Samstag, 26. Januar 2013

Über Rundlutscher.

Kreative und Marktforscher sind seit jeher zwei Berufsgruppen, die sich mit
hohem Misstrauen begegnen.

Viele Kreativen meinen, dass Marktforscher die Bestattungsunternehmer für innovative Kampagnen sind.

Viele Marktforscher meinen, in Kreativen die Ignoranten von relevanten Verbraucherbedürfnissen zu treffen. 

Viele Kunden bevorzugen Marktforschung, weil sie meinen, sie gibt ihnen Entscheidungssicherheit. 
Das ist ein fataler Irrtum.

Marktforschung spielt Ihnen Entscheidungssicherheit vor. Doch wenn das Kind 2 oder 3 Jahre später im Brunnen liegt, weil die Marke mit mittelmäßigen Produktideen oder Kampagnen dahinsiecht, dann erinnert sich keiner mehr daran, dass sie von der Marktforschung rundgelutscht wurde.

Bei all den Summen von Geld, das in Marktforschung fließt, muss sich ein Kunde doch wirklich mal fragen, was für eine Qualität von Meinungen er da bekommt.

Er befragt Menschen über Zukunftsszenarien (z.B. Produktideen, Kampagnen) und ruft ihre Werte aus der Vergangenheit ab. 
Er stellt Fragen über Ideen für 2015 und ruft Meinungsroutinen der Gegenwart und Vergangenheit ab.

Doch mein Hauptkritikpunkt lautet: meistens befragt er Menschen, die in diesen rastlosen Zeiten noch Zeit für Marktforschung haben. Also vermutlich viele 
Menschen, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten oder sie als lukrativen Nebenverdienst sehen.

Sind das Menschen, die nach vorne denken? Menschen, die eine Marke nach vorne bringen? Menschen, die sich vorstellen können, was in Zukunft ankommt?

Daran darf zumindest mal gezweifelt werden.


Seit Jahren taucht da eine Agentur unter den Top 20 auf, die vor rund 3 Jahren Insolvenz angemeldet hat. Eine Agentur, die auch davor schon einige Jahre ziemlich gebeutelt war. 
Was sagt das aus?
















Na klar, man kann es positiv sehen: der Ruf der Agentur ist so brillant, dass sie eben nachhallt (und ehrlich, es sei meiner Ex-Agentur gegönnt). 

Aber was diese Tabelle mir konkret sagt: es wurden Leute befragt, die nicht so viel Ahnung haben. Und ich wiederhole mich da an dieser Stelle.

Diese Studie oben behauptet nun auch noch, dass Marketingleute in Unternehmen befragt wurden, die mit den bewerteten Agenturen zu tun hatten.

Rofl.

Für mich zeigt dieser Unsinn mal wieder, wie absurd Marktforschung ist. Und wo ihre absolute Schwachstelle liegt: in den Leuten, die befragt werden.

Doch genau diesen Leuten überlassen viele Kunden die Zukunft ihrer Marke und ihres Unternehmens.

followfish wäre von jeder Marktforschung in Grund und Boden getestet worden. Das braune Packungsdesign (unser Packpapierlook), der englische Name – das hätte bei den professionellen Probanten keine Chance gehabt.

Ein Blick in die Tiefkühltruhen hätte uns doch auch zeigen müssen, das braun nicht ankommt. Es gab keine einzige braune Verpackung.

Gut, dass wir auf unseren Bauch gehört haben.

Und beruhigend, dass die meisten großartigen Innovationen ohne Marktforschung entstanden sind. Einfach nur mit dem Glauben an die Kraft der Idee.

Sonst wäre es auch zu leicht, große Ideen zu haben.

Nichts für ungut, liebe Rundlutscher.

17 Kommentare:

1984 hat gesagt…

Dein Punkt verdeutlicht eigentlich nur deutlich das grundsätzliche Problem der heutigen Marktforschung:

Marktforschung ist nicht mehr der inspirierende Partner von Werbeagenturen (Und Partner dürfen auch mal kritisieren!), sondern der neue Feind von von Werbung, die sich nicht in selbstdefinierten Bewertungsboxen messen lässt.

Wo früher Werbung durch MaFo angereichert werden konnte, verstehen sich die MaFo Unternehmen heute als eine Unternehmensberatung, die mehr über Werbung weiß als werbetreibende Agenturen.

Oft genug habe ich schon in einer Ergebnispräsentation (gerne auch von IPSOS) lesen dürfen, was konkret kreativ geändert werden muss.

Und diese Implikationen kommen immer weniger aus den Fokusgruppen selbst, als immer mehr aus den Köpfen der Marktforscher.

