Das Internet hat Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen das Geschäft madig gemacht, weil sich dort fast jeglicher redaktioneller Inhalt kostenlos findet. Demzufolge ist auch die Haupteinnahmequelle der Verlage, die Anzeige, als verlässliche Größe eingebrochen.
Der große Konkurrent der Anzeige ist die digitale Displaywerbung. Allen voran das Banner.
Wie ich in der letzten (gedruckten) Ausgabe der Horizont vom 27.2.2014 gelernt habe, werden Anzeigen im „Lean Back“-Modus konsumiert. Das heisst, der Betrachter ist eher entspannt, hat Zeit und blättert genüsslich durch das Druckerzeugnis.
Wohingegen Banner einem User eher im „Lean Forward“-Zustand im Wege stehen, denn der Betrachter will eigentlich etwas anderes suchen oder erfahren – und plötzlich legt sich ein Banner über seinen Beitrag. Da ist der Nerv-Faktor natürlich ungleich höher als bei Anzeigen.
Anzeigen können nicht blinken, Töne von sich geben oder die „x schließen“-Funktion so clever verstecken, dass du entgegen deiner Absicht auf der beworbenen Seite landest. Und noch genervter bist.
Anzeigen lassen mir die Wahl (ich muss sie lesen wollen).
Banner zwingen mich häufig zu ungewollter Aktion (ich muss mich ihrer entledigen, um weiter agieren zu können).
Weil Anzeigen eine passive Funktion einnehmen, ist es eine besonders große Herausforderung für uns Kreative, sie so zu gestalten, dass ein Leser tatsächlich auf die Idee kommt, sich mit dem Inhalt und der Marke zu beschäftigen. Obwohl er gar nicht die Absicht hat.
Im Jahr 2012 haben Unternehmen rund 2 Milliarden Euro für Anzeigen ausgegeben. Für Banner 1,1 Milliarden.
Inzwischen ist diese Summe aber ein enttäuschender Wert für das Selbstverständnis der digitalen Vermarkter. Denn die Entwicklung stagniert.
Horizont-Journalist Jürgen Scharrer kommt in seiner Krisen-Analyse zu folgenden Gründen:
1. Je schlechter Banner funktioniert haben, desto häufiger wurden sie geschaltet.
2. Die Gestaltung wird immer aggressiver.
3. Ad-Blocker werden zunehmend häufiger eingesetzt.
Ich persönlich finde, dass ein ganz wichtiges Argument vergessen wurde:
Der Konsument hat dazugelernt.
Er sieht die Banner wie eine Anzeige. Aber er klickt sie nicht. Weil er weiß, dass er damit in die digitalen „Fänge“ der Absender gerät.
Wenn ich einfach mal von mir selbst ausgehe, so finde ich manche Banner durchaus gut gemacht und ansprechend. Und ich registriere auch, dass sie Teil einer Kampagne sind. Aber ich klicke nicht drauf, weil ich weder Retargeting-Opfer noch Newsletter-Aspirant werden will.
Damit sind die Banner genau da angekommen, wo Anzeigen längst sind:
Wie misst man die Wirkung des Werbemittels? Der Konsument entwickelt sich weiter. Etwas, dass die ganze Banner-Wirkungsforschung vielleicht mal in Betracht ziehen sollte. Sie kann nicht mehr ausschließlich mit den üblichen Methoden (CPC, CPO) geführt werden.
Das Wahrnehmungsproblem der Banner hat ganz sicher viel mit ihrer kreativen Qualität zu tun. 90% bieten ein sehr mäßiges kreatives Niveau.
Aber den Zustand kennen klassische Kreativen längst: auch Anzeigen bieten zu 90% meistens kreativen Durchschnitt.
Herzlich willkommen also in der ganz normalen Werbe-Wahrnehmungs-Welt, liebe Banner, ihr seid ein stinknormales Werbemittel geworden, dass sich mit der Abwehrhaltung der Konsumenten auseinander setzen muss.
Einmal mehr: Die Idee zählt. Nicht die Technik.
4 Kommentare:
Hallo, Stefan!
Ich möchte ein paar (auch abweichende) Gedanken hinzufügen.
Die Antwort der Werbung auf das digitale Zeitalter war nicht:
“Ui! Wir müssen uns was Neues ausdenken!"
Oder sogar
"Ui! Wir können uns endlich mal was Neues ausdenken!"
Sondern:
“Wir übertragen das, was wir immer schon gemacht haben, mit der Brechstange ins Digitale!”
Display-Advertising. Fläche und Platzierung. Die Inhalte, Texte, Visuals bleiben dieselben.
Der Kinospot wird zum Youtube Pre-Roll-Ad und die Printkampagne wird ins Netz verlängert: "Bitte mal schnell aus der Anzeige einen Skyscraper machen, danke."
Du schreibst, dass die Banner-Wirkungsforschung mal ihre CPC- und CPO-Modelle überdenken sollte. Das Berücksichtigen und Berechnen von reiner Sichtbarkeit und Reichweite von Bannern gibt es eigentlich schon immer. Der Banner ist tatsächlich auf demselben Niveau wie eine Anzeige in der Zeitschrift, nämlich meistens und höchstens irgendwo am Rande des Unterbewusstseins, und die Media wird auch für theoretische Kontaktzahlen bezahlt.
