Sonntag, 28. März 2010

Irgendwie ist das Internet so unrein.

Dieser Satz ist ein original Zitat eines Kunden. Ausgesprochen diese Woche. Im Rahmen einer Diskussion, ob man einen nicht unbeträchtliches Budget in einen TV-Flight investieren soll. Oder ob man lieber mit einem Zehntel des Budgets eine virale Kampagne inklusive Seeding im Web fährt.

Natürlich plädieren wir – Zielsetzung und finanzielle Planung des Kunden im Auge – für die virale Kampagne.

Doch der Kunde hat, neben einigen sehr klaren B-to-B-Argumenten (seine Entscheider sind von einer TV-Kampagne mehr beeindruckt als von einer noch so gigantischen viralen Aktion) auch diese subjektive Aussage getroffen.

Und die hat mich länger beschäftigt.

Seine Wahrnehmung vom Internet – und er ist beileibe kein Abstinenzler oder Zukunftsverweigerer, eher das Gegenteil davon – ist, dass da inzwischen vor lauter Informastionsoptionen (Ideenlinks, Informationen, Virals, PopUps, PopUnders, Banners usw.) eine totale Unübersichtlichkeit entstanden ist, die es einem Werbungtreibenden schwer macht, wirklich zu durchdringen.

Nun würden die Jungs von der Seeding-Front sicher starke Argumente dagegegen halten können und auch von der Reichweite und der Kontaktchance sicher überzeugende Zahlen präsentieren.

Aber eines geht mir ja selbst genau so:

Internet-Information überfordert einen zunehmend. Und was einen überfordert, macht einen apathisch.

In dem Moment, in dem man sich bei Twitter oder Facebook einklinkt und all die vielen Links zu guten Ideen, interessanten Charts, verrückten Spots oder schrägen Fotos erblickt, weiss man genau, dass das eigentlich schon von gestern ist.

Man zieht sich hastig das eine oder andere Video rein und je nach Machart beschäftigt es einen. Doch man verkneift sich schon, es weiter zu posten, denn die Chance, damit einen alten Hut zu glorifizieren, wächst mit jeder Sekunde.

All die fleißigen Twitter- und FB-Poster, die uns mit dem Neuesten vom Neuen überfluten und sich so als interessante Quelle positionieren wollen, machen eine langsam schon agressiv.

Ich will es langsam gar nicht mehr wissen und schiele vermehrt nach dem „verbergen“ oder „unfollow“ button.

Der Kunde fügte übrigens an, dass das Fernsehen inzwischen geradezu pur und entspannt sei. Man setzt sich vor die Glotze und ja, da kommt dann ein Spot. Und wenn der gut ist, hat man die Zeit und die Muse, ihn anzugucken und sieht sich nicht gezwungen, hektisch zur nächsten News zu klicken.

Ja. Ja. Ja.

Es gibt da ganz viele Möglichkeiten, wie man "sein" Internet aufräumt. Jeder kann sich ja die Freunde und Follower zusammen stellen, die er für sehenswert hält.

Trotzdem, ein Fünkchen Wahrheit ist dran an dem Satz: Internet ist irgendwie unrein.

Der folgende (großartige und gut gedachte) Spot im TV-Block wäre mir sicher aufgefallen.

Im Netz?



Spot „Bank Job“ für "Transport for London". Von WCRS London.

Montag, 22. März 2010

Werbung bleibt.

Klassische Werbeagenturen sind ein Auslaufmodell. Mit dieser Mutmaßung werden wir nun schon seit einigen Jahren konfrontiert. Durch den kontinuierlichen Einzug der sozialen Netzwerke in unser Leben bekommt dieses Feuer immer neue Nahrung.

Um zu überleben, müssten Werbeagenturen auf kreative Unternehmensberatungen umschulen. So eine der polarisierendsten Thesen. Formuliert von seiner Twitter-Allgegenwärtigkeit Amir Kassaei.

Ich sehe das anders. Und ich will auch kein Unternehmensberater werden (schon allein, weil ich mit Krawatten auf Kriegsfuß stehe).


Werbeagenturen werden sich auch in Zukunft um das kümmern, was es mit Sicherheit immer geben wird: Kommunikation.


Die Kanäle, die Inhalte und die Gesetze des Marketings mögen sich dramatisch ändern, aber Kommunikation bleibt.

Und somit auch „Werbung“.


Unternehmen, Marken oder Produkte werden immer um Kunden „werben“. Nur weil der Begriff eher negativ und vielleicht zu eindimensional (klassische Werbung) belegt ist, bedeutet das nicht, das es Werbung bald nicht mehr geben wird.


