Das Handelsblatt hat wieder seine alljährliche Agentur-Images Untersuchung veröffentlicht. Das Ergebnis bestätigt mich in meiner großen Skepsis gegenüber Umfragen. Der Aufwand und die Macht von Marktforschung stehen in keinem Verhältnis zum Ergebnis und sind selten ein Abbild der Wirklichkeit, von dem man sich in seinen Entscheidungen leiten lassen sollte.
Laut der Handelsblatt-Studie, erhoben unter nicht mal 100 Leuten (also eigentlich albern, das als repräsentativ zu sehen geschweige denn es darunter zu veröffentlichen), ist das wichtigste Entscheidungskriterium bei der Agenturauswahl „Kreativität“ gefolgt von „strategischer Markenführung“.
Was für eine Antwort würdest du als Marketingmann an erster Stelle geben, wenn dich ein Institut fragt, auf was du bei Werbeagenturen Wert legst?
Kosten? Nein, du würdest nicht mit „Kosten“ antworten. Selbst wenn es stimmt. Aber deine Eitelkeit und dein Stolz würden dich davon abbringen.
Welcher normale Mensch auch würde sich schon vor anderen eingestehen, dass Kosten bei Agenturen an erster Stelle stehen. Das kommt ja einem Armutszeugnis gleich. Und ein bisschen belügt man sich gerne auch selbst.
So findet sich „Kreativität“ auf Platz eins wieder, obwohl wir Agenturchefs schon seit mehreren Jahren merken, dass Ideen immer häufiger eine ganz untergeordnete Rolle spielen. Wären sie auf Platz 1, würde man seine Agentur-Verträge nicht mit Einkaufsabteilungen abstimmen.
Und über „Mann-Tage“ verhandeln statt über „Ideen-Werte“.
Auch die Tatsache, dass Springer & Jacoby in der Handelsblatt-Image-Farce immer noch unter den kreativsten Agenturen geführt wird, zeigt, dass Marktforschung einfach zu wichtig genommen wird.
Was für Marketing-Entscheider wurden denn da befragt? Leute, die den – leider traurigen – Niedergang meiner Ex-Agentur nicht mitbekommen haben? Obwohl das seit zwei Jahren permanent in der Presse steht?
Liegt es am Jetlag von Informationen oder vielleicht an der Qualität der Befragten?
Da kommen wir nämlich zu einem ganz entscheidenden Punkt von Marktforschung: Wer macht eigentlich bei so etwas mit?
Mir fällt in diesem Zusammenhang nur der Ausspruch eines erfahrenen und langjährigen Managers im Getränke- und Foodbereich ein: „Von allen Produkt-Neueinführungen, die von der Marktforschung als attraktiv für Kunden befunden wurden, werden innerhalb des ersten Jahres 99% wieder vom Markt genommen“.
Siehe auch älteren Beitrag hier.
10 Kommentare:
weniger marktforschung. mehr gesunder menschenverstand. das wärs...
Nun, die 99% Flops (ich hatte mal von 89% gehört, aber das macht auch keinen Unterschied) sind für's Middle Management immer noch weniger riskant als ein Produkt ohne Marktforschung auf den Markt zu bringen. Flop mit Marktforschung: "Tja, da waren wir wohl zu optimistisch..." Flop ohne Marktforschung: "Sie sind gefeuert!"
1. Du hast recht!
2. Dazu hätte es noch nicht mal dieses besonders absurde Beispiel gebraucht. Seit es diese Untersuchung gibt, sorgt sie für Spaß, Ärger, Wundern etc. Nur ernst kann man sie eigentlich nicht nehmen.
3. Leider ist das Beispiel besonders geeignet, das zu illustrieren, was an Mafo nicht stimmt. Denn eine Untersuchung des Handelsblatts wird natürlich superernst genommen vom staunenden Kunden. Und der entscheidet sich dann auf Basis einer mehr als fragwürdigen Untersuchung für eine Agentur. Und genauso fallen oft Entscheidungen für und gegen Kampagnen, nur weil das renommierte Testinstitut xy das so meint....
4. Social Media wird auch die Mafo revolutionieren. Die Tage solchen Blödsinns sind gezählt!!!
@hubertus: Ich sehne 4. geradezu herbei! Gruss an den Rhein.
@hubertus: totally agree :)
@SZ, @hubertus: Word!
Zitat: Auf die ungestützte und bewusst allgemein formulierte Frage "Welche Agentur halten Sie für die beste in Deutschland?" nannten mit 37 Prozent die meisten Befragten Jung von Matt. Zitat Ende
Ob auch die Gegenfrage kam, welche weiteren Agenturen der Proband kennt?
Und ich dachte immer, "wir haben 100 Leute gefragt" ging mit dem Familienduell ins Nirwana. So kann man sich täuschen.
@Mathias: 89% oder 99% - ist leider nicht durch Mafo abgesichert.
wieso ne mafo mit 100 angeblich repräsentativen menschen?
einfach mal in einem social-network unterjubeln und man bekommt 100x mehr input als bei einer gewöhnlichen mafo.
das kann geld kann man sparen...
1.: Die 100 Befragten könnten durchaus repräsentativ sein (denn die Grundgesamtheit, auf die ich schließen will, ist ja nicht "alle Einwohner", sondern "ein paar Tausend Marketingdirektoren"). Sie sind es aber trotzdem nicht, weil nur ein kleiner Teil der Angefragten an so was teilnimmt (meist die, die zu viel Zeit haben, ein gesteigertes Mitteilungsbedürfnis oder einen Brass auf ihre Agentur).
2. Die, die teilnehmen, nehmen's nicht ernst. Anders kann ich mir das Abschneiden von S&J auch nicht erklären ("Den Namen hab' ich schon mal irgendwo gehört...")
3. Mica's Hinweis ist auch völlig korrekt: Die meisten Befragten haben ein relevant set von drei bis vier Agenturen (ungefähr so viel wie bei Automarken, die sie fahren würden). Die anderen Namen fallen Ihnen bei einer offenen Frage einfach nicht ein.
ich bin ein bisschen spät, aber dennoch:
- von welchen 100 marketingleuten redet ihr? laut dem verlinkten handelsblattartikel wurden 375 marketingleute gefragt. oder hab ich da was falsch gelesen?
- es waren 375 von aus den 3000 größten werbetreibenden unternehmen. also mehr als 10 %. repräsentativ?
- lustig sind die networkrankings basierend auf den letzten zahlen aus dem jahr 2002. zweitausendzwei! hier werden acht jahre äpfel mit neuen birnen verglichen (inhabergeführte agenturen z.b.) ich arbeite in einer WPP agentur = SOX. niemand dürfte unsere zahlen kennen. wieso dann diese rankings?
- vielleicht, weil dann werte wie dieser rauskommen: Grey ist auf platz 6 der beliebtesten agenturen.
aha.
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