Donnerstag, 30. April 2009

Die Leichtigkeit des kreativ seins. Teil 2.

Verlassen wir doch die selbstzerstörerischen Kräfte von Fakes und Goldideen. Wenden wir uns stattdessen der reinen Kraft von lustvoller Kreativität zu, die es in wenigen Monaten geschafft hat, mit einem Spot für weltweiten Gesprächsstoff zu sorgen.

Und jetzt noch einen drauf legt.

Ich wünsche allen einen schönen Tag der Arbeit. Ohne Arbeit.

Uns wünsche ich eine genauso lustvolle 9-Jahres-Feier.


TVC „Walking Fridge“ für Heineken. Von TBWA/Neboko, Amsterdam.

Dienstag, 28. April 2009

Lieber Jean-Remy,

mit großem Erstaunen habe ich deinen Artikel über den desolaten Zustand der deutschen Werbe-Kreativität im neuesten Spiegel gelesen (Ausgabe Nr. 18, Seite 102). Und natürlich auch das dazugehörige Interview auf Spiegel online (hier).

Ich finde deinen Offline-Artikel brilliant geschrieben, inhaltlich habe ich allerdings ein paar Bauchschmerzen bekommen, weshalb ich dir kurz an meiner Klowand hier antworten möchte (Blogs = Klowände des Internets – ist inzwischen doch einer deiner berühmtesten Texte, oder?).

Ich teile deine Meinung in vollem Umfang, dass beim ADC aufgrund der anhaltenden Vorsichtigkeit der Kunden nur noch – ich zitiere – „Ideen ausgezeichnet werden, die vor allem für Festivals entwickelt wurden und mit erlebbarem Alltag so wenig zu tun haben wie eine Haute-Couture-Show“.

Doch mein Würgreflex setzt bei diesem Absatz ein: „Es ist der Selbstbetrug einer Branche, die sich für etwas feiert, das eigentlich gar nicht existiert, und dabei so etwas wie Phantomfreude empfindet. Schade um die verschwendete schöpferische Energie, von der die Krise profitieren könnte. Doch hat sie nicht selbst Schuld? Hat nicht sie erst der Industrie den Mut geraubt und die Kreativität ins Armenhaus geschickt?“

Es mutet schon seltsam an, wenn einer der Begründer der Fake-Bewegung und Inhaber des größten deutschen Fake-Kraftwerkes in Deutschland die Fake-Herstellung derart an den Pranger stellt.

Ich kann mich noch genau an die Zeit erinnern, als wir bei Jung von Matt plötzlich den „Kunden“ Noah auf der Liste hatten, Noah für Tiere.

Eine Frau Kunze (oder Kuntze?) hatte ein soziales Anliegen, aber kein Geld. Doch wir hatten die Ideen, um ihr Anliegen bekannt zu machen. So wurden Jahr um Jahr Medaillen für die gute Sache produziert und der Vorsprung im Medaillen-Ranking ausgebaut.

So lange, bis sich die Konkurrenz (allen voran der liebe Sebastian) gefragt hat, ob es nicht noch andere Archen als die von Noah gibt, mit denen sie ebenfalls so viele Medaillen für Einmalmeister einfahren kann.

Die Werbe-Fäkalien nahmen in Deutschland ihren Lauf und wir alle haben davon profitiert.

Dein Ideen-Kraftwerk ist seit vielen Jahre bekannt dafür, neben der immer wieder wirklich herausragenden Alltagsarbeit auch eine Festivalidee nach der anderen in "search of excellence"zu produzieren.

Auch dieses Jahr wurde der ADC wieder förmlich überschwemmt damit, ich selbst konnte mich in meiner Jury von der perfekten Geöltheit deiner Maschine überzeugen. Der Erfolg gibt dir recht, denn Jahr um Jahr steht JvM weiterhin an erster Stelle des Medaillen-Rankings.

Dazu kann man nur gratulieren.

Doch ich kann mir vorstellen, dass es für den einen oder anderen deiner Mitarbeiter, die in deiner Medaillenschmiede viele Wochenenden, Überstunden und die ein oder andere Beziehung platt geklopft haben, wie Hohn erscheinen mag, wenn der Chef im Spiegel verkündet: das ist doch verschwendete schöpferische Energie und noch dazu alles Selbstbetrug.

Ich persönlich finde die Diskussion, die du anregst, ziemlich auf den Punkt, mich stört nur, dass du dich als Moralapostel hinstellst.

Da du Analogien so gerne magst: Es ist, als ob der Ehemann, der laufend seine Frau betrügt, den besten Freunden vorhält, dass sich so etwas nicht gehört und im übrigen auch nichts bringt.

Ich bin ganz sicher, dass du für Briefe wie diesen längst schon eine eloquente Antwort ausgearbeitet hast.

Doch egal, wie die Antwort ausfällt, etwas mehr Selbstkritik hätte dem Artikel gut getan.

Beste Grüße


Stefan


PS: Ich habe mich gefragt, ob deine Argumentation mit den Virals wirklich so schlüssig ist. Es stimmt, dass einige Kunden Virals glorifizieren, obwohl die meisten Virals nicht mehr als 5000 Betrachter haben. Doch Kunden glorifizieren auch Funkspots, TV-Spots oder Anzeigen. Wenn diese so schlecht sind wie besagte Virals, dann haben sie weit mehr als 5000 Zuhörer/Betrachter und können damit auch weit mehr Schaden für die Marke anrichten.

Montag, 27. April 2009

Eine eigene Klasse: Filme zur Idee.

Es ist eine Binsenweisheit, dass die Idee allein nichts taugt, wenn man sie schlecht verkauft. Bei vielen Wettbewerben, national wie international, kommt dem Erklärungsfilm daher eine wichtige Bedeutung zu.