Im Gegenteil, Werbung (oder wie man das in Zukunft nennen mag) wird eine immer wichtigere Rolle für Unternehmen spielen.


Das Spielfeld wird sich nur verlagern.


Der momentan größte Werbe-Popstar unserer Zeit, Alex Bogusky, hat das in einem Interview mit brand eins wieder mal medienwirksam auf den Punkt gebracht.
Und gleich ein ganzes Buch darüber geschrieben.

Kurzer Exkurs 1: Verrückterweise wurde ich auf den Artikel durch unsere Facebook Fanpage aufmerksam (die anders lautenden Gerüchten nicht von mir betrieben wird).

Kurzer Exkurs 2: Irgendwie scheint das ein Traum vieler Texter zu sein, mal ein Buch zu schreiben (übrigens auch meiner). Verwunderlich, das gerade im Zeitalter der digitalen Kommunikationsrevolution das gute alte Buch so begehrt ist. Man mag als Mensch eben „bleiben“. Das traut man einem Buch wohl eher zu als einem Blog. Vielleicht fasse ich irgendwann das Beste aus diesem Blog als Buch zusammen (Verlage, die Interesse haben?).

Doch zurück zur Zukunft der Werbeagentur.

Die liegt meiner Überzeugung nach darin, unser kreatives Kommunikationstalent viel weiter „vorne“ im Marketingprozess mit einbringen zu können als nur an seinem Ende, nämlich in der „klassischen“ Werbung (und damit meine ich online wie offline).


Es ist eine Binse, dass starke Kommunikation schon bei der Beschaffenheit des Produktes anfängt.
 

Zum Beispiel beim Namen und bei der Verpackung. Und/oder bei der Art und Weise, wie es vertrieben wird.


Ich habe hier schon häufiger unser Projekt followfish zitiert, bei dem wir erst eine Markenstory entwickelt haben (inklusive Namen und Verpackung), bevor wir überhaupt an „klassische Werbung“ gedacht haben.


Und es gibt weitere Projekte dieser Art, an denen wir momentan arbeiten.

Die Arbeit und die Erfahrungen in diesen frühen Produktentwicklungsstadien zeigt mir deutlich, wie viel kommunikative Probleme (und damit Geld) sich ein Unternehmen sparen kann, wenn es frühzeitig Kreative ins Boot holt, die etwas von Kommunikation und Kampagnen verstehen.


Ein eigenwilliger Name mag gut sein, er kann aber auch viel Geld kosten, weil er schwer zu kommunizieren ist (gerade wieder erfahren).


Namen und Produkte zu erfinden ist oft eine Frage von Eitelkeit.
Wer will nicht einen Namen erfunden haben? Ich gebe nur zu bedenken, dass es schlauer sein kann, sich vorher mit Leuten zusammen zu setzen sollte, die wissen, was so ein Name in der "werblichen" Vermarktung später für Vor- und Nachteile besitzt.

Es ist meine absolute Überzeugung, dass gute „Werber“ hier eine Menge Know How zu bieten haben und den Kunden viel Geld sparen helfen können, wenn man zusammen konsequent und kreativ die Kommunikationspotentiale bei der Produktentwicklung mit einbezieht.


Da liegt die Zukunft und die Chancen unseres Jobs. Und darauf kann man sich nur freuen.

Mittwoch, 10. März 2010

www gnadenlos.

Viele Kunden reagieren immer noch verhalten auf Social Media Konzepte oder Kampagnen, die Social Media als einen Schwerpunkt in ihrer Kommunikation behandeln (z.B. offline Werbemittel, die auf online Aktionen verweisen, welche dann auch über SM verbreitet werden).

Einer der Gründe für die emotional angezogene Handbreme ist Kontrollverlust.

Es ist richtig, dass man bei Kampagnen über die digitalen Netzwerke nicht kontrollieren kann, wie die Reaktionen ausfallen. Böse Briefe kann man unter Ausschluss der Öffentlichkeit beantworten. Böse Kommentare nicht.

Es wird eine der wachsenden Herausforderungen von Marken sein, sich eine Haltung zu erarbeiten, wie man mit harscher Kritik und negativen Kommentaren umgeht. Denn sie gehören zum Netz wie der Cursor auf dem Bildschirm.

Es gibt fast keine digitale Kampagne, an der nicht auch jemand rummäkelt, selbst wenn sie von allen hochgelobt wird. Es würde einen als Konzeptioner sogar skeptisch machen, wenn eine brillante Idee nicht auch negative oder dämliche Kommentare erzeugt.

Eine Marke kann heutzutage negative oder ironische Reaktionen im Netz nicht mehr verhindern – ganz gleich was sie tut.