Statt zu inspirieren heißt es heute: "Ist die Werbung gut? ( ) Ja ( ) Nein ... bitte ankreuzen!"

Marktforschung als Bundesgrenzschutz der Werbung.

Auch wenn Wieden+Kennedy schon das Apple der Beispiele für Werbeagenturen ist, so haben sie auch in Sachen MaFo einen nicht unbedeutenden Schritt gemacht. Die erste Kampagne für P&G ohne MaFo.

Und wer schon einmal für P&G gearbeitet hat, der weiß dass das eigentlich unmöglich scheint.

Rausgekommen ist die Old Spice Kampagne (http://www.adweek.com/news/advertising-branding/pg-does-dan-wieden-s-bidding-132903). Diese hätte aber auch keiner Fokusgruppe stand gehalten. Jedenfalls nicht mit den bewährten Bewertungskriterien (Vielleicht sollte man diese als MaFo im 21. Jahrhundert neu definieren?).

W+K hat kurz darauf 5 Thesen zum Thema Marktforschung für sich definiert. Jeder W+K Planner findet diese auf seinem Schreibtisch am ersten tag liegen:
1. "Don't give people what they want - give them what they never believed possible"
2. "Research early, research late, boycott the middle"
3. "Animatics are scary (a.k.a. production = magic)"
4. "An acceptable ad is unacceptable"
5. "No diagnostic or predictive test is better than the real world".

Was damit gemeint ist? http://blog.wk.com/2010/11/04/almost-all-market-research-is-wrong/

Bleibt zum Abschluss nur zu sagen, dass die Berechtigung von MaFo Unternehmen in der Partnerschaft mit Agenturen liegt. Und nicht in der blinden Beziehung mit Kunden.

Anonym hat gesagt…

Probanden.

Anonym hat gesagt…

Hallo Herr Zschaler,

eigentlich wie immer, schreiben Sie auch mit diesem Beitrag mal wieder jedem Kreativen bzw. Agentur-Mitarbeiter aus der geschundenen Werber-Seele.

Man hört förmlich die "Recht hat der Mann!"-, "Endlich sagt´s mal einer!"-, "Zschaler for President"-Rufe.

Aber, mit Verlaub, sie sprechen auch nur das aus, was auf jeder Werber-Party schon seit Jahren kritisiert wird. Immerhin sprechen Sie es aus, muss man sagen. Trotzdem:

Was mir bei Ihnen (wie bei fast allen Agentur-Leadern und erst recht dem ADC) fehlt sind Lösungsvorschläge, Ideen, wie man wieder mit Kunden auf Augenhöhe
gute Kampagnen entwickeln kann.

Und ich spreche nicht von kleinen, feinen Pro-Bono-Kunden wie followfish, sondern von unseren echten Bread&Butter-Kunden. Die Kunden mit großen
Marketingabteilungen und vier Management- und Vorstandsebenen.

Zur Erinnerung: DAS sind unsere Kunden von denen wir alle leben und die unser Tagesgeschäft ausmachen.

Aber mich wundert es nicht, dass keine Verbesserungsideen von Agentur-Leadern kommen, denn dazu braucht´s erstmal den ersten Schritt. Nämlich: Selbstkritik.

Fragen wie "Was machen wir eigentlich falsch?", "Was haben wir dazu beigetragen, dass die Situation so ist, wie sie ist?" scheuen (leider) Sie, genauso wie die anderen großen Kreativen dieser Branche.

Schuld sind eigentlich immer die anderen.

Goldwahnsinn? Es sind die bösen Verlage, die diese Rankings aufstellen! Schlechte Kampagnen? Es sind die ängstlichen Kunden, das fehlende Geld für große Kampagnen! Kein Nachwuchs mehr, der in die Werbung will? Klar, es sind die jungen Menschen, die - böse, böse - nicht mehr leidensfähig sind und nur nach Work-Life-Balance rufen! Freelancer-Schwemme ohne Leidenschaft? Logisch, die wollen nur gaaanz viel Geld für wenig Leistung verdienen! Und so weiter.

Anonym hat gesagt…

Nur damit ich nicht missverstanden werde, ja diese Kritikpunkte sind alle berechtigt. Aber - wie oben erwähnt - wo ist die Selbstkritik? Wo ist die Frage nach: "Haben wir uns das alles vllt. selbst eingebrockt?"

Anbei nur mal ein paar selbstkritische Beobachtungen, nach 17 Jahren Werbung in den Top 10. Das erwähn´ ich nur, dass mir nicht der Vorwurf eines kreativen Hinterbänklers gemacht wird, der nur frustriert ist.

