Sonntag, 8. September 2013

Erpressermailing und Rautenstorm.








Es ist wieder Wahlkampf. Und Wahlkrampf. Der Wähler blickt regelmäßig seit vielen Jahren, man ist geneigt, Jahre durch Jahrzehnte zu ersetzen, auf politischen Kampagnen voll fehlender Kreativität.

Ein Vorwurf, der auch dieses Jahr deutlich formuliert wird.

Ich kann mich dem nicht voller Überzeugung anschließen, denn ein paar Lichtstreifen am Horizont sind sichtbar. So viel kreative PR-Coups wie dieses Mal gab es noch nie. Und warten wir mal ab, was bis zum 22. September noch so alles in die Schlagzeilen kommt.

Der Horizont bezeichnet den Verriss der „Merkel-Raute“ in den sozialen Medien als Eigentor. Ich denke dagegen, es konnte einem Plakat mit der platten Headline „Deutschlands Zukunft in besten Händen“ nichts Besseres passieren, um doch noch irgendwie ins Gespräch zu kommen und das Investment zu rechtfertigen.

Die Schlandkette aus dem TV-Duell hat es zum heiß diskutierten Hashtag bei Twitter gebracht und wurde Gesprächsstoff. Ich bin sicher, sie war mit Bedacht umgehängt, wenn sich auch das belgische Volk mehr mit ihr identifizieren konnte als das deutsche. Was ihrer unglücklichen Hanglage geschuldet war.

Raabs „King of Kottelette“-Spruch im TV Duell hat Steinbrück ebenfalls PR gebracht und das Video für den Schulsprecher-Kandidaten nicht minder. Ausnahmsweise sogar mit ungeahnten Sympathie-Sonderpunkten.

Warum das Erpressermailing „Putzfrau und Schwarzarbeit“ an Steinbrück gerade jetzt seinen Weg jetzt in die Öffentlichkeit findet, lässt sich auch in mehrere Richtungen deuten.

Mit etwas wohlwollendem Abstand stelle ich also fest, dass die politischen Kampagnenmacher ein paar unerwartete kreative Highlights geschaffen haben, die es in dieser Ballung bisher in Wahlkämpfen nicht gab.

Der Pflicht-Veggie-Day der Grünen war vielleicht auch als solches Highlight geplant, hat sich nun aber viel mehr als klassisches Eigentor erwiesen als der Rauten-Shitstorm.

Bei all diesen vielen kleinen Lichtblicken erkennt der Profi natürlich, dass dem Ganzen die Linie fehlt.

Weil die Aktionen nicht geplant waren. Teilweise wollte man auch das Gegenteil von dem erreichen, was später folgte: Kommunikation in gnadenlosen Händen.

Doch wo soll bei so vielen Gremien und Lobbies, die sich in dieser Anzahl wohl nur in der Politik vorfinden, auch eine Linie (= große Botschaft und emotionale Relevanz) herkommen? Wenn es schon im Produkt (= Regieren) unseres Landes mit der Linie nicht klappt, wie denn dann in der Kommunikation?

Ich glaube, dass mangelnde Kreativität gar nicht das größte Problem der politischen Werber ist. Das größte Problem ist, eine spitze Positionierung zu erarbeiten, zu verabschieden und durchzusetzen.

Und da ist sie wieder, die täglich über all unserem Tun drohende Herausforderung:

eine crossmediale Kampagne mit Kunden zu schaffen, die nicht nur dezentral aufgestellt, sondern auch so eingestellt sind.

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