Kann die Leistung von Display-Ads im digitalen Raum durch Kreativität verbessert werden? Jein. Kommt darauf an, was man unter Kreativtät versteht. Du sagst am Ende: "Die Idee zählt. Nicht die Technik." Dass tolle Ideen im Netz funktionieren, ist ja eigentlich nicht verwunderlich. Eine tolle Idee funktioniert eben. Überall. Eine neue Technik kann durchaus auch kreativ sein, weil sie bislang Ungesehenes möglich macht und dadurch verblüfft. Aber es stimmt: Oft genug ist ideenlose Technik tatsächlich eine Art Onanie; die wollen nur wenige sehen und noch weniger wollen sich per Mausklick beteiligen.
Ein ganz anderer Punkt ist außerdem der, dass digitale Werbung oft genug gar nicht kreativ sein muss, um zu funktionieren. Wenn man durch die Performancebrille von SEO, SEA etc. schaut, dann hängt die Wirkung noch mehr vom richtigen Targetting (also von der Platzierung in Raum, Zeit und Kontext des Users) ab, als von der Kreativität.
Bei der Auseinandersetzung mit Display-Ads würde ich soweit gehen, ganz grundsätzlich ihre Existenzberechtigung zu hinterfragen. Wie oben erwähnt: Der Fehler wurde irgendwann ganz am Anfang gemacht, als man sagte: "Eine Website ist eine Seite. Auf einer Seite ist Platz für Werbung. So sei es."
Mittlerweile wackeln aber on- und offline allerlei Geschäftsmodelle, die mit Displaywerbung zusammenhängen. Ich selbst habe einen Adblocker installiert und kriege jedesmal einen Schreck, wenn ich ihn ausschalte oder an einem Rechner ohne Adblocker sitze.
Wo geht die Reise hin? Display-Ads werden nicht verschwinden, aber sie gehören eben nicht überall hin. Andere Modelle werden entstehen.
Sehr lustig finde ich das, was bei Smartphones - sozusagen als Brücken-Geschäftsmodell - stattfindet:
Am intensivsten und intimsten findet der von dir erwähnte "Lean Forward"-Zustand bei der Nutzung mobiler Geräte statt. Das Smartphone ist ein sehr persönliches Tool, eine technische Erweiterung des Selbst. Sich mit seinem Smartphone zu beschäftigen, hat durchaus etwas Intimes. Smartphone-Screens sind außerdem klein. Trotzdem wird auch auf dem Smartphone von vielen Seiten allen Ernstes verdrängendes und unterbrechendes Display-Advertising als duftes Modell angesehen. Und tatsächlich! Display-Ads funktionieren auf Smartphones. Aber irgendwie ganz anders. Bei mobilen Endgeräten ist das Abschalten von Werbung zum Geschäftsmodell geworden. Zum Beispiel bei Apps. Viele gibt es als kostenlose Version mit Werbung und als bezahlte Version ohne Werbung.
Die vom Apphersteller erwünschte Werbewirkung ist die kurzfristige Co-Finanzierung seiner Arbeit durch Werbeeinnahmen, indem in der App Display-Ads platziert werden. Langfristig ist die erwünschte Werbewirkung aber die, dass die Werbung hoffentlich so sehr nervt, dass die Leute Geld für die werbefreie Premiumversion der App bezahlen. Der Werbeträger selbst wünscht sich also, dass Werbung versagt.
Gute Idee!
Hey Oliver, klar gibt es viel interessantere und interaktivere Werbeformen als Display im Internet gibt.
Doch es gab auch früher schon viel interessantere und passendere Werbeformen als die Anzeige.
Die Wahl der Werbemittel ist immer auch eine Frage des Budgets. Und des Willens zum Aufwand.
Deshalb wird es immer auch "passive" Werbung geben, die sich vom Rand (und aus unserem Unterbewusstsein) in den Kopf des Konsumenten drängen will.
Die Frage ist, kann man nicht auch das intelligenter und kreativer machen? Bisher haben sich Banner vornehmlich über ihre Klickerfolge definiert. Und da heulen jetzt ja viele rum, dass diese Erfolge nicht mehr eintreten.
Ich glaube nicht, dass Displaywerbung verschwinden wird. Und ich glaube, sie kann viel besser sein. Da kann sie von Anzeigen das eine oder andere lernen. Von guten Anzeigen, natürlich.
Wir sind einer Meinung: Ich glaube ja auch nicht, dass die Display-Ads verschwinden werden, sie haben eben nicht grundsätzlich überall etwas zu suchen - unabhängig von ihrer Qualität.
Wo du das Budget erwähnst - auch da gebe ich dir recht und möchte ergänzen: Die Qualität von Online-Werbung hängt leider auch immer noch von Budget und dem Willen zum Aufwand ab. Es kommt immer noch vor, dass für die Erstellung von Display-Ads im Rahmen einer großen Markenkampagne "vergessen" wird, Buyouts zu erwerben oder es ist kein Budget für ein eigenes Shooting vorhanden und überhaupt von vielen nach dem Motto "Fürs Internet ist billiger" verfahren. Das ist es, was ein Banner leider auch noch im Jahr 2014 von einer Anzeige lernen kann.
Disclaimer: Damit klammere ich bewusst die kreative Idee mal aus. Die braucht es natürlich mindestens. Budget hin oder her :)
Sehr interessante Gedanken, danke für die Darlegung.
Mfg
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