1. Sie kritisieren die Mafo-Hörigkeit der Kunden. Ich kritisiere die Strategie-Hörigkeit der Agenturen!
Die Strategen! Die neuen Alchemisten, die uns Gold versprechen und oft doch nur Blech im Köcher haben!
0-8-15 Insights werden in 40 Kuchendiagramme-Charts gegossen, gewürzt
mit irgendwelchen Erkenntnissen aus "Studien" (95% aller rechtshändigen Liegefahrradfahrer mögen Erdbeer-Joghurt) die GF ruft: "Halleluja! Sie haben die heilige Formel gefunden!"

Folge: Kampagnen werden immer austauschbarer, die Kreativen + GF schalten Kopf und Bauch aus und man folgt einfach blind der Checklisten-Kreation, weil man ja so "nichts falsch" machen kann. Wirklich gute Kreation, gute Ideen verlangen nun mal den Mut des Scheiterns. Fragen Sie mal Erfinder.

Schlussfolgerung: Vllt. sollten wir einfach mal wieder selbst Kopf und Bauch einschalten um zu besseren Kampagnen zu kommen, die auch Kunden im Bauch trifft. Man will es nicht glauben, den so anders als wir sind die auch nicht. Ich habe Kunden nach Strategie-Chart No.355 schon verzweifelt in der leeren Nüsschen-Schale kramen sehen, weil sie derart gelangweilt waren. Und die 30 Kreativ-Charts, die ich dann noch präsentieren durfte, haben´s dann auch nicht mehr rausgerissen.

2. Fehlende Bescheidenheit! Die FB-Pinnwände von Werbern sind so voller Selbstlob, dass einem schlecht wird. Jede Eckfeldanzeige wird mit einem "Schaut mal wie geil ich/wir sind!" geposted. Bilder über Bilder, die die Kreativ-Teams in Capetown bei Drehpausen, begleitet von edlen Springbock-40€ Rotwein-Menüs, zeigen. Bilder und Posts vom Löwen-Gewinn. Natürlich standesgemäß mit leeren Schampus-Flaschen am Strand fotografiert. Auch immer wieder super: Präse beim Mittelstands-Kunden. Die Agentur sitzt durch die Bank in Drykorn-Hipster-Anzügen am Tisch, während sich der Kunde selbst in Von-der-Stange-C&A-Anzügen am Tisch versammelt.

Ergo: Wäre ich heute Kunde und würde mal auf den FB-Seiten meiner Agentur-Leute gehen (und das machen die, glauben sie mir) hätte ich auch so meine Zweifel, ob mein Geld wirklich nur in die Kampagne fließt oder nicht nur in das Ego manches Werbers. Damit sind auch GFs gemeint, die sich lauthals freuen, wenn die Jury-Sitzung vom Clio auf Hawaii stattfindet.

Schlussfolgerung: Vllt. sollten wir einfach mal erkennen, dass die 80er vorbei sind und Werbung keinen Glamour mehr verdient hat. Passt einfach nicht mehr in die Zeit und der Kunde wäre eher breit uns zu glauben, dass Texter+Arter am Dreh wirklich sinnvoll sind. Nur am Rande: In den USA habe ich die größten Texter-Stars getroffen. Das sind zum Teil dickbäuchige, Pick-Up-fahrende Oldies um die 45, die am Wochenende (nachdem sie mal wieder ´ne hammergeile Bud-Budweiser-Kampagne rausgehauen haben) ein Barbecue mit Familie und Freunden einem Werber-Ge***** vorziehen.

Anonym hat gesagt…

3. Selbstbetrug. "Wir haben drei geile Kampagnen zum Kunden geschleppt, leider hat der Kunde die vierte, langweilige genommen." Meine Erfahrung: Selbst alte Kreativ-Tiere, die schon so mache Hammer-Kampagne rausgezimmert haben, werden in der GF-Verantwortung zahnlos. Kreativ-Team stellt geiles, lustiges Konzept vor, alle schütteln sich vor Lachen und sagen "Geile Idee!", dann Ruhe, dann sagt jemand: "Echt super, können wir aber nicht machen! Damit gewinnen wir den Pitch nicht, heb´s mal für Gold auf!"

Ergo: Nein, wir präsentieren eben nicht IMMER die geilen, mutigen Kampagnen. Stimmt einfach nicht. Die GF geht vor lauter Angst den neuen Kunden nicht zu gewinnen oder den alten zu halten, in die kreative Duldungsstarre und deklariert den X-ten Vignetten-Zielgruppen-Film zur Mega-Kampagne!

Schlussfolgerung: Mehr Eier! Mehr Mut zu Scheitern! Gehört einfach dazu.

und 4. und 5. und 6. ergänze ich irgendwann dazu, wenn meine Erkältung vorbei ist.