Besonders bei komplexen Kampagnen oder Werbeformaten, z.B. Verkaufsförderung, Media, ganzheitliche Kommunikation, etc.

Man hat in der Kategorie „digitalen Medien“ 90 Sekunden Zeit (bei „integrierten Kampagnen“ sogar 270 Sekunden), die Idee zu erklären und ihre Stärken zu präsentieren.

Wer es aber nach spätestens 40 Sekunden nicht schafft, den Juror in seinen Bann zu ziehen, hat verloren.

Stellt euch einfach vor, ihr sitzt vor einem Berg von 300 x 90 Sekunden, die ihr ansehen sollt, um eine Pre-Shortlist zu erstellen (so erging es mir in Vorbereitung meiner ADC Juryarbeit für digitale Medien).

Wenn ein Einsender da nicht zügig auf den Punkt kommt, klickt man das Ding weg, bevor es zu Ende ist.

Grausam, manchmal vielleicht ungerecht, aber nicht zu ändern.

Allein Formulierungen wie

„...haben wir eine nie dagewesene Lösung gefunden...“ oder

„entwickelten wir die weltweit erste Idee für...“ wie auch

„...standen wir vor der fast unlösbaren Herausforderung...“

erwecken im jurierenden Betrachter einen natürlichen Trotzmechanismus.

So versemmeln viele dieser Filme mit schlechten Texten, quäkenden Sprechern, schlechter Bildqualität, schriller Musik (zu laut, zu viel) oder schlechter Didaktik die Chancen der Idee.

Wenn man sich schon die Mühe eines solchen Filmes macht, muss man auch Zeit und Wortgewandtheit darauf verwenden.

Erklärungsfilme sind eine Kunst für sich. Und sollten nicht so nebenbei gemacht werden.

Am besten plant man den Film, wenn man die Idee produziert. Dann kann man eventuell schon bei der Herstellung Material für den Film erstellen, dass die Idee klarer macht.

Donnerstag, 23. April 2009

Auch Juroren haben Ängste.

Wir, die Jury 15 (digitale Medien), waren härter als früher.

Habe ich mir sagen lassen, denn es war das erste Mal, dass ich in dieser Jury saß.

Was ich sonst noch so aus der ein oder anderen Jury (Funk, Kino, Plakat) gehört habe, so waren die das auch.

Nicht nur härter im Anlegen der Meßlatte. Sondern auch härter gegen Fakes.

Die ADC Juryarbeit 2009 ist vorbei. Ich würde sagen, von den – ich glaube – 17 Arbeiten, die ins Buch kommen, sind maximal 1 oder 2 mit extremen Schielauge ausschließlich auf den Wettbewerb entstanden.

Das ist doch ein Fortschritt. Zumal in der Kategorie "digitale Medien" sehr viele ambitionierte Goldsonderbauwerke zu begutachten waren.

Wenn es gut läuft, wird eine Arbeit am Samstag abend auch eine Goldmedaille erhalten. Das wird sich aber erst auf der Bühne entscheiden.

Diese eine Arbeit hätte es verdient, weil sie die gelungene Kombination aus Online und Offline geschaffen und schöne Emotionen ausgelöst hat.

Nein, ích werde hier nichts verraten, ich halte mich an meine Juror-Schweigepflicht.

Als wir gegen 12:30h die Shortlist festgeklopft hatten, kam plötzlich das ungute Gefühl auf, ob wir bei der spärlichen Anzahl an Titelaspiranten überhaupt eine Silber- oder Goldmedaille vergeben würden.

Es entstand doch tatsächlich die Angst, dass diese Jury ein falsches Signal aussenden könnte: digitale Medien findet am Samstag abend auf der Bühne nicht statt (dort werden bekanntlich nur Gold- und Silbermedaillen aufgerufen).

Einer der wenigen seit Jahren wachsenden Branchenzweige hat keine Ideen mehr? Ist das nicht ein ganz falsches Signal an die Kunden, die ihre Aufträge dann ins Ausland vergeben, weil wir hier keine Ideen mehr haben?

Mir verschlug es die Sprache. Was für ein Argument.

Lieber aus Bronze schnell noch ein Silber machen, damit keiner denkt, die Branche hat ein Problem?

Dabei hat sie das, denn Kunden gehen aufgrund spärlicher Budgets auch weniger Risiken ein. Das ebenso spärlichere Ergebnis der Jury ist ein Spiegel davon.

Beim ADC sollte es einzig und allein darum gehen, ob eine Arbeit die Kriterien von Orginalität, Klarheit, Freude und Innovation erfüllt. Und nicht, welche Auswirkungen das für einen Berufszweig hat.

Ihr seht, liebe Leser, auch die Gedanken eines Juroren gehen manchmal eigenartige Wege. Und in meiner mittlerweile langen Jurygeschichte hatte ich diese Argumentation noch nie gehört.

Nun, die Sorge dürfte sich verflüchtigt haben, denn es wird auf jeden Fall zwei Silbermedaillen, vielleicht ja sogar noch Gold bei "digitale Medien" geben.

So schließe ich meinen Tagesbericht mit besten Grüßen an die Vollpfosten, deren Bestätigung des Kunden, dass ihre Arbeit auch beauftragt wurde und erschienen ist, mit folgendem Wortlaut eingeleitet wurde (oder so ähnlich):

Hiermit bestätige ich (der Kunde), diese Goldidee in Auftrag gegeben zu haben.

Auch so kann man sich seiner Medaillenchancen berauben.

Ich entschwinde nun aus Berlin in die schwedische Hauptstadt.

Erwartet also keine weiteren ADC-Tagesberichte mehr von mir.

Ich werde morgen oder übermorgen aber noch eine interessante Erfahrung aus dem Wettbewerb zum Besten geben.




