Montag, 10. November 2008

Wo die Weltlatte hängt.

Wozu sind eigentlich Kreativwettbewerbe da?

Früher waren sie dazu da, den Kreativschaffenden zu zeigen, was state of the art der Werbung des jeweiligen Jahres ist.

Heute sind sie ein gnadenloses Business. Für die, die Wettbewerbe ausrichten (Teilnahmegebühren). Und für die, die Medaillen gewinnen (Agenturmarketing).

Morgen sind sie vielleicht eine Sammlung von unveröffentlichten Scribble-Ideen, denn alle Agenturen haben sich inzwischen weltweit darauf geeinigt, dass das Herstellen, Schalten und Einsenden der Scam-Ads so viel Geld kostet, dass man einfach nur noch die gescribbelten Ideen bewertet.

Doch bleiben wir im Heute.

Für die junge Kreativgilde sind Wettbewerbe eine Orientierung.

Wo hängt die Meßlatte? Was ist wirklich innovativ? Was für Trends gibt es? Welche Ideen ragen aus den vielen guten Ideen, die es heute gibt, heraus? Und warum?

So lassen wir diese nervige Fake-Diskussion jetzt einfach mal außen vor und tun so, als wäre bei den Wettbewerben alles wahrhaftig und objektiv. Und das, was da in den Annuals oder Ausstellungen zu sehen ist, ist das Beste vom Besten des jeweiligen Landes oder der ganzen Welt.

Welcher Wettbewerb ist dann derjenige welcher am meisten zählt?

Bei einer Umfrage würde sicher Cannes gewinnen. Cannes sind die Weltfestspiele der Werbung und wer einen Löwen gewinnt, wird von eben jener Werbewelt wahrgenommen und gesehen.

Ich persönlich sehe das etwas anders.

Cannes ist der Werbeoscar. Wohin gegen D+AD sowie One Show vom Niveau eher wie die Filmfestspiele von Venedig und Berlin sind.

Bei den beiden letzteren laufen die substanzielleren Streifen und es werden eher Werke prämiert, die wirklich Tiefe und Relevanz haben wohingegen Cannes auch eine gehörige Portion Showbiz ist.

Wer wissen will, wo meine Weltlatte hängt, der muss sich in Ruhe die nominierten oder mit dem „Yellow Pencil“ ausgezeichneten Arbeiten des englischen D+AD ansehen.

Hier.

Die Website selbst ist übrigens schon ein absoluter Knaller. Das ist einfach ein bärenstarkes Webdesign.

Meiner Meinung nach liegt beim D+AD die Latte deshalb noch höher als in Cannes, weil seine Jurys noch gnadenloser in ihrer Auslese sind und man hat das Gefühl, Mauscheleien und Absprachen wie beim ADC gibt es hier nicht. Die Jurys werden auch anders zusammengesetzt als bei uns.

Das Ehrgefühl der britischen und internationalen Kreativkollegen ist auch noch einigermaßen intakt, es geht allen darum, nur wirklich brillante Arbeiten auszuzeichnen.

Fairplay wurde nicht umsonst in England erfunden.

Mein Freund Pius Walker war in der letzten Jury und hat mir davon berichtet, wie konzentriert und fokussiert über die Qualität der Arbeiten diskutiert wurde. Es interessiert erst einmal keinen der Juroren, ob die Arbeiten seiner Agentur irgendwie nach vorne kommen, es interessiert nur, dass die besten Arbeiten ausgezeichnet werden.

Selbst die Fake-Rate scheint relativ gering, sieht man mal von den teilweise deutschen, brasilianischen und sonstigen internationalen Gewinnern ab, die natürlich auch vor diesem Wettbewerb nicht halt machen (z.B. Matchbox Plakate).

Mir imponiert das Niveau des D+AD und die Sparsamkeit, mit der sie Yellow Pencils vergeben.

Und ich glaube, dass das eine Folge davon ist, dass die Mitglieder sich nicht gegenseitig in die Jurys wählen, sondern nominiert werden.

Da werden noch echte Expertengruppen zusammen gestellt.

Beim ADC dagegen ist es möglich, dass ein ausgezeichneter Tonmann auch Kommunikation im Raum bewertet. Nicht, dass ich dem einen oder anderen Mitglied das nicht zutraue, aber ich denke, wer sich intensiv mit der Materie beschäftigt, weiß auch besser, was wirklich innovativ ist.

Wenn der deutsche ADC wirklich ein "Club der Innovationen" will (so übrigens das Motto seines neuen Vorstandsvorsitzenden Amir Kassaei), dann sollte eine erste Innovation die Reform der Jurierung sein.

Für mehr kreative Substanz.

Tipp 49: Ein Pencil beim D+AD ist das höchste für das kreative Ego, ein Löwe in Cannes für die Eigen-PR.



Meine Weltlatte hängt hier: dandad.



Und hier: oneshow.



Hier gibt es den Werbeoscar, der ein Löwe ist: Cannes.

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