LG Anonym

Zschaler hat gesagt…

@anon13:41: Puh, danke für den ausführlichen Kommentar. Mit einigen deiner Argumente hast du recht. Ich sehe mich bzw. unsere Agentur aber zu unrecht in der Kritik, keine Gegenvorschläge zu erarbeiten. Im Gegenteil. Deine Annahme, dass followfish ein Pro-Bono-Kunde sei, ist falsch. Gerade mit diesem Kunden haben wir ein Modell der Zukunft für eine faire Kunden-Agentur-Beziehung erarbeitet. Gerade bei followfish haben wir das von dir geforderten Risiko gezeigt (oder "Eier bewiesen"). Indem wir uns 2006 an einem Projekt beteiligt haben, bei dem der erfolgreiche Ausgang völlig ungewiss war. Wir haben an die Produktidee des Kunden geglaubt und unser Know-How, unser Personal und unsere Ideen in die Entwicklung einer ganz neuen Marke investiert. Dafür werden wir am Erfolg der Marke beteiligt. Erzähl mal einem der Top-10-Netzwerk-Agentur-Controller, dass du 3 oder 4 Jahre nix verdienst an einem Kunden, aber dafür evtl. ab Jahr 5. Er wird dich rauswerfen. In diesem Sinne: gute Besserung.

Anonym hat gesagt…

Hallo Herr Zschaler,

ich ziehe hiermit offiziell die Kritik wg. followfish zurück. ;O)

Und die Vorgehensweise halte ich ja auch durchaus für einen neuen, frischen Weg im Umgang mit Kunden. Und ja, Sie beweisen damit auch Eier. Und nochmal ja, dass man solche neue Wege gehen müsste.

Aber er dient eben nicht als Ideal-Beispiel um die jetzigen Probleme mit wirklich großen Kunden zu bewältigen. Und genau das sitzt der wirlich große Frust an breiter Front.

Sie werden mir wohl recht geben, dass weder Skoda, Mercedes, TUI, McDonald´s, Lufthansa oder Media Markt sich auf ein solches followfish-Experiment eingelassen hätten oder jemals werden.

Wir haben auch einen "kleinen" Kunden, der uns fast alle Freiheiten lässt, unglaublich höflich und nett ist, unseren Argumenten auch folgt, mit uns gemeinsam zum besten Ziel gelangen will, etc. kurz: ein Traumkunde. Aber wir verdienen mit diesem Kunden gerade soviel, dass pro Woche gerade zwei Wasserkisten extra drin sind.

Und das weiß unser Kunde, genauso wie ihr followfish-Kunde. Und daraus ergibt sich ein ganz anderes "Machtverhältnis", als wenn sie es mit einem Kunden zu tun haben, der sie ganz klar wissen lässt: "Wenn sie nicht das machen was wir wollen, dann gehen wir eben zur nächsten Agentur."

In sofern: Noch einmal Lob für das Zukunftsmodell followfish, aber es löst leider nicht "unsere" Probleme.

Und da bleibe ich dabei: Agenturen, Agentur-Leader, jeder Agnetur-Mitarbeiter und besonders der ADC müssen sich mal kritisch selbst hinterfragen, ob wir (wenn wir die anderen Umstände schon nicht ändern können) etwas AN UNS ändern müssen.

Und da sehe ich eben von NIEMANDEN den ersten Schritt. Es ist ja schön, dass sie mir (und ein paar Punkte fehlen ja noch, liefer ich nach, versprochen ;O) in meinen Kritikpunkten recht geben.

Aber ich will ja gar nicht recht bekommen, ich schreibe hier ja nicht nur um "Applaus" zu bekommen - ich schreibe hier, weil sie ja nicht irgendjemand in der Branche sind und ich dadurch erhoffe, dass vllt. endlich jemadn anfängt zusagen: "Wir haben auch Mist gebaut!"

Anonym hat gesagt…

Ach, was mir noch wichtig ist, dass sie nicht denken ich schreibe nur. Seit zwei Jahren arbeite ich als CD (davor als CD bei der "grünen" Agnetur) in einer Top 10-Agentur, die sich im Umbruch befindet.

Mein CD-Partner und ich haben gefühlt 10 interne Präsentationen mit konkreten Vorschlägen gehalten, die
aufzeigen, was man im Kleinen (BEI UNS, nicht beim Kunden) ändern könnte, damit unser Job wieder Spaß macht, damit junge Leute wieder sagen: "Ja, ich hab Bock auf Werbung!" und alle wieder mit Leidenschaft bei der Sache sind.