So sieht es aus, wenn eure Arbeiten von der Jury im Container begutachtet werden.


Im Vordergrund die Shortlist auf meinen Knien, im Hintergrund die Juroren auf dem Zahnfleisch.

Mittwoch, 22. April 2009

Container der Innovationen.

Der erste Jurytag ist rum. Die Krise ist natürlich auch am ADC nicht spurlos vorüber gezogen.

Die Grandezza der Tempelhof-Location oder der Räume des letzten Jahres ist dem nüchternen Stalin-Charme und der Pragmatik des ehemaligen Kosmos Kinos in der Karl-Marx-Allee 131a gewichen.

In den kurzen Jury-Pausen kann man auch nicht mehr kurz rumschlendern und einen Streifzug durch die Ausstellung und die Arbeiten der anderen Jurys machen.

Die ADC Ausstellung war in ihrer Form die weltweit größte Werbeausstellung. Aber eben auch die kostenintensivste. Und damit ist erst mal Schluss.

Auch der stern und der Springer-Verlag haben ihre Empfänge gestrichen.

Das fehlt einem, ist aber nicht zu ändern.

Die Jurys tagen teilweise in Containern. Meiner steht draussen und seine Stickigkeit und Enge steigert bei einem leicht klaustrophobischen Menschen wie ich es bin nicht gerade die Freude, um über rund 320 Einzelstücke urteilen zu dürfen.

Was an der digitalen Jury sehr angenehm ist: man hat in den Wochen vorher schon eine Pre-Shortlist erstellt. So muss man nicht durch den ganzen Kram noch mal gemeinsam durchgehen.

Alles, was bei der Vorabstimmung mehr als 9 Stimmen hatte (bei 17 Juroren), wurde heute noch mal angesehen. Und dann mit Noten von 0 bis 6 bewertet.

Dazu können die Juroren Plädoyers für Einsendungen ausserhalb der Pre-Shortlist machen, die dann noch mal gemeinsam angesehen werden. Danach wird abgestimmt, ob sie auf die Pre-Shortlist kommen und bewertet werden.

Die rein digitalen Kreativen ticken etwas anders als die klassischen Kreativen wie ich und es ist ganz spannend, deren Argumente zu hören. Technische Dinge haben einen höheren Stellenwert, wenn auch nicht dramatisch.

Auch in dieser Jury spürt man bei einigen Vorschlägen leichte Tendenzen in die Richtung: ich schlage deine Arbeit vor, dann schlägst du meine Arbeit vor – aber es hält sich in einem erträglichen Rahmen.

Wie die Shortlist nun genau aussieht, zeigt sich morgen.

Soweit ich es überblicke, haben es nur wenig Einzelmeister in die nächste Runde geschafft.

Das lässt auf ein relevantes Ergebnis hoffen.




Mein Jury-Container (ca. 20 qm).



Das ehemalige Kino "Kosmos" – jetzt Eventlocation.





Innovation – steht wenigstens schon mal auf einem Container.

Dienstag, 21. April 2009

Was heisst Fake auf chinesisch?

Als ich neulich durch das Online Archiv von Ads of the world blätterte, fielen mir drei Anzeigen für Kondome auf. Der Absender war die online-Apotheke Doc Morris. Und die verantwortliche Agentur ein großes Network mit Sitz in Düsseldorf.

Hier eines der Motive (Mao Tse Tung als Spermie, die durch Kondome natürlich nicht an ihr Ziel kommen soll). Es gab noch zwei weitere Motive mit Hitler und einem so genannten "Despoten", den ich vergessen habe.



Anzeige für Doc Morris.

Ich habe beim Anblick der Werke noch überlegt, ob ich diese drei Anzeigen nicht als das perfekte Beispiel für totale Irrelevanz hier zitieren soll. Eine Irrelevanz, die dann entsteht, wenn die vermeintliche Gold-Idee wieder mal irgendeinen Kunden sucht (zumal die gleiche Idee schon viel besser als Spot vor Jahren für Jiffy Condoms in Cannes ausgezeichnet wurde – siehe unten).

Ich hab mein Vorhaben dann gelassen, irgendwie war das Thema hier im Blog für mich durch.

Nun muss ich aber doch noch mal auf diese Anzeigen zurück kommen, denn ich las folgende Meldung in der w+v:

http://www.wuv.de/news/agenturen/meldungen/2009/04/127223/index.php

In Kurzform: Der chinesische Ableger des Agenturnetzwerkes fand den Spass über den Volkshelden Mao Tse Tung gar nicht lustig, das chinesische Konsulat in Deutschland verlangte eine Entschuldigung und der Kunde (Doc Morris) hat von alledem sowieso keine Ahnung.

Der Ober-CD der Agentur (sicher der gleiche CD, der die Kreativen vermutlich zu kreativen Goldideen drängt und die betreffenden Motive natürlich auch freigegeben hat) musste sich jetzt beim „chinesischen Volk“ entschuldigen (wie macht man das eigentlich, jedem persönlich die Hand schütteln? Da wird er noch einige Jahre zu schütteln haben).

Fake, Plagiat und die chinesische Bevölkerung am Hals. Das kann dabei rauskommen, wenn man ohne Briefing, ohne Kunden und ganz offensichtlich auch ohne Ahnung auf Goldjagd geht.

Da kann man als Betrachter des Ganzen doch nur noch laut Brüllen vor Lachen.

Hier übrigens das Original.

TVC für Jiffy Condoms, der vor Jahrzehnten schon in Cannes gewonnen hat.

Montag, 20. April 2009

Der Zirkus kommt.

Ab Mittwoch geht es wieder los, das Tam Tam um die Nägel. Journalisten haben mich bereits nach Fakes und Favoriten gefragt. Und ob der ADC an einem Scheideweg steht.

