Eine große und bekannte Agentur wurde wieder mal verkauft. An den
Agenturen-Sammler Sir Martin Sorrell. Dieser Mann ist der Chef einer Firma namens WPP (Wire and Plastic Products) und hat im Jahr 1985 angefangen, das Geschäft mit Plastikartikeln zu verlassen und statt dessen verschiedene Werbeagenturen – und diverse erfolgversprechende Geschäftsmodelle drum herum (Marktforschunginstitute, Mediaagenturen, etc.) – zu einem Kunstkonglomerat zusammen zu verdrahten.
Um damit Geld zu verdienen.
WPP ist börsennotiert und muss folglich seine Aktionäre laufend mit guten Nachrichten versorgen.
Nach Grey, Ogilvy, JWT, Y+R ist nun S+F das neueste psychologische Aufputschmittel, um die Laune der Aktionäre und damit den Kurs oben zu halten.
Natürlich wird das Ganze unter dem Deckmantel verkauft, dass diese Allianz hilft, für die Kunden noch mehr Ressourcen weltweit zu erschließen.
Wer in internationalen Netzwerken arbeitet oder gearbeitet hat, der weiss, dass diese Idealvorstellung in den meisten Fällen in der Abteilung Fabel abgelegt wird.
Hauptziel des Käufers ist, Erfolgsgeschichten zu erzeugen und seinen Aktienkurs zu steigern.
Hauptziel des Verkäufers (bzw. seiner Besitzer) ist, endlich mal Kasse zu machen.
Beides ist völlig legitim. Und übrigens durchaus verständlich. Wer will nicht irgendwann seinen Erfolg mal versilbern?
Als Kunde würde mich nur die Seifenoper
stören, die drum herum gestrickt wird.
Das Wohl des Kunden rangiert bei so einem Deal jedenfalls meistens nicht auf Platz eins.
Vielleicht kann die Agentur jetzt noch ein paar
Löcher auf der Opel-Weltkarte stopfen, in denen sie nicht vertreten ist (Vorderportugal, Hinterindien, etc.).
Der riesige Etat-Gewinn war auf jeden Fall eine einmalige Chance, die zu neuer Schönheit gelangte Braut schnell zu verkuppeln und eine lukrative Mitgift einzustecken.
Als Inhaber einer erfolgreichen Agentur hat man solche Gedanken ab und an.
Nichtsdestotrotz ist Leagas Delaney inzwischen eine der ganz wenigen internationalen Agenturen, die noch nicht mehrheitlich zu einer Finanzgruppe gehören oder eine Minderheitenbeteilgung mit einer eben solchen eingegangen sind.
Wir gehören uns.
Ich denke, es bedeutet für viele Kunden einen erheblichen Unterschied, ob eine Agentur von Leuten geführt wird, denen der Laden gehört. Oder ob sie ihn nur noch verwalten und die Zeit absitzen, bis sie die Agentur nach dem Verkauf verlassen können. Weil sie eh nicht mehr so viel zu sagen haben.
Wir hier haben jederzeit die Chance, abseits des Profits Dinge zu tun, die einer anderen Philosophie folgt als nur Gewinn zu machen. Tim Delaney ist selbst Kreativer. Und er versteht, wie Kreative ticken.
Gerne irrational. Gerne unprofitabel.
Genau das macht Kreative aus.
Schon allein dass ich als Geschäftsführer meine wertvolle Arbeitszeit damit verbringe, für so einen komischen Blog zu schreiben, anstatt in der gleichen Zeit ein paar NB-Anrufe zu tätigen, könnte einen international versierten Chefcontroller auf die Palme bringen.
Zweifelsfrei will jedes Unternehmen, das sich nicht zu 100% einem guten Zweck verschrieben hat, Geld verdienen. Auch eine Werbeagentur. Auch Leagas Delaney.
Die Frage ist wieviel? Die Frage ist, muss es jedes Jahr +10 oder +15% sein? Die Frage ist, in welchem Zeitraum?
Es beeinflusst mit Sicherheit das Denken und Handeln von Agenturpersonen, ob irgendein unbekannter Finanz-Obermufti aus irgendwo auftaucht und den Kreativen nahe legt, dass Etats auf Teufel komm raus an Land gezogen oder gewinnmaximiert werden sollen.
Kreative Unabhängigkeit sieht anders aus.
Ich persönlich würde als Unternehmer, der eine Agentur sucht, immer zu einer Adresse gehen, bei der die Inhaber noch aktiv sind. Und mindestens einer davon Kreativer ist.
Bei uns sind es zu allem Controller-Unglück sogar auch noch zwei.
Na gut. Ende der Empfehlung an Unternehmer. Ich bin befangen.
So schweife ich zum Schluss völlig irrational ab und frage mich, welches Auto der Sir Agentursammler wohl fährt. Den Seat von Grey, den Mazda von JWT, den Ford von Ogilvy oder den Opel von S+F?
4 Kommentare:
Seatmazdafordopel... kicherkicher, Sir Martin fährt natürlich die Marke, die seinen Namen trägt: Aston Martin. Und Ferrari, Bentley, Rolli...
Irgendwie erinnert er mich immer an John McCaine aus Eschbachs "1Billion Dollar". Kennt das jemand?
Uuups, John McCain war der McCain, der gegen Obama verlor, ich meinte Malcolm McCaine.
Super Beitrag. Und auch gut geschrieben. Weiter so Stefan!
Eine Sache allerdings:
Wer sagt eigentlich, dass man als Agenturchef ein PKW des Autokunden fahren muss (ausser D. Ogilvy und RR)?
Aber mal ernsthaft, zumal die Kreativen, die dann meistens drüber schreiben dürfen, sich die Kisten eh frühestens in 20 Jahren leisten können.
Props übrigens für eure LDHH-Bikes.
Danke!
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