Leider ist das Ergebnis wie immer und wie in den Agenturen zuvor: Alle sagen "TOLL, wie ihr euch einbringt und ihr habt ja SO RECHT!" und dann wird der alte Stiefel leider weitergeritten.

Und genau dass will ich ändern, deshalb schreibe ich hier, denn (ohne eine Krise herbeireden zu wollen), wir Agenturen haben, zum Teil selbstgemachte Probleme, die wir schnellstens ändern müssen, sonst werden wir auch in Zukunft immer mehr von Großkunden mit den Ring in der Nase durch die Arena gezogen.

Und dafür ist mir das, was wir täglich tun und kreieren, was wir damit aulösen können zu wichtig als das es mir egal sein könnte.

Verstehen sie meine Posts einfach als leidenschaftliches Plädoyer eines festangstellten "Werbers", der bei allem Frust, immer noch das liebt was er tut. Und ein bisschen Angst davor hat, eines Tages ausfzustehen, alles hinzuschmeißen und zu sagen: "Gut! Dann mach ich eben als Freelancer Scheiß-Werbung und bin aber zum Glück um 18 Uhr raus und kann alles abrechnen."

Anonym hat gesagt…

Scheiß Erkältung! Aber, dass muss ich dann doch noch sagen, bevor ich mir wieder das Aspirin Complex reinhaue.

Leider sind sie meinen eigentlichen Kritik-Punkten ausgewichen. Sie haben mir zwar recht gegeben, aber das haben andere GFs, Head ofs, etc. auch schon gemacht.

Aber die Frage lautet: Sehen Sie sich da selbst auch in der berechtigten Kritik oder machen Sie alles viel besser als die anderen und es weiß nur niemand?

Bitte nicht schon wieder mit followfish kommen! Ich weiß, das ist ihr offensichtlicher Lieblingscase, erklärt aber nicht andere Arbeiten.

Ist nicht böse gemeint.


Anonym hat gesagt…

Der Marktforscher als „Bestatter von neuen Ideen“, als „der neue Feind der Werbung“, als ignoranter „Rundlutscher“?

- oder wie die Werber wieder mehr die Initiative ergreifen könnten

In meiner Eigenschaft als Marktforscher habe ich die Beiträge zum Verhältnis von Werbern und Markforschern mit dem größten Interesse gelesen und möchte, bevor ich zu hoffentlich konstruktiven Gedanken komme, zunächst mit drei Thesen doch auch noch etwas Öl ins Feuer gießen:

These Nr. 1
Es gibt nicht nur gute, es gibt leider auch schlechte Werbung.
Werbung, die so schlecht sein kann, dass man sich als Moderator kaum traut, die nächste Pappe zu präsentieren. (Wenn z.B. im Bereich der Pharmawerbung leitenden Ärzten, die durchweg wissenschaftlich orientiert sind, in einem Kampagnenvorschlag ein riesiger Hammer in Tablettenform präsentiert wird, der Viren zertrümmert und mit einem Text unterlegt ist, der von unhaltbaren Superlativen durchseucht, die befragten Ärzte zu Hohn und Spott anstachelt.)

These Nr.2
Es gibt nicht nur gute, sondern leider auch unmotivierte und inkompetente Mitarbeiter in Werbeagenturen.
Beispielsweise wenn an einem Tag im Studio der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin der Werbeagentur schon nach dem dritten einstündigen Interview gelangweilt und mit leerem Gesichtsausdruck dasitzt, obwohl noch fünf weitere Interviews folgen werden. - Interviews bei denen gute physische Kondition und scharfe analytische Kompetenz auch zu später Stunde gefragt sein werden.

These Nr. 3
Nicht nur der Marktforscher geht unsensibel mit den Werbern um, auch umgekehrt kann dies der Fall sein.
So z.B. wenn der Vertreter/die Vertreterin der Werbeagentur den Moderator in seiner fünfminütigen Pause zwischen zwei Gruppendiskussionen mit einer Vielzahl von Änderungswünschen zum Leitfaden überfällt oder wenn versucht wird, den Moderator hinter dem Rücken des gemeinsamen Endkunden zu umgarnen, um ein möglicherweise positiveres Ergebnis zu erzielen oder wenn - ganz praktisch - die gelieferten Präsentationsunterlagen viel zu groß oder viel zu klein oder anderweitig ungeeignet sind, um in der jeweiligen Interviewsituation gut präsentiert werden zu können … etc., etc. ….