Wir werden am Ende der Woche sehen, wer wo steht.

Ich kann mir vorstellen, dass sich viele von Euch große Hoffnungen machen, ich war früher in der ADC-Woche immer gespannt wie ein Flitzebogen.

Heute hält sich das in Grenzen. Deshalb nehme ich auch an einer Jury teil, die Neuland für mich ist: digitale Medien.

In dieser Jury muss man sich alle Arbeiten ja schon vorher ansehen.

Wie ich bereits geschrieben habe, konnte ich dadurch das neue Eldorado für Einmalmeister entdecken.

Ich kann mir die Diskussion mit den Jury-Kollegen schon lebhaft vorstellen.

Werde mich zu gegebener Zeit von der Nagelstelle melden.

Inzwischen ein schräger Spot aus Südafrika.



TVC/Viral „Singing Burger“ für Chicken Licken von BBDO Johannesburg.

Samstag, 18. April 2009

vimeo.com




Heute möchte ich Euch auf ein Portal aufmerksam machen, das eine echte Qualitätsalternative zu YouTube ist: vimeo.com.

Ich selbst bin durch Spiegel online auf diese Seite aufmerksam geworden (Artikel hier).

Dieses Filmportal funktioniert eigentlich wie YouTube, nur mit zwei eklatanten Unterschieden.

1. Es dürfen nur Videos hochgeladen werden, an denen der Nutzer selbst beteiligt war.

2. Die Videos werden in HD-Qualität hochgeladen (geht bei YouTube inzwischen wohl auch).

Durch diese Restriktionen ist eine Community entstanden, die Niveau hat. Es wird kein Müll gezeigt, sondern filmisch anspruchsvollere Kurz- und Trickfilme.

Deshalb auch die Positionierungszeile von vimeo:

Vimeo is a respectful community of creative people who are passionate about sharing the videos they make.

Vimeo ist eine ideale Inspirationsquelle für uns Werbekreative. Dass man sich von solchen Werken inspirieren lassen darf und soll, haben wir ja in den letzten Tagen geklärt.

Hier der Link zu einem Video, das die Spiegel-Jungs als eines der besten identifiziert haben (Link).

Auf YouTube gibt es den Streifen natürlich auch:




Kurzfilm Bathtub IV von Keith Loutit.

Der Filmer lässt echte Filmaufnahmen so aussehen, als würde er kleine Plastik-Miniaturen abfilmen. Die sogenannte Tilt-und-Shift-Technik verwendet er hier für eine kleine Geschichte über den Einsatz eines Rettungshubschraubers.

Tilt und Shift-Objektive sind Spezialobjektive, die das Verschieben und Verschwenken des Linsensystems gegenüber der Sensorfläche ermöglichen, so dass beim Betrachter der Eindruck entsteht, es handelt sich um Bilder aus einer „Miniaturwelt“. Autos, Häuser, Personen etc. können extrem plastisch erscheinen.

In der Regel finden derartige Objektive Anwendung in der Architekturfotografie, sie können aber auch für andere Aufnahmezwecke eingesetzt werden.

Mittwoch, 15. April 2009

Gibt es noch ganz neue Werbeideen?

Das größte Problem eines Kreativen in der heutigen Zeit ist die Suche nach der einzigartigen Idee. "Einzigartig" ist fast die noch größere Herausforderung als die Idee selbst.

Ich behaupte, dass es so gut wie keine Werbeidee mehr gibt, die nicht in ähnlicher Form schon mal irgendwo auf dieser Welt erschienen ist.

Wenn man sich allein nur die täglich hinzu kommenden Print- und Outdoor-Motive bei Adsoftheworld oder Coloribus ansieht, bekommt man eine leise Ahnung davon, was in dem Archiv "gesamte weltweit veröffentlichte Kommunikation in den letzten 50 Jahren" so alles an Ideen schlummern würde, wenn es denn eines gäbe.

Kein Wunder, so viele Briefings und Problemstellungen sind seit Jahrzehnten die immer gleichen, da kann es unmöglich sein, dass die Millionen von Kreativen, die darauf arbeiten, mit immer völlig neuen Ideen vor ihren Kunden auftauchen.

(Ganz neu meint für mich: noch nie da gewesen).

Als Kreativer kann man sich schon glücklich schätzen, wenn man eine Strategie, einen Gedanken, einen Ansatz und/oder eine Umsetzung findet, die sehr ungewöhnlich und ungesehen erscheint – und von der die öffentliche Menge an Kreativ-Controllettis (sensationslüsterne Fachmedien, argwöhnische Juroren, neidische Kollegen, eifersüchtige Konkurrenz) nicht sagen kann: Guck mal, im Lürzer's Archiv 3/99, Seite 28, da hat eine Agentur in Mumbai schon mal so eine ähnliche Idee für eine Kaffeemaschine gehabt.

Überhaupt: Durch die vielen Archive und Jahrbücher wird man unbewusst im kreativen Denken beeinflusst und speichert Kreativ-Dramaturgien oder Inszenierungen ab, die dann an anderer Stelle, z.B. während eines Brainstromings zu einem ganz anderen Thema, wieder aufpoppen.

Obwohl man der felsenfesten Überzeugung ist, dass gerade eine neue Idee geboren wurde, hat man sie am Ende nur von irgendwo her reproduziert und neu umgesetzt.

Ist das schlimm?

Ich finde nicht, denn Inspiration gehört zum Geschäft. Woher immer sie auch kommen mag.

Natürlich ist es absolut inakzeptabel, wenn man Ideen 1:1 oder nur 1:2 abkupfert. Aber wenn ein ähnlicher Gedanke in einem anderen Kontext neu interpretiert und ungewöhnlich visualisiert wird, kann man darüber streiten, ob es ein Plagiat ist (siehe "Schlagloch"-Kurzdebatte zum letzten Beitrag).

