Mittwoch, 30. Dezember 2015

Schöpferische Pause.

Seit fast genau einem Jahr ist von mir kein neuer Beitrag erschienen. Selbst diesen Text kann man nicht Beitrag nennen. Er ist eher eine Entschuldigung. Weniger dafür, dass so lange nichts passiert ist. Als dafür, dass ich ein Jahr benötigt habe, um ihn zu schreiben.

Dieser Blog ist am 1. September 2008 mit zwei Zielen an den Start gegangen. 

Das erste Ziel klingt für einen sogenannten Kommunikationsprofi in der heutigen Zeit ziemlich albern, weil uns der digitale Alltag wie selbstverständlich umgibt: Der Blog sollte helfen, mein Verständnis für die digitale Welt weiter zu entwickeln. Dazu muss man sich kurz sieben Jahre zurück versetzen und ins Gedächtnis rufen, dass die Transformation von der klassischen in die digitale Kommunikationswelt in vollem Gange war. 

Der Blog – und die Tatsache, dass ich seine Inhalte über die passenden digitalen Kanäle verbreite – sollte mir ermöglichen, die Mechanismen des webbasierten Dialoges, der sozialen Medien, des Affiliate Marketings und was sonst noch so dazu gehört, besser kennen zu lernen. Ich wollte die Feinheiten der viralen Verbreitung quasi am eigenen Content erfahren.

Das zweite Ziel ergab sich dadurch wie von selbst. Was konnte ich in einem Blog am besten vermitteln? Und wer hat Bedarf dafür? 

Als logische Antwort dieser Fragen wurde der Blog eine Inspirationsquelle und ein Ratgeber für Menschen, die sich für meine Branche interessieren, ihre Kreativität ausleben und den Beruf des Texters ins Auge fassen wollen.

So kam es, dass ich die ersten 100 Blogbeiträge mit 100 Tipps für Einsteiger verbunden habe. So kam es, dass der Blog mit dem Namen "Texter gesucht" versehen wurde. 

Nachdem die 100 Ratschläge verfasst waren, wollte ich Mitte des Jahres 2009 unbedingt weiter schreiben. Es machte großen Spaß und es fand ein unerwarteter Dialog mit unterschiedlichen Menschen statt, die meine Beiträge kommentiert haben. 

Ich schrieb weiter. Nur das zweite Ziel war jetzt ein anderes. Der Blog beschäftigte sich fortan mit aktuellen Themen, die die Branche und vor allem auch mich selbst bewegt haben. In der Konsequenz änderte sich der Name des Blogs: 

Gedanken hinter den Augenringen.

Soweit die Geschichte. Sieben aktive Schreibjahre sind seitdem vergangen. Wie lautet mein Resümee?

Ob sich der Blog wirklich als Inspiration und Motivation für den Nachwuchs entwickelt hat (mein ursprüngliches Ziel zwei), kann ich aus dem Zuspruch nur deuten. Zumindest ein Leser hat es über diesen Blog direkt in die Branche geschafft.

Was sich ohne Frage bestens entwickelt hat, ist mein Verständnis für die digitale Welt. Und wie sich Nachrichten und Inhalte in ihr verbreiten. Auch die Fachpresse hat sich zu den Hochzeiten des Blogs gerne daraus bedient.

So schaffte es gerade der letzte Beitrag vom Januar 2015 in die Kommunikationspresse. Da habe ich mich über merkwürdige Machenschaften bei der Vermarktung eines Agentur-Sonderheftes von Brand eins ausgelassen. Wenn ich den Text in Jahr später lese, fällt mir sogleich die Nummer eins aller Journalisten-Zitate ein: nichts ist älter als die Nachrichten von gestern. 

Man mag es kaum glauben, aber dieser letzte Beitrag war der meist gelesene von allen Beiträgen seit Start des Blogs

Genau. Und danach kam dann nichts mehr. Vielleicht habe ich intuitiv nicht weiter geschrieben. Einfach weil ich das Gefühl hatte, dass der Blog seinen Zenit erreicht hat. Die Themen wiederholten sich (z.B. Award-Kreativität, Media-Diktat, Macht der Einkäufer, Freelancer, Nachwuchssorgen, etc.). All das, was sich in meinem Kopf an Know How, Leidenschaft sowie Frust und Freude zu Kommunikation befunden hat, ist hier ausgekippt worden. 

Ein geniales Gefühl der Befreiung. Und beruhigend zugleich. Da steht es. Es geht nicht verloren.

Also aufhören, wenn es am schönsten ist?

In meinem tiefsten Innern ist diese Frage noch nicht geklärt. Aber der Zwang, jede Woche etwas zu schreiben, passt momentan nicht in mein Lebenskonzept. Und schreiben nur um des Schreibens Willen erzeugt keinen Wert für den Leser. Da fehlt die Relevanz, über die ich immer so gerne rede. 

Ich kann also die Frage "Wie geht es mit dem Blog weiter?" aktuell nicht beantworten. Ich bin Anfang Januar auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas. Eine der bedeutendsten Messen von neuen Technologien für unseren täglichen Alltag und digitale Kommunikationsmöglichkeiten. Da gibt es sicher das ein oder andere zu berichten.