Selbstkritik ist dennoch auch auf Seiten der Marktforschung unabdingbar

Grund zur gegenseitigen Klage besteht offensichtlich zur Genüge. Dennoch ist die hier bereits angemahnte Selbstkritik auch auf Seiten der Marktforschung mehr als angebracht, weil Marktforscher
- häufig zu wenig Kompetenz und zu wenig Gespür in Gestaltungs- und Textfragen mitbringen,
- nicht immer die richtige Zielgruppe rekrutieren,
- teilweise Befragte mit viel zu langen und redundanten Leitfäden geradezu „totinterviewen“
- sich manchmal als Zuchtmeister der Kreativen aufspielen ohne sich auch nur ansatzweise in deren Lage hinein versetzen zu können und ohne den nötigen Respekt vor der von den Kreativen geleisteten Arbeit zu zeigen. (Dieser Punkt gilt im Übrigen nicht nur in Bezug auf das Verhältnis von Marktforschern und Werbern, sondern auch in Bezug auf das Verhältnis von Marktforschern und Produktdesignern.)

Fortsetzung folgt

Anonym hat gesagt…

Was ist nun in dieser Situation zu tun? Die Marktforschung abschaffen?

Dieser Hoffnung sollte sich kein Werber hingeben, zu global sind inzwischen die Waren- und Kommunikationsströme, zu groß die Investitionen in Entwicklung und Produktion als dass sich ein Marketingvorstand noch schlicht auf das berühmte „Bauchgefühl“ verlassen könnte.

Was bleibt, ist ein gegenseitiges Aufeinanderzugehen. Wobei es, wenn man die Lage nüchtern betrachtet, auch in Zukunft von der Kompetenz und dem guten Willen einzelner Markforscher abhängig sein wird, inwieweit man sich von dort aus auf die Werbung zu bewegt. Ein Marktforscher, der nicht geschult ist in Symbolanalyse, der kein Verständnis für Figur-Grundverhältnisse hat oder der der Wahl der Schrift und des Schriftschnittes nur untergeordnete Bedeutung beimisst, wird auch in Zukunft kaum weiter auf die Werber zugehen können.

Anders sieht es dagegen von Seiten der Werbung aus. Hier kann man gezielt versuchen, mehr Einfluss auf die Planung und Durchführung eines Marktforschungsprojektes zu erlangen.



Die Werbung muss selbst wieder die Initiative ergreifen!

Kein Werber muss sich angesichts eines anstehenden Marktforschungsprojektes wie das Kaninchen vor der Schlange fühlen. Es gibt zahllose Möglichkeiten, positiven Einfluss auf das Forschungsdesign und den konkreten Ablauf eines Projektes zu nehmen:
- Man kann sich z.B. rechtzeitig darum bemühen, bei der Erstellung des Leitfadens für qualitative Projekte mitzuwirken.
- Man kann sich darum kümmern, dass die statistischen Auswertungsmethoden schon im Vorfeld eines quantitativen Projektes vom Marktforschungsinstitut offen gelegt werden.
- Man kann bei qualitativen Projekten im Rahmen des obligatorischen Moderatorenbriefings seine Gedanken und Ideen einbringen.
- Man kann während der laufenden Marktforschung darauf achten, dass alle Konzepte wirklich vergleichbar präsentiert werden.
- Man kann – um etwas ganz Praktisches zu nennen – dafür Sorge tragen, dass die Präsentationsvorlagen auch nach dem sie an zwei Studiotagen durch zahllose Hände gegangen sind, noch ansehnlich wirken, indem man schlicht einen neuen Satz von Unterlagen zur Verfügung stellt.
- Man kann beim abendlichen/nächtlichen Debriefing seinen persönlichen Eindruck formulieren und darf dabei in einem gewissen Rahmen durchaus auch parteiisch sein.

Dies sind nur einige wenige Vorschläge, wie von Seiten der Werbung ein Marktforschungsprojekt aktiver mitgestaltet werden kann.

Wichtig ist dabei, dass man als Werbeagentur in allen entscheidenden Phasen des workflows eines solchen Projektes mit dabei ist. Denn wenn später das Kind in den Brunnen gefallen sein sollte, gibt es keine zweite Instanz mehr. Marktforschungsanalysen sind nicht justiziabel. Eine Anfechtung des „Urteils“ lässt den Kläger allenfalls als schlechten Verlierer dastehen.

Die Marktforschung - und das sei abschließend gesagt - ist in aller Regel offen auch und gerade für engagierte und kompetente Beiträge, die von außen kommen. Sie muss nicht als undurchschaubarer, jede gute Idee aufsaugender, gefährlicher Sumpf aufgefasst werden und hat – so meine ich durchaus ebenfalls parteiisch – dies auch nicht (immer) verdient.


A.V.


Zschaler hat gesagt…

@anon11:03/11:25/11:40h:

Es muss eine hartnäckige Erkältung sein, die dich da plagt. So viel Text. Ich habe darin leider etwas das Verständnis verloren, worum es dir eigentlich geht.