Kommt in Jurys gerne vor.

Walter Lürzer, einer der Gründer von Lürzer Conrad (inzwischen Michael Conrad und Leo Burnett), den jüngeren Kreativen wohl vor allem als der Herausgeber von Lürzer’s Archiv bekannt, hat in einem Interview vor rund eineinhalb Jahren für die Schweizer Werbezeitschrift "Persönlich" folgendes von sich gegeben (das gesamte Interview findet ihr hier):

Frage: Sie sagen, Kunst und Werbung langweilen Sie. Gab es in letzter Zeit keine einzige Idee, die Sie aus den Socken gehauen hat?

Antwort: Nein. Die Ideen, die mich aus den Socken hauen, finden in der Wissenschaft statt. Das Problem ist, dass heute Werbung machen so simpel geworden ist. Vor dreissig, vierzig Jahren waren die Kunden und ihre Probleme komplizierter, sie wollten ‘long-lasting ideas’ und darüber hinaus jede Menge von Fakten kommunizieren. Wollte man Werbung für ein Auto machen, musste man sogar den Umfang des Kofferraums angeben, in Litergrösse. Da wird es schwer für die Kreativen. Heute sind viele Auftraggeber zufrieden, wenn man innerhalb einer Werbung einen Gag verpackt, der die Rezipienten zum Lachen bringt. Was man sagen will, ist nicht entscheidend, Hauptsache, die Werbung fällt auf.


Frage: Ist dies sinnvoll?


Antwort: Ja, zumindest bei Produkten mit geringem funktionalen
Benefit. Wenn der Name durchkommt, hat die Werbung ein wichtiges Ziel erreicht. Ich nenne es Hollywood-Effekt. Irgendwann ist der Skandal vergessen, den Namen aber hat man behalten. Das beste Beispiel ist Paris Hilton, die ich sehr bewundere. Sie kann nicht singen, nicht tanzen, nicht schauspielern. Sogar ihr Porno ist fade, trotzdem hält sie sich permanent im Gespräch.

Frage: Und so sollte gute Werbung sein?


Antwort: Nein, so sollte gute Werbung nicht sein. Aber sie ist (oft) so.


Nun kann einer wie der Walter Lürzer mit der Entspanntheit des Etablierten kokettieren und so tun, wie wenn früher alles besser war. Und er hat inzwischen vermutlich mehr mit den zahllosen Aufnahmenprozessuren in irgendwelche Hall of Fames und Club-Ehrenmitgliedschaften zu tun als mit dem Ausdenken von Ideen.

Aber weiß er wirklich, was es heisst, sich eine gute Idee auszudenken? Wissen dass auch die Typen, die darüber entscheiden, ob ein Motiv oder ein Spot bei Creativity, Shots oder sonstwokreativ.com aufgenommen wird und damit "medaillenwürdig" ist?

Wohl kaum, sonst wären sie nicht da, sondern in einer Agentur.

Die meisten "Kreativen", die selbst nicht wirklich mal eine Idee ausgedacht haben, wissen die wahre Freude des kreativen Prozesses gar nicht zu schätzen. Sage nicht ich, sondern sagt ein von mir geschätzter kritischer Geist und sehr erfahrener Texter.

Er hat mich auf dieses Lürzer Interview aufmerksam gemacht. Er kennt den Walter Lürzer noch aus seinen Tagen als Kreativen (eigentlich war Lürzer Kundenberater, hat sich dann aber Kreativer genannt, weil sich damit bei Kunden die Arbeiten der Agentur besser verkaufen ließen). Der hat damals schon alle möglichen Anzeigen im Keller gesammelt, um die Ideen dann an anderer Stelle wieder zu verwenden (dabei war das Sammeln und Zusammenfassen von guten Anzeigen als Magazin sicher seine allerbeste Idee).

Ob nun Gerücht oder Wahrheit, dieses Beispiel ist repräsentativ für den momentanen Zustand der Werbung.

Erst kommen die Awards/Archive. Dann kommt die Idee. Und dann kommt die Frage der Relevanz.

Ursprünglich war das mal genau umgekehrt gedacht.

Sonntag, 12. April 2009

Sieht aus wie Fake, ist aber keiner.

Mit mehr Muse als sonst, weil auf der Terrasse in der herrlichen Ostersonne sitzend, will ich noch mal etwas über die Schwierigkeit philosophieren, wie man bei Wettbewerben mit Fakes umgehen soll.

Nachfolgend zwei Beispiele, die man schnell als Scam-Ads verdächtigen könnte (wären sie von deutschen Agenturen, wäre man sich seiner Sache ziemlich sicher, oder?).

Das erste Beispiel ist ein Poster der Zeitung „The Zimbabwean“ und ist aus echten Geldscheinen der Währung Zimbabwes gemacht:




Poster "Wallpaper" für The Zimbabwean Newspaper.


Das Poster wird mit großer Wahrscheinlichkeit nur einmal erschienen sein, doch es wurde in einschlägigen Medien schon darüber berichtet.

Ein schönes Beispiel für einen klassischen 1mal-Meister – aber ist er deshalb als Fake zu betrachten?

Das zweite Beispiel kommt aus den USA und ist eine sehr clevere Ambient-Aktion.

Scheinbar gibt es einige Städte und Kommunen, die aus Geldmangel die Strassenlöcher nicht reparieren können. Nun hat sich die Fast-Food-Kette Kentucky Fried Chicken (KFC) bereit erklärt, einigen Städten zu helfen und die Strassenlöcher zu füllen – natürlich nur, wenn sie jedes Loch mit ihrem Logo versehen dürfen.




Ambient-Aktion "Potholes" von Kentucky Fried Chicken.


