Seit einer Woche gucke ich abends regelmäßig eine Stunde Fernsehen. Mir ist bestimmt nicht langweiliger als sonst. Wenn ich aber schon mal in Amerika bin, interessiert mich natürlich, was bei den Meistern des TV-Werbefaches so im täglichen Commercial-Leben abläuft.
Meine Erwartung: Der gewöhnliche amerikanische Block zeigt ein höheres kreatives Niveau als der deutsche. Schließlich sind die vielen Gewinnerwerke des jahrelangen Cannes-Ranking-Leaders USA echte Auftragsarbeiten.
Ich kann sagen, die Qualität ist höher als bei uns. Nur auf eine andere Weise als von mir gedacht. Und keinesfalls so, dass man als deutscher Kreativer depressiv nach Hause fahren muss.
Was mir zugleich angenehm auffiel (bzw. meiner Tochter), ist die Kürze der Werbeunterbrechungen. Hier hat man verstanden, dass eine gestreckte Werbesoße die Menschen quält – und für die gesamte Werbewirkung kontraproduktiv ist.
Auch die Programmtrailer der Sender haben nicht dieses jegliche Sehfreude vernichtende SAT.1-Längen- und Penetrationsniveau.
In den Blocks fällt weiter auf, dass sehr viel mehr Hardselling betrieben wird als bei uns. 75% der Spots sind Preis- oder Promotion-Angebote.
Da fragt man sich natürlich schon, wo nun all die souveränen und kreativen Markenspots geblieben sind, die man von den vielen Award- und Archiv-Rollen so kennt? Bin ich im gänzlich falschen Testzeitraum angereist?
Um es kurz zu machen, am nachdrücklichsten beeindruckt die vorherrschende strategische Qualität.
Sehr viele Spots, selbst viele Preis- und Promotion-Werke, sind spitz und kreativ in der Botschaftsführung.
Die Aussagen sind klarer und präziser als das bei uns der Fall ist. Die Marken trauen sich mehr, auf eine Nische oder auf einen ganz bestimmten strategischen Punkt zu setzen.
Fazit: Botschafts-Fokussierung. Und Botschafts-Kreativität. Das kann man hier im täglichen Alltag bewundern.
Wer damit beschäftigt ist, weiß, wie schwer schon allein das bei uns durchzusetzen ist.
Dieser NIke-Spot fiel in meinem Erhebungszeitraum kreativ am ehesten ins Auge. Sicher kein Award. Aber gefällig gemacht. Und er fällt raus. Zumindest habe ich mir den Spot gemerkt, als ich beim Schreiben dieses Beitrages darüber nachgedacht habe, welche Filme eigentlich in meiner Erinnerung geblieben sind.
5 Kommentare:
Noch schöner als Werbung im US amerikanischen TV sind die Anzeigen in den Inflight Magazinen an Bord inneramerikanischer Flüge. Wie und für was dort geworben wird (Luxushundehütten, Schlankheitsbettlaken, dekorative Gartenartikel im Toscanastyle - grusel-) ist einzigartig. Lieber Stefan, wenn Du Inland USA fliegst: bitte einstecken und auf den blog stellen, nur so aus Spaß (und als abschreckendes Beispiel).
in america it´s all about #Bacon
Hier in D. geht´s um´s METT!
https://www.facebook.com/JungvonMett
Grüß Dich Stefan. Irgendwo her kennen wir uns...? Von MC&LB? Keine Ahnung...think about...
Als ich damals, 1990, bei J. Walter Thompson anfing, habe ich mich gleich zu Beginn mit den amerikanischen Wurzeln der Agentur beschäftigt - und deren Konkurrenten David Ogilvy gelesen: "Bekenntnisse eines Werbemannes". Ich habe mich während meiner vielen Reisen in die USA, insbesondere nach New York, hautnah immer wieder mit dem beschäftigt, was die Amis in puncto Reklame so auf die Beine stellen. Hinzu kommt, dass einer meine Agenturpartner Amerikaner ist und die Kultur seiner Landsleute in nahezu allen Facetten verkörpert. Um es kurz zu machen: ja, die Amerikaner können gut positionieren, sie können Storytelling, sie können Packshot und sie können laut und plakativ. Subtilität und hintergründig intelligente Ideen habe ich bis heute eher selten wahrgenommen. Aber da bist Du aufgrund Deiner aktuellen Reise, zu der ich Euch noch viel Spaß wünsche, momentan näher dran. Wenn Du Lust hast, schau mal auf meinen Blog, der erst seit wenigen Wochen online ist: http://diaryofclash.de. Herzlichst von Kollege zu Kollege, Jochen
Einer meiner Ausbilder hat mal gesagt, dass ich nie Werbung machen könne, wenn ich mich mit der Werbung der Konkurrenz nicht beschäftige.
Als die ersten Vorschläge eintrudelten, fragte er, wie das möglich sei. Die Antwort: Wenn du zuviel von den anderen lernst, wirst du gleich und immer gleicher; außerdem: wenn jeder dasselbe lernt, schwinden die Unterschiede.
Plötzlich hat er meine unkonventionelle Art verstanden und den Unterschied zu den Studierten, die sonst so in seiner Agentur rumdenken.
@anon01:39: Diese Philosophie ist völliger Quatsch. Das kann man sich im Studium vielleicht schön reden, im Job kannst du dir das schlichtweg nicht leisten. Wenn du nicht weisst, was andere machen, läufst du Gefahr, etwas vorzustellen, was kreativ längst ein alter Hut ist oder gar die Konkurrenz schon gemacht hat. Und du weisst auch nicht, wo die kreative Latte hängt. Im Gegenteil, je mehr du kennst, desto besser kannst du aussteuern, was wirklich och anders ist.
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