Donnerstag, 22. Januar 2009

Applaus für Kevin Roberts.

Saatchi & Saatchi Worldwide, CEO – für alle, die in ihrem Gehirn kramen, wer Kevin Roberts ist.

Gestern war ich auf einer Veranstaltung der Fachzeitschrift Horizont im Frankfurter Schauspielhaus, die alljährlich ihre drei Awards an den Kunden (oder die Kundin), an den Agenturmann (oder die Agenturfrau) und an den Mediamann (oder die Mediafrau) vergibt.

Wen es interessiert, wer alles da war und wer welchen Titel bekommen hat (hier).

Die Veranstaltung ist immer ein etwas langatmiger Redemarathon von Eröffnungs- und Keynote-Speaker, gefolgt von etwas langatmigen Laudatoren, gefolgt von den Dankesreden der Gewinner, die sich auch nicht gerade kurz gefasst haben. Nicht zu vergessen die Laudatio auf die beiden Förderpreis-Gewinner, gehalten vom Kreativ-Grandseigneur Michael Conrad (war wie immer gut, der kann das in seiner natürlichen Art).

Aber sonst: Fachleute erzählen dem Fachpublikum wie sie über unser Fach denken. Das reißt einen nicht gerade vom Sitz.

Gestern war es auch noch so, dass sich der Verlag – im Angesicht der Finanzkrise – als Start-Keynote einen Bankmanager ausgesucht hatte, der uns erklären sollte, warum das alles gekommen ist. Und wie die Aussichten sind (zu zweiterem sah er sich kaum in der Lage).

Dr. Alexander Dibelius, Chef von Goldman Sachs in Frankfurt.

Dieser Bankmanager sah tatsächlich so aus, wie man einen Bankmanager für einen Werbespot casten würde.

Aus seinen versprochenen 15 Minuten wurden 40 Minuten und je länger er seine Gedanken vortrug, desto komplizierter wurde das Thema, so dass man irgendwann ausstieg. Statt etwas Erhellung gab es Verwirrung. Wenn ich über seine Rede nachdenke, so konnte ich mir eigentlich nur einen Satz merken – und der allein hätte eigentlich zur Erklärung der Finanzkrise schon gereicht.

Der Satz geht in etwas so:

Wenn man die überbewerteten amerikanischen Subprime-Immobilien mit Hundescheiße gleichsetzt, dann haben findige amerikanische Fondsmanager irgendwann aus vielen verschieden Haufen Hundescheiße einfach einen einzigen großen Haufen in einem neuen Fond gemacht. Und dann an Banken und Anleger auf der ganzen Welt verkauft.

Nur haben dabei alle übersehen, dass es eigentlich immer noch Hundescheiße war.



Kevin Roberts, CEO Saatchi & Saatchi worldwide.


Doch zum eigentlichen Helden des Abends.

Stellt euch also vor, ihr sitzt in einem etwas überhitzen, knüppelvollen Saal, habt schon 1,5 Stunden trockenen Redestaub geschluckt und die eigentliche Veranstaltung, die Award-Verleihung, hat noch überhaupt nicht angefangen. Man versucht, sich durch die eintönige Sprache, die von der Bühne herüber weht, wenigstens etwas in einen tieferen Schlaf wiegen zu lassen, so dass es schneller vorbei geht.

Plötzlich springt wie aus dem Nichts ein zweiter Keynote-Speaker auf die Bühne. Kahlköpfig, fast untersetzt, leicht übergewichtig, mit ausgelatschten Schuhen, ausgebeulter Hose, zerknautschtem Shirt und labberigem Sakko.

Er erklärt – ohne fein säuberlich getipptes Redemanuskript, ohne hinter dem Pult zu stehen und ohne irgendeine Nervosität zu zeigen – was man von der Finanzkrise zu halten hat und dass die Menschen, die die Welt erklären und retten können, eben nicht Banker, Politiker oder Controler sind, sondern einzig und allein diese Leute:

Leute mit Ideen.

Das erzählt der Typ so launig, authentisch und angriffslustig (schade, dass der Bank-Doktor schon weg war), dass man hinter jedem Kapitel einfach nur laut ja schreien konnte, bevor man lachen musste. Er sei ein Mann der Strasse und er versucht, die Wünsche der Leute von der Strasse zu erkennen.

Insight und foresight. Das sind die Ingredienzen, auf die Kevin, der in New York lebende Neuseeländer, setzt.

Wenn einer den Preis senkt, senken alle den Preis. Das ist keine Kunst. Aber einen Insight zu finden und den Leuten etwas mit zu dem Produkt dazu zu geben, damit sie sich besser, schöner, glücklicher, zufriedener, geliebter oder sonst was fühlen lässt, das ist eine Kunst.

Mit "foresight" meint er, dass man früher als andere erkennt, was diese Leute in naher Zukunft für Bedürfnisse hegen und wie man das in Kommunikation einbauen kann.

Klar, auch das sind Binsenweisheiten, die euch allen hier vermutlich nicht die Salami vom Brot zieht.

Aber die Krise ist unsere Chance und wenn sie sich wirklich zu einer sehr ernsthaften und langatmigen (oh je, die auch noch) Geschichte entwickeln sollte, gerade dann werden nur die Leute den Kopf über dem Wasser haben, die innovativ denken, die Ideen haben und den Mut, diese Ideen zu realisieren.

Vielleicht fördert die Krise und ihre eventuell noch vor uns liegenden Paniksituationen ja genau diesen Mut. Wer mit dem Rücken zur Wand steht, der ist zu größeren Taten bereit als der Mann im bequemen Lederfauteuil seines immer noch ganz gut dahin vegetierenden Unternehmens.

Kevin Roberts hat an uns appelliert, die Kreativen zu inspirieren und zu fördern. Ich nehme es mir zu Herzen.

Es war eine Wohltat zu sehen, wie da ein amerikanisch-neuseeländischer Kreativer sehr leidenschaftlich und sehr authentisch dem steifen Laden „Deutsche Kommunikationswirtschaft“ den Spiegel vorgehalten hat.

Es war für mich fast schon beängstigend, mit welcher Lockerheit und Leichtigkeit er das dargestellt hat. Sicher, der hält diese Rede schon ein paar Jahre und sicher, der amerikanische Kunde steht mehr auf Show als der deutsche.

Aber wie immer man auch über Ideen, Präsentationstechniken und Reden denkt: etwas mehr Ungezwungenheit täte uns allen gut.

Besonders mir.

Tipp 94: Je freier man etwas vorträgt, desto glaubwürdiger wirkt es.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Naja, für uns Junioren/Praktikanten ist das fortschrittliche Denken nicht das Problem, sondern die Leute, die über uns sitzen.

Deswegen find ich auch so geil, dass z.B. der Tony Granger von Saatchi NY, der jetzt bei Y&R ist, immer wieder neue Teams auf unterschiedliche Kunden zusammen stellt.

Es gibt dort eine Pinnwand mit Polaroids auf der man sieht mit wem und auf welchen Kunden man arbeitet.

So arbeitet nie ein Team immer auf denselben Kunden.

Er macht auch keine Unterschiede zwischen Senioren und Junioren. Talent und Ideen sind alles.

So kommt es, dass man mal drei Wochen mit 2 Senioren zusammen arbeitet, oder ein Senior mit 3 Junioren.

Find ich top!

Immer wieder neu an die Sache rangehen und alles hinterfragen und irgendwo versteckt sich schon die Story. . .

Anonym hat gesagt…

http://www.horizont.net/veranstaltungen/horizontaward/pages/video.php?id=7