Hier ist der Verdacht des Fakes wohl nicht zu halten, denn diese Geschichte ging in den USA schon durch die überregionale Presse und hat für mächtig Wirbel gesorgt.

Beneidenswerte Aktion, die Idee hätte ich gerne gehabt.

Beide Beispiele unterstreichen (das erste vielleicht etwas eindrücklicher) aber auch, dass man solch gelungene Kreationen nicht mit dem Fake-Verdacht bestrafen darf, nur weil hier aus einem überschaubaren Budget viel rausgeholt wurde.

Ich bilde mir zwar ein, dass man bei diesen beiden Beispielen sofort spürt, dass ein gewisser „Ernst“ hinter dem kommunikativen Anliegen steckt (Relevanz) und man deshalb die Aktionen gar nicht erst als Fakes beschuldigen würde, aber sicher gibt es auch einige andere ernsthafte Aktionen, die durch einen wie auch immer gearteten Fake-Filter in Wettbwewerben hart bestraft würden (z.B. Filter wie ein gewisser Mediawert o. Ä.).

Wie auch immer, beide Ideen sind exzellent und motivieren mich als Kreativen ganz anders als solche gekünstelten und irrelevanten Gimmick-Goldideen, wie ich sie in der digitalen Jury oder auch in anderen Kategorien erleben durfte.

Sonniges Rest-Ostern noch.

Donnerstag, 9. April 2009

Kommt nur drauf an, was man draus macht.

Herrlich, wie die Emotionen hoch kochen, wenn es um Fakes geht. Gerne wird den Kunden die Schuld in die Schuhe geschoben, speziell hier in Deutschland.

Nachfolgend ein Spot, in dem sehr viele – scheinbar trockene – Informationen verbraten wurden.

Vielleicht war das Briefing so formuliert, vielleicht hat die Agentur es auch selbst so aufgezogen. Ich weiß es nicht.

Der Spot hat mich daran erinnert, dass immer jemand aufsteht, der aus einem schlimmen Briefing doch noch ein starkes Stück Werbung zaubert.

Das gibt mir immer wieder zu denken.

Bei diesem Brief hätte man als Kreativer auch sagen können, was, diese ganzen Informationen sollen in einen Spot? Das geht nicht.

Andere sind es offensiv angegangen und haben sogar noch lustige Informationen hinzugefügt.

Und da frage ich mich:

Sollten wir nicht anfangen, die ganze Energie, die viele Kreative an Wochenenden und Abenden in Fakes stecken, lieber wieder in den Ehrgeiz für noch bessere Ideen auf realen Briefings umzuleiten?

Frohe Ostern.



TVC „Anthem“ für Sprint von Goodby Silverstein & Partners, San Francisco.

Mittwoch, 8. April 2009

Ein überzeugender Fall von Fake.

Wie kompliziert die Diskussion um Fakes und um Relevanz ist, zeigt das folgende Praxisbeispiel aus meiner Juryarbeit im Jahr 2005.

Ich nahm an der Plakat-Jury des ADC teil.

Die Fake-Diskussion war zu dieser Zeit auf einem ihrer Siedepunkte und man kämpfte sich als Juror per Power Point durch um die 400 Plakat-Exponate.

Klick. Nächstes. Klick. Nächstes. Klick. Nächstes.

Dreiviertel der Plakate hatte man noch nie gesehen. Viele waren ganz offensichtliche Fakes, alles ambitionierte Ideen, aber irgendwie spürbar irrelevant und beliebig. Teilwiese fühlte man sich als Juror schon verarscht.

Ab einem gewissen Punkt im Jurierungsprozess war man dann schon froh, Plakate zu sehen, die man kannte. So ist damals die Dove-Kampagne mit den dicken Frauen in weißen Bikinis zu Bronze gekommen.

Der Auftritt war in gewisser Weise mutig, aber nicht unbedingt innovativ. Dennoch wurde das „bisschen Mut“ von Dove belohnt, weil die Kampagne im Kontext mit all den anderen Fake-Motiven einfach wahrhaftig erschien.

Hier hatte ein Werbungtreibender noch die Absicht, mit Kommunikation etwas für seine Marke zu tun – und nicht seiner Agentur einen Gefallen.

Mitten im Wahrnehmungstrott der vielen Motive, die man – Klick. Nächstes. Klick. Nächstes – über sich ergehen lassen musste, kamen plötzlich diese drei Motive:








Ausgezeichnete Plakate "Kostümverleih" aus dem Jahr 2005 für Kostümverleih.com von Springer & Jacoby, Hamburg.


Ich musste spontan lachen. So erging es einigen anderen Jurykollegen auch.

In der späteren Diskussion kam dann natürlich die unvermeidbare Frage auf, ob wir diesen so offensichtlichen Fake belohnen sollten.

Fakt war, dass jeder schmunzeln musste, aus seiner Wahrnehmungslethargie gerissen wurde und sich für den Abender interessiert hat.

Das Plakat als solches hatte also seinen Job perfekt erledigt.

Doch es war unzweifelhaft, dass der kleine Münchner Kostümverleih nicht die große Hamburger Werbeagentur Springer & Jacoby damit beauftragt hatte, eine breit angelegte Plakatkampagne für ihn zu entwickeln.

Wie damit umgehen?

Auf der einen Seite waren wir damals der Auffassung, dass der ADC innovative Ideen unbedingt belohnen sollte, unabhängig davon, wie "wirklich" der Auftrag war.

Auf der anderen Seite fühlte man ein Unwohlsein, dass hier wieder der Club benutzt wird, um den Medaillenspiegel einer Agentur „aufzupimpen“.

Dieses Dilemma hat fast jede Jury in der heutigen Zeit, weshalb plötzlich die Frage der Relevanz wieder in den Vordergrund gerückt ist.

