, um noch günstigere Rabatte von den Sendern, Verlagen, Stadtmedienvermittler oder Online Vermarktern zu bekommen.

Große Media-Agenturen sind wie Broker.

Sie kaufen Werbeträger günstig ein und verkaufen sie dann mit Gewinn an ihre Kunden weiter. Es ist auch nicht so, dass das kein Kunde weiß. Die Preise sind dann Verhandlungssache (deshalb der Vorstand, siehe oben).

So interessiert es aber häufig herzlich wenig, was die Kreativagentur eigentlich mit der Kampagnenidee beabsichtigt hat.

Plakat? Rechnet sich nicht, wir empfehlen 1/1-Anzeigen.

30 Sekunden? Ist bei dem Budget zu teuer, wir empfehlen 15-Sekünder.

Für die Arbeit eines Juniortexters, der ganz weit weg von diesen Mediaspielchen ist, kann das nur bedeuten, sich vor dem Ausdenken intensiver um die geplanten Werbeträger und deren Formate zu kümmern.

Es ist ein entscheidender Unterschied, ob ich 20 KB für ein Banner zur Verfügung habe oder 60 KB.

Ich denke mir andere Geschichten für einen 30-Sekunden TV-Spot aus als für einen 15-Sekunden-TV-Spot.

Und ich denke überhaupt ganz anders, wenn ich weiß, dass Plakat und Funk überhaupt nicht in Frage kommt.

Es kostet mit Sicherheit etwas Mühe, von den zuständigen Kundenberatern die entsprechende Information zu bekommen, aber sie wird dir später eine Menge Zeit und eine Menge Frust ersparen.

Tipp 38: Vergewissere Dich nicht nur, welche Medien zum Einsatz kommen, sondern auch in welchem Format.



Es passiert nicht hier, aber jetzt.

Unter dieser Headline hat mein Freund Pius Walker (Walker, Zürich) eine Kamapgne entwickelt, in der das Medium Teil der Idee ist.




Das Umfeld der City-Light-Plakate wird in die Darstellung der Bilder mit einbezogen.



Diese Kampagne funktioniert nur in diesem Medium. Aber keine Media-Agentur hätte diese Idee vorgeschlagen. Das können nur Kreative.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Für mich eine der eindrucksvollsten Plakatkampagnen der letzten Jahre!

Danke fürs Erinnern :-)

Anonym hat gesagt…

Für mich eine der eindrucksvollsten Plakatkampagnen der letzten Jahre!

Danke fürs Erinnern :-)