Das Beispiel des festklemmenden Gaspedals eines Autoherstellers zeigt, dass sich die Botschaft im Netz ihre eigene Umsetzung sucht.

Das Web ist da gnadenlos. Und deshalb für seine User auch so spannend.

Samstag, 6. März 2010

Andere Seiten aufziehen.

Der bevölkerungsreichste Staat der Welt ist China. Dann kommt Indien, gefolgt von USA. Und dann steht schon Facebook auf Platz vier. Mit rund 300 Millionen Nutzer, davon knapp 6 Millionen in Deutschland.

Daher wundert es nicht, wenn sich mehr und mehr Unternehmen Gedanken machen, wie sie sich auf Facebook präsentieren. Auch YouTube ist ein sehr bevölkerungsreicher Ort im Web. Rund 70 Millionen Videos werden dort täglich angesehen.

Natürlich wird man in seinen Gestaltungsphantasien durch das Layout und die Vorgaben der Seiten-Gastgeber beschränkt, aber diese Parasiten-Seiten in den Netzwerken sind ein relativ unaufwendiges Instrument, um sich einem großem Publikum zu präsentieren.

Wirklich groß ist es allerdings nur dann, wenn die Seite eine sehr starke Idee oder einen sehr starken Inhalt hat. Und wenn das Netzwerk ihrer Macher möglichst verbreitungsstark ist – sonst bekommt es keiner mit. Passende Seedingkonzepte sind natürlich auch ein guter Weg.

Es ist momentan sogar in Mode, für alles und jeden eine FB-Gruppe oder Seite zu installieren, sei es die Gruppe „Leute, die ihren Nachnamen immer buchstabieren müssen“, „Anonyme Softrockliebhaber“ oder „Liebes Fernsehen, ich will zahlen“.

Die meisten Unternehmen enden auf Facebook jedoch eher mit einer relativ schlichten Präsentation ihrer Produkte. Nur wenigen entwickeln eine sehr individuelle Idee. Andere wiederum nutzen eine FB-Seite für eine Promotion oder besondere Werbeaktion.

Leagas Delaney Hamburg ist seit Freitag mit einer Fanpage präsent. Unsere Seite ist ebenfalls relativ pur gehalten, wird von unseren Mitarbeitern verwaltet und präsentiert unsere liebsten Arbeiten – sowie die Verlinkuneng zu unseren TV-Kanälen auf YouTube und Vimeo.

Zu unserem 10jährigen Jubiläum Ende April wird es dann etwas mehr Promotion geben.

Aber genug der Eigenwerbung.

Festzuhalten bleibt, dass eine stinknormale Website im Internet heute jedenfalls nicht mehr zu reichen scheint, wenn man "uptodate" sein will.



Donnerstag, 4. März 2010

Reden. Vor vielen.

In den letzten 14 Tagen durfte ich bei drei verschiedenen "Business-Veranstaltungen" in kurzer Zeit wieder mal so genannten Key Note Speakern lauschen. Unter ihnen sogar unsere Bundeskanzlerin.

Dabei fiel mir auf, dass eine "Rede halten" sehr viel mehr mit Werbung zu tun hat, als sich so mancher eingestehen mag.

Es fängt schon an, dass man mit einer guten Rede Werbung für sich selbst macht. Und mit einer schlechten das Gegenteil bewirkt. Gerade wenn man prominent ist, kann eine schlechte Rede den eigenen Mythos zerstören, weil die hohen Erwartungen des Publikums nicht erfüllt werden.

Eine weitere Gemeinsamkeit mit Werbung ist, dass sich der Redner zwingend damit befassen sollte, an wen sich seine Rede richtet (Zielgruppe). Und in welchem Rahmen (Umfeld/Thema) sie stattfindet.

Klingt selbstverständlich. Ist es aber nicht.

Vor zwei Tagen hörte ich der Grundsatzrede eines sehr profilierten Theater- und Opern-Intendanten zu, der zu Werbe- und Medienleuten in einem festlichen Rahmen sprach.

Seine langatmige Nuschelrede hatte leider nicht die Bohne mit der Veranstaltung zu tun. Ausser vielleicht der Stadt, in der sie stattfand.

Er hatte sich fühlbar keine Mühe gegeben, seine Standardrede mit einem Kontext zu versehen, der das Publikum und das Thema der Veranstaltung einfangen konnte (gerade von einem Intendanten sollte man das aber erwarten können).

Das zumindest hatte die Bundeskanzlerin ein paar Tage zuvor wesentlich professioneller gelöst.

Ich möchte unterstreichen, dass ich absolut kein guter Redner bin. Aber ich bin nun mal bei vielen Reden anwesend. Ich habe hohen Respekt vor guten Rednern und muss immer wieder erstaunt feststellen, wie schlecht vorbereitet und laberig die meisten rüberkommen. Denn was ich hier verkünde, ist ja keine neue Wissenschaft.

