Samstag, 6. Oktober 2012

Abstinenz ist nicht der beste Weg.

Es ist kein Goldideen Zirkus mehr, es ist ein Jahrmarkt. Verkündet jetzt im Wochenrythmus ein großer Ranking-Player nach dem anderen, dass er sich eine Pause gönnt?

"Wir haben nichts gegen Wettbewerbe, wohl aber gegen deren Auswüchse", verkündet der wachhabende Kreativchef von S+F diese Woche.

Es ist sicher unbestritten, dass gerade die großen Kreativschiffe den Goldideen-Wahnsinn im Kampf um die vorderster Ränge jahrelang befeuert haben.

In Zeiten sinkender Margen und immer stärker werdenden Procurement-Chefs wird natürlich auch ein sechs- (oder gar sieben-) stelliges Award-Investment extrem kritisch beobachtet.

Da geht einer Agentur so richtig Profit flöten.

Abstinenz ist deshalb ein möglicher Aktionsplan, bestraft aber leider die falschen. 

Sie bestraft die wenigen Wettbewerbe, die es wert sind, weiter beschickt zu werden – um sie damit nicht zuletzt in ihrem Bestreben zu unterstützen, ehrliche Arbeit zu fördern und zu belohnen.

Sie bestraft die Mitarbeiter, die ehrliche goldträchtige Arbeit abliefern.

Der bessere weil vorbildhaftere Weg wäre, einfach nur noch ehrliche Arbeit einzuschicken.

Da sehen die großen Ranking-Helden nur ein Dilemma:

Sie können nicht mehr so nötige Masse an Goldideen wie in der Vergangenheit einschicken, um momentan im Ranking noch vorne zu stehen und laufen Gefahr, weit abgeschlagen auf den hinteren Rängen zu landen. 

Was wiederum negative Schlagzeilen verursacht:

X+Y weit abgeschlagen auf Platz 17. 

Einstiger Rankingstar stürzt ab.

Weil leider keiner schreibt:

Mit ehrlichen Ideen Platz 17 geschafft.

Deshalb wählt man lieber die Abstinenz und vermarktet sie großformatig. Mit dem netten Nebeneffekt, dass man in einem oder zwei Jahren wieder – ggf. voller Fakeslust – einsteigen kann.

Einen Vorteil haben die bekennenden Groß-Abstinenzler aber in jedem Fall: es kommt der längst fällige Druck in die Diskussion.






9 Kommentare:

Hans-Joachim Berndt hat gesagt…

Durchschaut die Bande. seit Jahren dasselbe Spiel. JvM, KT, S+F, und wie sie alle heissen.... Wie Recht Du wieder hast ! Deshalb macht Ihr + KR ja auch noch so gute Arbeit.

Anonym hat gesagt…

Fakes wird es immer geben. Aber die Reduktionen auf wenige, relevante Award Shows macht absolut Sinn. Das Absurdeste an der ganzen Geschichte: Agenturen werden von Festivals veklagt (Vorwurf der Absprache), wenn sie kollektiv nicht mehr einsenden. Wie könnte man das deiner Meinung nach umgehen bzw. verhindern?

Anonym hat gesagt…

Ich finde es eine schwere Grenze zwischen Fake und echte Ideen zu ziehen. Wann ist es Fake? Ist es schon Fake wenn eine Anzeige nirgends zu sehen ist, aber für einen eigenen Kunden gemacht wird? Spontan fallen mir hier followfish-Anzeigen ein und diese Blätter-Geschichte.

Meiner Ansicht nach ist das genau so Fake wie für den Friseur ums Eck, der ein Kommunikationsproblem hat, eine Goldidee zu schalten. Denn, wenn wir ehrlich sind, hat beides mit Relevanz und tatsächlicher Sichtbarkeit nichts zu tun.