Relevanz kann man in zwei Richtungen interpretieren (siehe auch einige gute Kommentare zum letzten Beitrag).

Richtung 1 ist, wie relevant ist die Arbeit für potentielle Zielgruppen?

Richtung 2, wie relevant ist der Job wirklich für den Auftraggeber?

Der Kostümverleih hätte mit Sicherheit keine Plakatkampagne gestartet, wenn sie ihm die Agentur nicht geschenkt hätte.

Dennoch war ich damals ein Verfechter davon, dass der Fake so außergewöhnlich ist, um wenigstens mit Bronze belohnt zu werden.

Im übrigen waren auch die beiden Silber-Gewinner der Plakatjury für Mercedes und TUI mit Sicherheit keine echten Briefings von den Kunden. Aber natürlich wirkten diese Arbeiten aufgrund der Bekanntheit der Marke und ihren regen Kommunikationsaktivitäten viel wahrscheinlicher.

Hier sind diese beiden Arbeiten:





Plakat "Unter den Palmen" für TUI von Jung von Matt.





Plakat "Von A nach B" für Mercedes von Springer & Jacoby.


Das Problem, dem sich viele Wettbewerbe mittlerweile gegenüber stehen, ist die Menge an Kostümverleihen, Piercingstudios, Pizzaservices und sonstigen potentiellen Kleinwerbern, die im großen Stil Medaillen gewonnen haben.

Da merken auch viele Kunden, dass das ganze eben nur noch eine große Ideen-Show ist, die mit der kreativen Wirklichkeit wenig zu tun hat.

Die kreative Welt muss sich fragen, ob sie das noch will, denn der Werteverfall von Ideen ist mittlerweile riesig.

Ideen sind aber unser aller Kerngeschäft.

Sollte man hier keine einheiltiche Regelung finden, dann bin ich für:

Freier Fake für alle.

Damit allerdings geht jegliche Relevanz verloren. Und es gewinnen die, die am meisten Budget für die Fakeproduktion haben.

Es würde stinkenlangweilig werden.

Montag, 6. April 2009

Was ist eigentlich Relevanz?

Der Begriff kommt wieder richtig in Mode, weil beim ADC die Fake-Diskussion neu entfacht wurde.

Warum hat sie sich so urplötzlich zu einem kleinen Flächenbrand ausgebreitet?

Weil man festgestellt hat, dass Kunden den ADC nicht wirklich ernst nehmen, solange irgendwelche kreativen Gimmicks Goldmedaillen erhalten.

Weil man bemerkt hat, dass der kreative Nachwuchs über die Jahre eine falsche Peilung erhalten hat und auf richtigen Briefings gar nicht mehr arbeiten kann. Erst recht nicht, wenn nur zwei oder drei Tage Zeit sind.

Weil man beim Blick auf das Bankkonto darüber erschrocken ist, dass Fakes in der Finanzkrise einfach nicht mehr so nebenbei zu finanzieren sind. Und auch die Einsendegebühren der vielen Wettbewerbe für die vielen Fakes nicht gerade kostensenkend wirken.

Und so stieg das Wort „Relevanz“ beim ADC wie Phönix aus der Asche auf.

Relevanz reloaded.

Der Jury-Präsident des diesjährigen ADC-Wettbewerbs (Michael Preiswerk) schreibt denn auch in seinem Brief an uns Juroren:

„Gerade in Zeiten wie diesen ist es für Macher und Auftraggeber wichtiger denn je, echte Kreativität und keine „Blasen“ zu produzieren. So werden wir darauf achten, Arbeiten, die den Anschein erwecken, ausschließlich für Wettbewerbe gemacht worden zu sein, nicht zu bewerten.

Relevanz soll aber auch nicht dahin verstanden werden, ob das, was wir einreichen, später einmal funktioniert.

Wir suchen nach der neuen und außergewöhnlichen Idee. Wir bewerten das neue Denken und das exzellente Machen.

Relevanz hat für mich aber auch die Sinnhaftigkeit der prämierten Arbeiten. Der ADC will, wenn er Gutes findet, nicht nur anerkennen, sondern auch definieren. Deshalb führen wir dieses Jahr in jeder Jury eine kurze Begründung ein, warum eine Arbeit einen Nagel bekommt:

Für Bronze: „Womit hat die Arbeit Maßstäbe gesetzt?“

Für Silber: „Weshalb ist die Arbeit eine Innovation in der Kategorie?“

Für Gold: „Warum ist die Arbeit eine kategorieübergreifende Innovation?“

Der ADC setzt den Maßstab. Und gerade in einer Zeit der wirtschaftlichen Unsicherheit wollen wir mit klaren Ansagen deutlich machen, dass wir mit Kompetenz, Verantwortung, aber auch mit Leidenschaft für eine Branche der Zukunft stehen.“

Zitat Ende.

Das sagt alles. Und auch nichts.

Relevanz kann von jedem Juror anders ausgelegt werden.

Für die einen ist es relevant, wenn es einer Marke gelingt, pure Aufmerksamkeit zu erzeugen und es zu schaffen, dass über ihre Werbung geredet wird.

Dem anderen, und dazu gehöre eher ich, ist wichtig, dass mit der Kommunikation auch eine Botschaft transportiert wird, die Relevanz für die Zielgruppe besitzt. Und dass die Marke auch eine gewisse Strategie kontinuierlich verfolgt.

Am Ende des Tages funktioniert Relevanz in der Werbung wie folgt:

Mit welcher Botschaft (inkl. deren Umsetzung) schaffe ich es, dass sich der Verbraucher möglichst lange und möglichst intensiv mit der Marke auseinandersetzt. Und ja, sie im Idealfall käuflich erwirbt oder gegen Bezahlung nutzt.

So.