Ihr werdet es als erste erfahren.


Zum Abschluss möchte ich besonders den Berufseinsteigern – quasi als kleine Reminiszenz an erfolgreiches Content-Management – die Beiträge  "Wie man TV-Treatments schreibt" und "Wer wird Text-Praktikant? Und wie?" ans Herz legen. Sie stehen nämlich auf Platz 2 und 3 der "All Time Favorites".

Solltet ihr die Texte lesen, so habt im Hinterkopf, dass sie über 7 Jahre alt sind. Aber die meisten Erkenntnisse haben heute noch Gültigkeit. Gewisse Grundsätze ändern sich nicht, nur weil alles um uns herum digital geworden ist.

Ich wünsche allen Lesern dieses Blogs ein inspirierendes wie erfüllendes 2016!




"All time favourite posts" – seit Start des Blogs (Stand: 29.12.2015).




Mittwoch, 7. Januar 2015

brand 08/15.

Das Jahr beginnt. Du guckst in deinen Facebook-Feed und siehst: Beste-Agentur-Urkunden allerorten. Du öffnest deine Post und was hältst du in den Händen: eine Beste-Agentur-Urkunde. Mit drei Sternen.

Wow.

Auf deiner Urkunde steht: Von brand eins Wissen und statista untersucht, von Kollegen und Kunden empfohlen.

Wow.



Es gibt also wieder mal ein neues Agentur-Ranking. Dieses Mal von brand eins, dem von mir sehr geschätzten Wirtschaftsmagazin. Eine der wenigen gedruckten Publikationen, die ich noch lese.

Ich mag das Magazin nicht nur wegen der Gewissheit, in den extrem gut gestalteten Textwüsten immer wieder drei oder vier äußerst inspirierende Beiträge zu finden, sondern auch wegen seiner „kleines-gallisches-Dorf“-Mentalität, die es irgendwie verströmt.

Wenn ich mich richtig erinnere, war brand eins mal kurz vor dem Exodus, deshalb Anteile an Großverlag verkauft, was nicht funktionierte, 
weiter an das eigene Produkt geglaubt und deshalb Anteile von Großverlag zurück gekauft (mit Hilfe von dm-Gründer Götz Werner), und schließlich: Erfolg gehabt.

Von solch raren Heldengeschichten zehren wir Kreative. Das Unkonventionelle, das Idealistische, das Risikobereite – diese Legenden halten uns im täglichen Kampf um die bessere Idee am Leben.

Nun entschließt sich dieses kleine gallische Dorf, in die Tiefen des Agenturmarktes zu steigen und ihn zu bewerten. Um substantieller als das Manager Magazin zu erscheinen (die einfach alle Kreativrankings zu einem Kreativ Index aufblasen – wohl ignorierend, dass viele Preise durch Fake-Ideen gekauft sind), haben sich die brand eins Macher mit einer Marktforschungsfirma (statista) zusammen getan. Als ob die Branche nicht schon genug Rankings hätte.

Aber gut.

Vielleicht ist auch zu brand eins durchgedrungen, dass sich mit der Eitelkeit der Werber PR generieren und Geld verdienen lässt. Also versucht der Verlag, mit dieser relativ profanen Marketingmasche etwas Profit neben dem Magazin zu generieren.

Nicht besonders kreativ, aber akzeptabel.

4.000 Agenturleute aus allen Disziplinen wurden befragt. Und rund 600 Kunden. Mich vereinnahmt dann gleich so eine Frage wie: welcher wirklich profunde Kunden macht bei einer umfangreichen Marktforschung über Agenturen mit?

Aber "keep cool", was soll's, sei nicht wieder so negativ, sage ich mir, weshalb ich dann doch auch diese etwas alberne Urkunde auf FB poste, die auf meinen Tisch geflattert ist. Welche man selbstverständlich noch nachbestellen kann – gegen Aufpreis.

Dann lese ich im Editorial des Heftes: „Die Ausbeute unserer Recherche (über bemerkenswerte Werbung) war derart mager, dass sich unsere Neugier erst in Langeweile und dann bald in Genervtheit wandelte“.

Genau. Da spätestens war ich richtig genervt: Der Verlag bietet mir mit der Urkunde das wirklich innovative Angebot an, das „Beste-Agentur-Logo“ für € 3.500 für unsere Eigenwerbung nutzen zu dürfen. 

Kleiner Nervgedanke: Äh, hat uns mein Facebook-Post gerade 3500 Tacken gekostet?

Großer Nervgedanke: Das sind nun wirklich Verlagsmarketing-Taschenspielertricks, die ich nicht von Leuten erwarte, die Monat für Monat über Innovationen, Eigensinn, Unkonventionalität, neue Geschäftsideen etc. berichten. Oder die Langeweile unserer Branche kritisieren.

Gab es nicht mal eine brandeins Ausgabe mit dem Thema Glaubwürdigkeit? Und auch eine mit Innovation? Liebe brand eins Macher, vielleicht wollt ihr die noch mal lesen?