Montag, 8. August 2011

Werber? Kreativer? Künstler?

Es gibt viele kreative Köpfe in der Werbung, die in ein anderes Fach streben. In die Fotografie. In die Regie. Und neuerdings auch wieder in die Kunst.

Ich habe „Die Badende“ in der Hamburger Alster nur aus der Ferne Amerikas mitbekommen, aber man las nicht mehr über den Werber Oliver Voss, sondern über den Künstler.

Wenn es sich live so spektakulär dargestellt hat, wie es sich in der Presse liest, kann man Oli nur dazu gratulieren, was er da ins Wasser gelassen hat.

Als ich vergangene Woche mit meiner 14jährigen Tochter durch das Museum of Modern Art schlenderte, fragte sie mich nach ein paar Werken, deren Sinn ihr nicht erkennbar schien:

Wann ist Kunst eigentlich Kunst?

Ich habe versucht, es ihr so zu 
erklären: Kunst ist das Werk von einem oder mehreren Menschen. Es wurde erschaffen, um etwas auszudrücken.

Ohne Auftrag. Aus sich selbst heraus.

Wenn mehrere Menschen sich dafür interessieren oder es gar kaufen wollen, oder wenn Galerien darauf anspringen, dann ist es Kunst.

Zu dieser Ansicht kann man ganz anderer Meinung sein. Und auch das gehört zur Kunst: Polarisierung. Unverständnis. Erfolglosigkeit.

Einer, der sich intensiv mit Werbung und Kunst auseinander gesetzt hat, ist Michael Schirner, ehemals Creative Director der Agentur GGK (so etwas wie der ideelle und spirituelle Vorlagengeber von Springer & Jacoby). Heute ist er Künstler und Kommunikationsdesigner. Wurde früher auch gerne Werbepapst oder der „Beuys der Werbung“ genannt.

"Werbung ist Kunst" hieß sein damals viel diskutiertes Buch.

Laut Wikipedia ist gute Kunst für Schirner solche, die für jeden nachvollziehbar, bis ins letzte Detail logisch klar ist und nur eins braucht: die jeweils richtige ästhetische Methode.

Das ist für einen, der aus der Kommunikation kommt und gelernt hat, klare Botschaften zu versenden, eine ganz natürliche Haltung.

Ich würde mich dieser Meinung tendenziell anschließen, obgleich es immer wieder unklare künstlerische Werke gibt, die einen ästhetisch oder visuell in den Bann ziehen.

Art serving Capitalism. So lautet die Philosophie der Agentur Goodby Silverstein.

Sie behaupten: Art combinded with business is bigger art. Business combined with art is bigger business.

Für den idealistisch eingestellten freien Künstler ist so eine Aussage allerdings der Beginn des Teufelskreises. Wer von der Kunst leben will, muss sie "verkaufen" bzw. so machen, dass sie einen Markt findet. Oder darben.

In den New Yorker Musseen dieser Tage sieht man die „alte“ Kunst (die Miros, Picassos, Ernsts, Kandinskys, Giacomettis, etc.) meistens als Bilder und Bildhauereien.

Die „neue“ Kunst besteht aus räumlichen oder medialen Installation – und könnte in vielen Fällen auch eine Markenbotschaft sein. (Die eingefleischten Goldideen-Jäger dieser Welt kriegen das bestimmt hin, wenn man ihnen freie Markenwahl lässt).

Im Guggenheim Museum hat der deutsche Künstler Hans-Peter Feldmann für seine Werke 2010 einen mit 100.000 Dollar dotierten Preis erhalten – gesponsert von einer Marke namens Hugo Boss.

Diese 100.000 Dollar hat er sich in 1-Dollar-Noten „auszahlen“ lassen und damit einen ganzen Raum „tapeziert“.

Bis in den letzten Winkel hängen in einem seitlichen Raum des Museums, fein säuberlich mit kleinen Pins aufgehängt, eben jene 1-Dollar-Noten. An Wänden und Säulen. Die Aktion wurde vorher mathematisch genau berechnet, so das kein Stückchen weisse Wand sichtbar ist.

Diese Kommunikation im Raum ist einfach überwältigend schlicht.

Was der Künstler damit kommunizieren will? Guggenheim erklärt es.