Um die Konfusion zu erhöhen, folgt nun ein schräges Stück Film, dass eigentlich keine Relevanz hat, ausser der, aufzufallen.

Und zufällig hängt da Samsung hinten dran.

Ich mag das Teil trotzdem. Und damit ist es auch schon wieder relevant für mich.

So widersprüchlich können meine Beiträge sein.

Und so widersprüchlich wird auch das nächste ADC-Jahrbuch sein.



Virale LED-Art-Aktion „Extreme Sheparding“, von wem auch immer.

Freitag, 3. April 2009

Jury 15.

Den größten Teil meiner Arbeit habe ich schon hinter mir, was die diesjährige ADC-Juryierung betrifft.

Ich bin in der Jury für digitale Medien und da ist es Teil des Jobs, sich die eingereichten Arbeiten vorher zu betrachten. Würde man das auf die beiden Jurytage am 22. und 23. April verlegen, käme die Jury nicht rechtzeitig zu einem Ergebnis.

All die vielen Websites, Banner, Layer, Intertitials, Pop-Ups, Digitalevents, Interactive Tools und Sonderformate einfach physisch mal anzusehen, kostet schon zwischen 6 bis 8 Stunden.

Das heisst, die Juroren der Jury 15 erhalten 6 Wochen vorher eine lange Liste mit Links und bestimmen ihre Pre-Shortlist.

Was fiel mir auf?

Zum einen, dass 260 Einreichungen mit jeweils einem 90-sekündigen Erklärungs-Trailer verdammt viel Holz sind.

Zum zweiten, dass ich vielleicht doch noch über das Geschäftsmodell „Einreichungsberater“ nachdenken sollte, um die hohe Quote der eindeutig Chancenlosen zu reduzieren und den Agenturen viel Geld zu sparen.

Zum dritten, dass das Fake-Paradies inzwischen ein digitales ist.

Was ich an aberwitzigen Sites, Bannern, Pop-ups, Layern etc. vor die Maus bekam, lässt mich den Kopf über so viel kreative Energieverschwendung schütteln.

Digitale Kreation mag inzwischen unter gewieften Awardstrategen als kostengünstiges Medium (sowohl in der Herstellung als auch in der Schaltung) identifiziert worden sein. Doch was sie übersehen, ist die Tatsache, dass dieser Typus "nette Idee" meistens auch von anderen in ähnlicher Weise umgesetzt wurde.

Drei zitternde Banner, ob für Alzheimer, Kopfhörer oder automatische Zahnbürsten, verlieren ganz schnell an Originalität.

So muss man sich als Juror gar nicht groß aufregen, kann sich getrost auf seinen gesunden Ideenverstand verlassen und die Ideen belohnen, die aus dem Einheitsbrei der Medaillenaspiranten wohltuend anders herausstechen.

Was einen digitalen Juror zudem Entspannung bringt, ist die Tatsache, von vornherein zu wissen, 99% der www-Arbeiten nicht gesehen haben zu können.

Ausnahmen bestätigen die Regel.

Wie das Matthias-Reim-Remake, die Jopi-Kampagne von Sixt.

Eine der wenigen digitalen Kampagnen, von der man sagen kann: ja, die hat sogar mich erreicht.



Viraler Spot „Jopie“ für Sixt von – natürlich – Jung von Matt, Hamburg.

Mittwoch, 1. April 2009

Kein Scherz.

Nachdem meine Tochter mich beim Frühstück schon darauf aufmerksam gemacht hat, dass heute der 1. April ist, nahm ich die Meldung im Radio, dass ab sofort lila Plaketten für Frauenparkplätze vergeben werden, mit Gelassenheit auf.

Mehrere Privatsender (RSH, FFN, Radio Hamburg, 106.8), die man im Hamburger Raum empfangen kann, verkündeten heute in den Nachrichten, dass zum 1. August in allen bundesdeutschen Städten mit über 25.000 Einwohnern eine lila Plakette für Autofahrerinnen eingeführt und die Hälfte aller Parkplätze in Frauenparkplätze umgewandelt wird.

Zu Beginn des Anmeldezeitraums darf die Gesellschaft "Lila-Plakette GmbH" eine Anzahl von 100.000 Plaketten auch an männliche Bewerber verlosen. Diese Verlosung erfolgt nur am Starttag (1. April) und erstreckt sich über das gesamte Bundesgebiet.

Keine schlechte Verarschung, zumal mehrere Sender mitzuziehen scheinen.

Doch wenden wir uns von solch infantilen Promotions zu Ehren eines einzigen Tages ab und kommen zu Kommunikationsideen, die mehr sind als nur Unterhaltung:

BMW führt den Roadster Z4 in den USA mit einem Kunstwerk ein.

Zugegeben, dass Kampagnenmotto „The Art of Driving“ ist total abgenudelt, aber dafür ist eben die Umsetzung einzigartig und verzeiht wieder mal die dünne Botschaft (passt bestens zu Punkt 1. meiner Westentaschen-Philosophie).

Anstatt den Wagen selbst zu bepinseln (wie Warhol und Lichtenstein das schon für BMW getan haben), hat man den Künstler Robin Rhode gebeten, ein Fußballfeld großes Bild zu gestalten und den BMW Z4 als Pinsel zu benutzen.

Der Wagen wurde mit speziellen Farbspendern an seinen Rädern ausgestattet und fuhr dann über die riesengroße Leinwand. Jake Scott hat das gefilmt (vermutlich der Sohn von Tony oder Ridley Scott – denn er hat das für deren Filmproduktion RSA getan).

Ein weiteres Beispiel für „radikale Umsetzung einer lauen Botschaft“.

Absolut PR-trächtig.

Well done.



Spot „Art of Driving“für den BMW Z4 der Agentur GSD&M Idea City in Austin, Texas.