Bald gibt es mehr Creative Directoren als Texter, Art Directoren oder Designer.
Im Zuge des aufkommenden kreativen Fachkräftemangels sind viele Agenturen dazu übergegangen, bereits halbwegs talentierten Mitarbeitern den Titel Creative Director zu verleihen. Selbst wenn Erfahrung, Kompetenz und Erfolgsquote diesen Titel noch nicht rechtfertigen.
Die Angst, im eng gewordenen Talente-Markt so schnell keinen geeigneten Ersatz zu finden, macht viele Agenturführer bei der Titelvergabe willenlos.
Natürlich gibt es Kreative, die früher als andere in der Lage sind, diesen Titel auszufüllen. Irgendwann muss man schließlich mal damit anfangen.
Aber der vielversprechend klingende Status eines „Directors“ scheint vielen den Blick zu verstellen, was für Aufgaben mit dem Posten eigentlich verbunden sind.
Ein gestandener Creative Director ist nicht nur selbst konzeptionell tätig (und holt ggf. die Kohlen aus dem Feuer, wenn seine Teams nichts Verwertbares im Köcher haben), sondern er motiviert und lenkt seine Mitarbeiter, damit sie Konzepte entwickeln, die das Briefing stemmen oder einen
Pitch gewinnen.
Ein Creative Director muss unternehmerisch denken und sich in die Lage des Kunden versetzen können. Unternehmer denken mitunter anders als Angestellte.
Ein guter Creative Director hat diverse Filmproduktionen sowie Funk- und Fotoproduktionen – und mittlerweile auch Online-Produktionen – betreut, begleitet und beim Kunden durchgesetzt.
Er kann Präsentationen schreiben (oder weiß, wer sie ihm schreiben kann).
Er kann diese Präsentation halten und den Kunden überzeugen, dass die präsentierte Idee die richtige ist.
Ein Creative Director setzt sich gerne mit dem Planning zusammen und bespricht strategischen Ideen und Konzepten oder holt sich Input.
Neben einem ausgeprägten Ehrgeiz, das Besondere umsetzen zu wollen, spürt ein guter CD auch, wann er den Bogen beim Kunden überspannt. Oder er nimmt die
Überspannung bewusst in Kauf und kann mit den Reaktionen umgehen.
Dieses Anforderungsprofil beherrscht man nicht von heute auf morgen.
Je nach Agentur gibt es unterschiedliche Aufgaben-Schwerpunkte, die von einem CD erfüllt werden müssen. Jedoch ist nichts kontraproduktiver als ein Creative Director, der zwar den Titel, aber nicht die Verantwortung tragen kann.
Im innen wie im aussen.
Creative Directoren sind halb Unternehmer, halb Kreativer. Und sie sind auf jeden Fall kreative Marathonläufer.
Wer sich auf den Weg macht, sollte
vorher genügend Kondition trainieren.
Und er sollte wissen, dass er sich nicht mehr nur auf das eine konzentrieren kann: auf Ideen.
Manch einer sehnt sich nach so
einem Zustand zurück. Ich, zum Beispiel.
3 Kommentare:
Hier noch einige Ergänzungen zu dem Thema:
http://www.thedenveregotist.com/editorial/2009/march/5/rant-what-makes-good-creative-director-part-1-2
Das Problem liegt doch auch ein wenig darin, dass man ab einer gewissen Stufe CD werden muss.
In anderen Ländern gibt es hochbezahlte Texter, die gar nicht CD werden wollen.
Vielleicht auch hier mal die Überlegung wert ...!?
Ich hab auch nie begriffen, warum sich in Deutschland (Europa?) keine "Copywriter-Kultur" wie in den USA entwickelt hat. Normalerweise schwappt jeder Trend irgendwann mal über den Teich. Aber gut verdienende Ü-40-Texter in Agenturen? Keine Spur.
Kommentar veröffentlichen