Mangelnde Selbstkritik bei Agenturchefs? Wie schon erwähnt, in diesem Blog sind sehr viele Beiträge, die sich mit unseren Fehlern beschäftigen. Und teilweise Gegenmodelle aufzeigen. Wenn du nächste Woche noch krank bist und Zeit hast, lies dir es mal durch.

Und nochmal: followfish ist kein kleiner Kunde, sondermn ein Investment von Ideen, das wir auf eigenes Risiko getätig haben. Und wo wir an jeder Packung, die verkauft wird, beteiligt sind. Das ist etwas anderes als ein kleiner Kunde für ein paar nette Ideen.

Es ist klar, dass auf großen etablierten Kunden solche Modelle nicht oder nur schwer möglich sind.

Aber auf großen Kunden ist es trotzdem möglich, seine Haltung zu bewahren und sein Verständnis von guter und wirksamer Kreation zu vertreten.

Und mit meinen Erlebnissen der letzten 2 Jahre kann ich dir mitteilen, dass solche Modelle und Projekte wie followfish selbst solche große Kunden attraktiv finden.

Denn du trittst nicht mehr nur als Kreativbutze auf, sondern als jemand, der Unternehmens- und Markenideen schaffen und durchsetzen kann.

Und so kommt die Augenhöhe plötzlich zurück, die du so sehr zu vermissen scheinst.

Zschaler hat gesagt…

@A.V. (anon16:58/17:00):

Es bedarf keiner Diskussion, dass es auch in Werbeagenturen unendlich viele Ignoranten und Pappnasen gibt, die sich nicht für die Sache interessieren oder keine wirkliche Ahnung haben.

Und es gibt auf der anderen Seite wirklich kompetente und profunde Marktforscher, die ein Gespür für gute Kreation haben und durchaus wissen, wo die Mafo an ihre Grenzen kommt. Leute, die versuchen,gute Ideen trotz mäßigen Umfrage-Ergebnissen weiter voran zu treiben. Letztere sind allerdings sehr sehr selten.

Aber der Alltag sieht nun mal anders aus.

Der Alltag zeigt Marketingverantwortliche, die sich durch Marktforschung absichern (cover my as) wollen. Oder müssen. Und da die Zeiten immer härter, die Budgets immer knapper und die Arbeitsplätze immer weniger werden, boomt Marktforschung.

Wo etwas boomt, kann es schnell zu ganz viel durchschnittlicher Massenware kommen. Und wenn Termine eng sind, zu sehr vielen Ungenauigkeiten.

Ganz besonders bei der Rekrutierung von Probanden (mit "d" – ich hab es endlich kapiert).

Anders gesagt: es wird häufig darüber hinweg gesehen, dass die Befragten nicht der eigentlichen Zielgruppe entsprechen.

Wen ich da hinter der Glasscheibe schon alles sehen durfte, der nicht der ZG entsprach, aber mit "ist doch egal, Hauptsache wir bekommen mal ein erstes Gefühl..." trotzdem für geeignet erklärt wurde.

Diese Ungenauigkeiten führen dann zu besagtem Rundlutschen. Oder gar dem Tod von innovativen Produkt- oder Kampagnenideen.

Und wenn Marktforscher dann auch noch Empfehlungen aussprechen, wie die Werbung aus ihrer Erfahrung aussehen müsste, damit sie erfolgreich ist, hast du 90% der Durchschnitts-Werbesoße, die sich täglich zäh über uns ergießt.

Man darf nicht vergessen: Marktforschung ist ein verdammt lukratives Business. Und die Margen treiben jedem Kreativagenturchef die Tränen in die Augen.

Fakt ist und bleibt: Innovationen haben es in der Mafo verdammt schwer. Denn sie brechen mit bekannter Routine. Und Unbekanntes erzeugt meistens erst mal negatives Feedback.

Zu oft schon erlebt.

Anonym hat gesagt…

Es ist absolut richtig, dass die Marktforschung von Marketingverantwortlichen als Absicherung genutzt wird – aber ist das per se so verwerflich?

Die Marktforschung (als leider nur noch entfernte Verwandte der Wissenschaft – aber immerhin) versucht ja gerade, das allseits geschätzte „Bauchgefühl“ durch rationale Analyse- und Entscheidungsprozesse zu ersetzen. Das ist ihre Stärke und ihre Schwäche zugleich. Marktforschung hat deshalb auch nur eine begrenzte Reichweite – aber der berühmte Instinkt, das Bauchgefühl oder der viel beschworene richtige Riecher haben eben auch nur eine begrenzte Reichweite.
Methodisch sauber eingesetzt, kann die Marktforschung im Rahmen ihrer Reichweite deshalb sehr wohl den Anspruch erheben, der Absicherung von Marketingentscheidungen sinnvoll zu dienen.