Ich gewinne immer wieder den Eindruck, dass die Mehrzahl der Redner möglichst viele Botschaften in möglichst intelligent klingenden Worten vermitteln wollen.

Doch bei einer Rede ist es ähnlich wie bei einem TV-Spot. Wenn der Redner es nach 5 Minuten nicht geschafft hat, seine Zuhörer in den Bann zu ziehen, dann verwandeln die sich ganz schnell zum Minutenzähler.

Einzig der prüfende Blick auf die schwindende Zahl der Manuskriptblätter bringt einen in solchen Situationen noch dazu, ans Rednerpult zu blicken.

Wie in der Werbung darf eine gute Rede ruhig eine Idee haben - oder zumindest einen roten Faden. Und sie sollte eher kürzer als länger sein, denn lieber die Leute kurz und knackig überzeugen als ausgedehnt langweilen.

Lieber einige drängende Fragen offen lassen als viele irrelevante Fragen beantworten.

Es ist durchaus mutig, kurze Reden zu halten, weil von einem Key Note Speaker immer eine lange Rede erwartet wird. Aber wer von uns kann schon länger als 20 Minuten konzentriert lauschen? Vor allem dann, wenn die Rede ganz weit weg von Brillanz ist?

Bei einer Rede kommt es logischerweise auch auf die Fähigkeit des Sprechers an, Blickkontakt zu halten, deutlich zu sprechen und so wenig wie möglich abzulesen.

Es scheint eine besondere Gabe von Amerikanern zu sein, ohne Manuskript und im verbindlichen Plauderton ihr Anliegen vorzutragen. Würde mich nicht wundern, wenn sie auch den Teleprompter erfunden haben.

Wer diese Freie-Rede-Fähigkeit besitzt, ist ganz weit vorne.

Es ist eine echte Kunst, gute Reden zu halten. So wie es eine echte Kunst ist, gute Werbung zu machen.

Steve Jobs, ein anerkannt guter Redner und Präsentator (sehr empfehlenswert: The Presentation Secrets of Steve Jobs von Carmine Gallo) entwickelt für jede Rede eine "Geschichte" (create a story).

Nichts anderes tut ein Kreativer, wenn er eine gute Kampagne entwickelt.

Dienstag, 2. März 2010

Kein Produkt.

Wenn irgendwann eine Liste erstellt werden sollte, auf der die zehn wichtigsten Kämpfe von Kreativen seit Erfindung der Werbung aufgeführt sind, dann steht auf Platz 1: die Größe des Logos.  Und auf Platz 2: die Erscheinung/Abbildung des Produktes.

Werben ohne das Produkt zu zeigen. Ist das nicht unverantwortlich?

Grundsätzlich nein, schließlich gibt viele Produkte, die man schwerlich zeigen kann (zum Beispiel einen Telefontarif oder eine Versicherung).

Bei einem Auto ist das schon etwas anderes. Besonders bei einem ganz neuen Auto. Die Menschen müssen schließlich sehen können, wie das neue Modell aussieht.

Da schließt sich gleich der nächste Kreativenkampf an: Wie lange zeige ich das Produkt? Durch den ganzen Spot? Oder nur am Ende?

Um es kurz zu machen, es gibt kein Patentrezept.

Es kommt immer auf das Ziel an, welches mit einer Kampagne erreicht werden soll. Und auf die Machart der Werbung.

Ich vertrete dennoch die Auffassung, dass Spots, die kein Produkt zeigen (oder nur reduziert), viel mehr Wirkung erzeugen können als Spots, die genau das Gegenteil tun.

Nur weil die Betrachter das Produkt groß und schön ausgeleuchtet sehen, heisst das nicht automatisch, dass sie sich dafür auch interessieren.

Präsentiert man ihnen aber eine spannende Geschichte, eine faszinierende Machart, oder eine nie da gewesene Sichtweise, kann sie das sehr viel mehr motivieren als ein beispielsweise Auto, dass 30 Sekunden durch eine schöne Landschaft fährt.

Natürlich ist der gedankliche Spielraum für Kreative sehr viel größer, eine ungewöhnliche Geschichte zu erzählen, wenn man das Produkt nicht von Anfang an zeigen muss.

So wie in dem folgenden Spot.

Andererseits finde ich die refelxartige Abwehr von vielen Kreativen beschränkt, die da meinen, wenn man das Produkt ausführlich zeigen muss, kann man keine ungewöhnliche Werbung machen.



Skoda Kino "Glasmusik" from Leagas Delaney Hamburg GmbH on Vimeo.