Vor ziemlich genau neun Jahren saß ich in London mit meinem Partner Hermann und mit Tim Delaney an einem langen Konferenztisch. Wir haben uns darüber unterhalten, ob wir zusammen eine Agentur in Hamburg aufmachen sollten.
Tim fragte plötzlich, ob wir seinen neuen Spot für Barclay’s Bank sehen wollten – und natürlich waren wir neugierig.
Der Spot sah so aus:
TVC „Big“ mit Anthony Hopkins für Barclay’s Bank aus dem Jahr 2000, entwickelt von Leagas Delaney London.
Damals blieb uns die Spucke weg. Wir dachten beschämt an unsere eigenen Arbeiten, die wir in der Mappe hatten. Spots mit Cindy Crawford für die Bahn, mit dem Börsenguru André Kostolany für Audi, mit Jeff Bezos, dem Gründer von Amazon, für die Deutsche Post. Sowie weitere Spots mit dem ein oder anderen Semi-Promi (Pierre Brice für Valbrie – hüstel, hüstel).
Als uns Tim dann noch erzählte, dass Anthony Hopkins gerade mal 1 Stunde Zeit für den Dreh hatte und dass der Regisseur kein geringerer als Ridley Scott war, da wollten wir unsere Spots gar nicht mehr in die U-matic schieben (tja, damals lief so etwas noch manuell ab).
Bei der Barclay’s Kampagne war nicht nur die Strategie für eine Bank sehr mutig („Größe“), auch das prominente Testimonial war wirklich artgerecht dargestellt.
Artgerecht heisst, dass die Idee und die Dramaturgie des Spots seinen Charakter optimal zur Geltung gebracht haben und man verstanden hat, warum es genau dieser Typ sein musste. Und nicht irgendein anderer Typ, Hauptsache berühmt.
Sehr viele prominente Testimonials sieht man zwar in Filmen, aber sie wirken meistens wie abgefilmte Anzeigen. Die "Celebrities" halten ihr Gesicht in die Kamera, reden stocksteif etwas daher und die Marketingverantwortlichen wünschen sich sehnlichst, dass sich für das viele Geld ganz schnell die Aufmerksamkeit erhöht und zudem etwas Glanz vom Promi auf die Marke abstrahlt.
Werbung mit Prominenten gerät in Deutschland in den meisten Fällen zu peinlichen Spot-Dramaturgien.
Mein sowieso schon gespaltenes Verhältnis zu Damen wie Ferres oder Feldbusch wird durch die dümmlichen Spots nicht gerade inniger. Dabei hätten sie die Macht, bessere Skripts einzufordern.
Auch ist man bei einem Johannes B. Kerner, der sein Image als smarter Sonnyboy so leidenschaftlich pflegt, echt verwundert, wenn er sich für eine ganz platte Air Berlin-Nummer hergibt.
Franz Beckenbauer könnte seiner langsam nicht mehr zu ertragenden Allgegenwart im deutschen Fernsehen einen erfrischenden Schub geben, wenn er endlich mal so in einem Spot auftritt, dass sich die Leute die Augen reiben. Jo is denn dös der Franz? Odr is scho wida Weihnacht'n?
Franz Beckenbauer ist ja selbst schon eine Marke – ich finde, die könnte einen echten Relaunch vertragen. Vielleicht auf Kosten der Telekom? Oder Erdinger? Oder der Postbank? Oder O2? Oder Audi?
Natürlich winkt den meisten Promis viel Geld und deshalb schließen sie einfach die Augen und den Verstand, wenn sie das Skript sehen, sonst würden sich unsere Damen und Herren aus der Promi-Liga nicht zu den wenig geistreichen Auftritten à la Feldbusch oder Ferres hingeben.
Der folgende Spot hat das Promi-Dilemma zwischen gutem Geld und schlechtem Skript sogar als Story aufgegriffen:
TVC „Vroom Vroom Party Starter“ mit Late Night Talker Conan O’Brien für Budweiser – geschaltet während dem Superbowl.
Der Verbraucher versteht sehr wohl, ob eine Marke sich im Glanze der Berühmtheit sonnen will oder es versteht, die Persönlichkeit des Promis zu nutzen und eine starke Story und eine glaubwürdige Verbindung zur Marke herzustellen.
Eine gelungene deutsche Lösung war der Paulaner-Spot mit Oliver Kahn, kurz nachdem der vom damaligen Nationaltrainer Klinsmann auf die WM-Ersatzbank befördert wurde.
TVC „Bank“ für Paulaner von kempertrautmann.
Ich bin wirklich schon sehr gespannt, wie die Agentur Serviceplan und mein geschätzter Kollege Alexander Schill die Testimonial-Kombi Rudi Assauer und Bruce Willis für Veltins unter einen Hut bringt. Demnächst in diesem Theater?
Zum Schluss ein ganz neues Beispiel aus der Champions League der Promi-Werbung (von wem wohl?):
TVC „Huluwood“ für hulu.tv von Crispin, Porter + Bogusky, Miami.
11 Kommentare:
Haha, "Es-a gibt vielö Bries..." Ein Klassiker, schön zu lesen, dass Du Dich ein klein bisschen schämst :-)
Als wir von einem Neukunden für einen TV-Spot mit Rudi Völler gebrieft wurden, waren wir (nach kurzem Entsetzen) schnell dabei, dem Mann eine wirklich passende Geschichte zu verpassen. Den nötigen Humor hätte er, soviel kam Im Vorgespräch raus.
Leider hatte der Kunde einen Vertrag mit Bayer Leverkusen, nicht mit Rudi in Person. Hätte er also z.B. in den nächsten paar Wochen den Verein gewechselt, wäre das schöne Testimonial futsch gewesen. Das Briefing wurde also geändert, um fein sicher zu gehen: Macht einen Spot mit Rudi Völler, aber so, dass es notfalls auch ohne ihn geht.
Tja. Das Prädikat Austauschbar stand damit von vornherein fest.
nice, der hulu spot ist der hammer, die strategie und kreative idee wie gewohnt eins a von crispin.
zum thema fallen mir auch die orange spots von mother für orange ein, für deren cinema promotion:
http://www.youtube.com/watch?v=HNUrkG-H6z0
http://www.youtube.com/watch?v=XM38fEqa7a0
http://www.youtube.com/watch?v=qYcXHp5MtpM
Ich hab leicht schämen für "Es gibt viele Bries, aber nur einen Valbrie" denn damit hatte ich nix zu tun, das war mein Partner, der ein oder zwei Filme mit Winnetou machen musste.
Aber den Satz und die Konzeptidee "Pierre Brice" hat auch er nicht erfunden. Wenn ihr wüsstet, wer das war, würdet ihr vom kreative Glauben fallen.
Die Putze?
Ne, berühmter. Aber mehr wird nicht verraten.
Dann kann's ja nur Jean-Remy gewesen sein.
Ich sag nur: der braune Bob.
Vorne wie von hinten? 797
Mein perönliches "Highlight":
Mario Gomez, der Riester Meister
http://www.youtube.com/watch?v=04hkPduBIsI
tui / jogi - i.o.
Der Barylay's-Spot von Tim Delaney ist wirklich großartig. Mit dem Hulu-Dings kann ich mich nicht so recht anfreunden. Einfach nur durchgeknallt. Da ist der Barclay's Spot schon ein ganz anderes Kaliber.
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