Problematisch – und das muss ich einfach eingestehen – wird es immer dann, wenn die Marktforschung ihre eigenen, ursprünglich wissenschaftlichen Regeln und Methoden entweder nicht (mehr) beherrscht oder absichtlich verletzt. Dann treffen wir z.B. auf eine mangelhafte Definition der Forschungsfragestellung, schlampige Rekrutierung, die Anwendung dubioser Analysemethoden – oder noch schlimmer auf all das zusammen.

Dennoch möchte ich noch einmal dafür werben, über die zweifellos bestehenden Schwächen heutiger Marktforschung ihre Stärken nicht zu vergessen. Darüber hinaus gibt es meiner Erfahrung nach für die Werbung zahlreiche Erfolg versprechende Möglichkeiten, sich an einem Marktforschungsprojekt aktiv und konstruktiv zu beteiligen (einige davon hatte ich ja in meinem ersten Beitrag kurz skizziert).

A.V.

(Da die Diskussion hier ausgesprochen interessant ist, bin ich gern einmal bereit, auch in einem persönlichen Gespräch mit Kreativen - gewissermaßen am „runden Tisch“ - Rede und Antwort zu stehen zu den Möglichkeiten der Verbesserung des derzeit in der Tat häufig problematischen Verhältnisses von Werbung und Marktforschung.)

Zschaler hat gesagt…

@A.V.: Warum nicht? Mal abklären, ob das passt. Melde dich unter szs@ldhh.de

Anonym hat gesagt…

Das mache ich gern!

A.V.

Anonym hat gesagt…

Sehr geehrter Herr Zschaler,

leider reagieren Sie, wie viele GFs/Agentur-Leader, wenn Kritik an der aktullen Situation der deutschen Werbe-Landschaft aufkommt:

Man kramt irgendeinen kreativ und/oder wirtschaftlich erfolgreichen Einzel-Case aus der Schublade und sagt dann fast trotzig: "Sehr her! Geht doch! Ist doch alles halb so wild!"

Ich konstatiere Ihnen hiermit gern noch einmal: followfish ist von A-Z ein wirklich tolles Projekt, das allen Lob vedient.

ABER: Ich bleibe dabei, es ist kein Zukunftsmodell, dass unsere Probleme mit großen, etablierten Marken löst.

Sie glauben ja wohl nicht ernsthaft, dass Marken wie Skoda, TUI, Lufthansa, McDonalds, Media Markt, Mercedes sich auf ein solche Modell einlassen würden, oder?

Aber genau hier sitzt der Tagesgeschäfts-Frust, warum wir ein Nachwuchsproblem haben, gute Leute ins Freelancertum abwandern und nur noch austauschbare Kreation entsteht, die fast alle Agenturen verzweifelt auf Goldideen springen lassen.

Lesen Sie doch bitte einmal ganz genau, die Kommentare auf ihrem Blog. Jeder zweite Beitrag bemängelt genau das. Oder gehen Sie doch mal mit ihren Leuten in Mittag und fragen mal genau nach, wie es ihnen in ihrem Job geht.

Es dürfte Sie kaum überraschen (kleine Hamburger Werbewelt eben), dass auch ich viele Leute kenne, die bei Legas Hamburg arbeiten oder gearbeitet haben. Und ich kann Ihnen eines sagen: Der "followfish"-Case macht vllt. 5 Leute halbwegs glücklich. Der Rest ist gedanklich schon in einer anderen Agentur, zieht sein Nine-to-Five-Ding durch oder plant schon den Weg ins Freelancertum.

Wenn es Sie tröstet: Ist bei uns auch nicht anders.

Und jetzt gibt es zwei Möglichkeiten:

1. Die Schuld überall woanders zu suchen, was im Moment durch die Bank geschieht.

Selbst Agentur-Leute (siehe Kommentare auf das aktuelle A. Kassei-Interview) scheinen unfähig sich mal selbst zu kritisieren.

Es ist der Kunde, die Krise, die bösen Verlage, die Mafo, etc. Aber es sind nie die Agenturen selbst.

Oooder 2. Sich endlich an die eigene Nase fassen, sich mal selbst zu reflektieren und zu sagen: "Mann, wir tragen ganz schön dazu bei, dass es gerade so Kacke ist!"

Daraus resultierend die ganz einfache Frage: "Was können wir bei uns ändern, damit es besser wird?"

Das war und ist Kern meiner Kritik an Ihnen und den anderen.