Mittwoch, 7. Januar 2015

brand 08/15.

Das Jahr beginnt. Du guckst in deinen Facebook-Feed und siehst: Beste-Agentur-Urkunden allerorten. Du öffnest deine Post und was hältst du in den Händen: eine Beste-Agentur-Urkunde. Mit drei Sternen.

Wow.

Auf deiner Urkunde steht: Von brand eins Wissen und statista untersucht, von Kollegen und Kunden empfohlen.

Wow.



Es gibt also wieder mal ein neues Agentur-Ranking. Dieses Mal von brand eins, dem von mir sehr geschätzten Wirtschaftsmagazin. Eine der wenigen gedruckten Publikationen, die ich noch lese.

Ich mag das Magazin nicht nur wegen der Gewissheit, in den extrem gut gestalteten Textwüsten immer wieder drei oder vier äußerst inspirierende Beiträge zu finden, sondern auch wegen seiner „kleines-gallisches-Dorf“-Mentalität, die es irgendwie verströmt.

Wenn ich mich richtig erinnere, war brand eins mal kurz vor dem Exodus, deshalb Anteile an Großverlag verkauft, was nicht funktionierte, 
weiter an das eigene Produkt geglaubt und deshalb Anteile von Großverlag zurück gekauft (mit Hilfe von dm-Gründer Götz Werner), und schließlich: Erfolg gehabt.

Von solch raren Heldengeschichten zehren wir Kreative. Das Unkonventionelle, das Idealistische, das Risikobereite – diese Legenden halten uns im täglichen Kampf um die bessere Idee am Leben.

Nun entschließt sich dieses kleine gallische Dorf, in die Tiefen des Agenturmarktes zu steigen und ihn zu bewerten. Um substantieller als das Manager Magazin zu erscheinen (die einfach alle Kreativrankings zu einem Kreativ Index aufblasen – wohl ignorierend, dass viele Preise durch Fake-Ideen gekauft sind), haben sich die brand eins Macher mit einer Marktforschungsfirma (statista) zusammen getan. Als ob die Branche nicht schon genug Rankings hätte.

Aber gut.

Vielleicht ist auch zu brand eins durchgedrungen, dass sich mit der Eitelkeit der Werber PR generieren und Geld verdienen lässt. Also versucht der Verlag, mit dieser relativ profanen Marketingmasche etwas Profit neben dem Magazin zu generieren.

Nicht besonders kreativ, aber akzeptabel.

4.000 Agenturleute aus allen Disziplinen wurden befragt. Und rund 600 Kunden. Mich vereinnahmt dann gleich so eine Frage wie: welcher wirklich profunde Kunden macht bei einer umfangreichen Marktforschung über Agenturen mit?

Aber "keep cool", was soll's, sei nicht wieder so negativ, sage ich mir, weshalb ich dann doch auch diese etwas alberne Urkunde auf FB poste, die auf meinen Tisch geflattert ist. Welche man selbstverständlich noch nachbestellen kann – gegen Aufpreis.

Dann lese ich im Editorial des Heftes: „Die Ausbeute unserer Recherche (über bemerkenswerte Werbung) war derart mager, dass sich unsere Neugier erst in Langeweile und dann bald in Genervtheit wandelte“.

Genau. Da spätestens war ich richtig genervt: Der Verlag bietet mir mit der Urkunde das wirklich innovative Angebot an, das „Beste-Agentur-Logo“ für € 3.500 für unsere Eigenwerbung nutzen zu dürfen. 

Kleiner Nervgedanke: Äh, hat uns mein Facebook-Post gerade 3500 Tacken gekostet?

Großer Nervgedanke: Das sind nun wirklich Verlagsmarketing-Taschenspielertricks, die ich nicht von Leuten erwarte, die Monat für Monat über Innovationen, Eigensinn, Unkonventionalität, neue Geschäftsideen etc. berichten. Oder die Langeweile unserer Branche kritisieren.

Gab es nicht mal eine brandeins Ausgabe mit dem Thema Glaubwürdigkeit? Und auch eine mit Innovation? Liebe brand eins Macher, vielleicht wollt ihr die noch mal lesen?