Ralf Zilligen hat gesagt…

Statt über Fakes, Abstinenz und Rankings zu reden und streiten - was beides gleichermassen destruktiv und für unsere Arbeit unergiebig ist - wären Agenturen gute beraten, ihre Energie in die Sinngebung ihres Nachwuchses zu stecken. Solange junge Kreative den Sinn ihres Berufes eher in Meriten und Publizität sehen, werden sie zwar ihrem Portfolio (und der Reputation ihrer Agentur), aber keinem ihrem Kunden wirklich helfen. In Tateinheit mit Marketingverantwortlichen, die ebenfalls den Sinn ihrer Tätigkeit eher in der Selbstvermarktung (da helfen gewonnene Awards) sehen, führt das zu immer schlechter werdender realer Marketingkommunikation. Der Glaubwürdigkeitsverlust von Agenturkreativen und von Marketingleuten ist nur logische Konsequenz. Der Messias wird zunehmend im Vertrieb gesucht. Das Ergebnis wird immer häufiger der digitale Schweinebauch sein.

Zschaler hat gesagt…

@anon11:04h: Das Kriterium für eine echte Idee war noch nie omnipräsente Sichtbarkeit. Eine 1 x Schaltung kann durchaus schon reichen. Und auch Sinn machen (die so gern zitierte Fachanzeige zu einem bestimmten Event). Das Kriterium für eine echte Idee ist ein Auftrag/Briefing. Eine Unternehmung/Marke (ganz gleich ob Profit oder Nonprofit) will mit Kommunikation etwas bewirken und sucht sich dafür einen Partner. followfish oder PFTP sind vielleicht keine Kunden im herkömmlichen Sinn, aber es sind Kunden, die wir seit Jahren betreuen und für die wir Kampagnen entwickeln, um Ziele zu erreichen. Und um Geld damit zu verdienen (followfish). Fakes sind für mich, ganz profan formuliert, all die Ideen, zuerst entstehen, und dann sucht man sich einen Kunden dafür. Und bezahlt die Schaltung auch noch selbst.

Zschaler hat gesagt…

@Ralf: Der Nachwuchs orientiert sich immer an den Profis. Das ist beim Fussball so (Netzer? Overath? Beckenbauer? Pélé? Ente Lippens?). Hattest du nicht auch ein Idol? Das ist auch in der Kommunikation so. Wettbewerbe setzen in der Kommunikation nun mal die kreative Messlatte. Und das darf auch so bleiben. Doch wenn diese Messlatte immer häufiger falsch angelegt wird (durch Fakes), wird auch der Nachwuchs versaut. Deshalb lohnt die Diskussion. Ich gebe dir aber völlig recht, dass man die Ausbildung von kreativem Nachwuchs noch viel mehr in den Fokus rücken sollte, als wir alle das bisher tun. Das Nachwuchsproblem ist inzwischen eklatant.

Tim hat gesagt…

Ich habe das mit diesem Awardwahn ja noch nie so richtig verstanden. Für mich ist der Job des Werbers ziemlich einfach definiert: Dem Kunden helfen Paletten vom Hof zu schaffen – und zwar mit allen Mitteln. Wenn man das schafft, ist das doch ein tolles Gefühl. Wenn man dafür einen Preis bekommt ist das noch toller. Aber diese Awardhurerei scheint mir manchmal tatsächlich auch Ausdruck eines völlig missverstandenen Berufsbildes zu sein. Mit den Awards und der daraus resultierenden Öffentlichkeit scheint mir so manch ein Werber sein Selbstwertgefühl aufzubessern. Nur leider sind Awards eben das Crack der Werbung. Sie machen dich kurzfristig high, aber langfristig völlig kaputt.

Anonym hat gesagt…

Solange die Agenturen gesammelte Awards als Voraussetzung oder als Entscheidungskriterium für Neueinstellungen nehmen, sollten sie sich nicht darüber beschweren, dass Kreative Awards gewinnen wollen.

Anonym hat gesagt…

sei doch froh. dann gewinnt ihr auch mal was...