Der Unterschied zwischen freien Künstlern und Werbern ist der Auftrag. Weshalb Werber von Kunden auch gerne mal „Auftragskünstler“ genannt werden.

„Die Badende“ in Hamburg hat den Auftrag, eine Kosmetikfirma, die die Installation sponsert, ins Gespräch zu bringen. Ob zuerst das Objekt oder der Auftrag zuerst da war, spielt keine Rolle. Auf jeden Fall steht der Sponsor Soap & Glory in der Presse. Ziel erreicht.

Werber sind Kreative, die es verstehen, auf ungewohnte und effektvolle Weise Aufmerksamkeit und Botschaft miteinander verbinden.

Was alle vereint: der Glaube an die Idee und an deren Umsetzbarkeit.

Und der Wille, es auch durchzusetzen.

Wer sich dann Künstler nennen will, soll es meinetwegen tun.

Ich bin und bleibe überzeugter Werbefuzzi.

















100.000 Dollar in 1-Dollar-Noten. Von Hans-Peter Feldmann. Guggenheim Museum New York. Fotografieren war nicht erlaubt.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich hatte den Eindruck, die Stdt Hamburg und Olli Voss haben dabei mehr Bekanntheit erreicht als S+G. Irre ich mich da? Reinhold

Zschaler hat gesagt…

War das nicht eher der "Deckmantel". Zu zeigen, "wie kreativ" Hamburg ist?

Anonym hat gesagt…

Lieber Stefan, dass es Kunst ist, wenn es ohne Auftrag durch den Künstler erschaffen wurde, ist ein Trugschluss. Viele Künstler konnte gerade in früheren Zeiten nur dadurch überleben, dass sie im Auftrag der Aristokratie gemalt haben. Die Frage wäre vielleicht, ob die Botschaft, die sie in ihr Werk haben einfließen lassen, einen verkaufenden Zweck hatte. Doch die Klärung des Kunstbegriffs übersteigt sicherlich den Umfang und Sinn diese Blogs - sowie mein Wissen.

Ich glaube jedoch, dass der kreative Prozess (das Ausdenken), ob Werbung oder "Kunst" Gemeinsamkeiten hat und Werbung auch immer das Abbild einer Gesellschaft ist. Daher kann man sich auch den Werbefuzzi unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachten.

Nate hat gesagt…

Kunst liegt auch immer im Auge des (vielleicht auch geschulten) Betrachters.

Als der echte Beuys eine Installation auf der documenta hatte, wurde diese pflichtbewusst von einer Putzfrau entsorgt. Sie hatte es für Müll gehalten.

Insofern entdecken wir hier durchaus eine Parallele zwischen Werbung und Kunst. Wobei man wohl ehrlicherweise sagen kann, dass
-in den meisten Fällen- das Pendel bei Ersterem stark gen Unrat schwingt.

milchsaeure hat gesagt…

Leute, das Thema ist mindestens genauso alt wie Michael Schirner. Von mir aus ist es Kunst. Aber es ist ebenso auch Werbung (und wer das anzweifelt, kann sich ja mal im nächsten Jahr die ADC, NYF, LIAA, Clio, DAD oder Cannes Einreichungen von Olli anschauen) und zu Werbung gehören Schaltkosten. Unter dem Deckmantel der Kunst sind hier lediglich ein paar 10.000 Euro Alstermiete dem Stadtsäckel und damit den Hamburger Bürgern vorenthalten worden. Weswegen wir das Ding auch beim Effie wiedersehen werden.

milchsaeure hat gesagt…

Kleiner Nachtrag noch zum Thema. Auf der deutschen Internet-Seite von Soap & Glory steht doch tatsächlich folgendes geschrieben:

"Zurückhaltend, gesittet, Dezent…
Lern die Badende kennen
Finde heraus, wieso wir ganz Deuschland einseifen"

Und nach dem Klick:
"Soap & Glorys Geschenk für Deutschland. Danke dafür, dass Ihr unsere Witze versteht."

Vielen Dank nochmal fürs eingeseift werden, Herr Künstler! Wie wär's denn mit einem echten Geschenk für Hamburg, einer Spende an die Tafel, Hinz & Kunzt oder die Arche zum Beispiel. Aber das kann man ja so schlecht einreichen....