Mittwoch, 28. Mai 2014

The User is the Message.


2 Millionen Views auf YouTube in 1 Woche. Time, Huffingten Post, Daily Mail und viele andere Medien schreiben darüber. Die Aktion, um die es geht, wird so gar mehrfach persifliert (immerhin auch 80.000 Views). 

Wie schafft man das? Ganz besonders, wie schafft man das für eine Aktion, die im Jahr davor schon mal genau so abgelaufen ist? Aber es nicht über die Grenzen der norddeutschen Presse hinaus geschafft hat? Und es bis heute nur auf rund 9.000 Views bringt?

Vor einem Jahr haben wir für unseren Kunden MSC Cruises zum 824. Hamburger Hafengeburtstag im Mai 2013 eine Guerilla Aktion während dem Einlaufen der Schiffe konzipiert. Und zwar für das Kreuzfahrtschiff MSC Magnifica. Die Aktion hieß "Schiffshorn Konzert". Sie sollte der neuen MS Europa von der Konkurrenz ein wenig die Show stehlen. Was ihr auch gelang. Und in der Live-Berichterstattung des Fernsehsenders NDR3 entsprechend gewürdigt wurde.

Unsere Idee war, den Song „Happy Birthday to you“ beim Einlaufen auf dem Schiffshorn der MSC Magnifica zu spielen. 

Da dies technisch nicht möglich ist, haben wir im Tonstudio einen entsprechenden Soundtrack aufgenommen, der dann über die Lautsprecher des Kreuzfahrtschiffes abgespielt wurde. Es wurde ein zweiter Song inszeniert, und zwar „Seven Nations Army“.

Soweit die Aktion im Jahr 2013.

Ein Jahr später nun, zum 825. Hafengeburtstag am 9. Mai 2014, hat die MSC Magnifica die Aktion wiederholt. Ein Zuschauer hat den Song „Seven Nations Army“ zur Hälfte mit der Kamera seines Smartphones aufgenommen (s.o.). Und ins Netz gestellt.

Ergebnis: Diese Maßnahme hat ungleich mehr internationalen Pressewirbel verursacht als die Aktion ein Jahr zuvor.

Was lernen wir daraus?

Vielleicht, dass die Authentizität eines Events in schlechter Qualität mehr Reichweite erzeugt als in Perfektion. Es wird bevorzugt „geshared“, was vom Mann auf der Straße kommt. Und nicht vom Profi.

Auf jeden Fall lernen wir als Agentur daraus, dass wir bei solchen Projekten unser Copyright im Kostenvoranschlag nicht vergessen dürfen. Denn wir haben von der Wiederholung der Aktion fast gar nichts gehabt. Außer besagten Pressewirbel. Und immerhin drei Nägel in Bronze beim ADC.

Freitag, 23. Mai 2014

Die Anzeige ist zurück.




















Sie war die Einnahmequelle der Vor-Digital-Ära. Sie war die Gelddruckmaschine großer Verlage. Sie war das Lieblingsmedium vieler Kreativer: die klassische Anzeige.

Bild, Headline, Logo – wenn es sein muss noch eine Copy – und fertig.

Wir wissen alle, dass mit dem Siegeszug des Internets und dem gleichzeitigen Bedeutungsverlust der gedruckten Magazine das Geschäftsmodell "Anzeige" in sich zusammengebrochen ist.

Doch das Format "Anzeige" ist längst nicht tot. Im Gegenteil, es erlebt in den sozialen Medien eine Wiedergeburt.

Die Anzeige heißt jetzt Meme. Präziser ausgedrückt: das unbewegte Meme.

Unter Meme versteht unser heutiger Digital-Duden ein Internetphänomen. Also Content, der „sich im Netz breit“ macht. Das können GIFs, Filme, Animationen oder Audio-Beiträge sein. Und natürlich Bilder. 

Bilder mit Headlines. 

Anzeigen eben.

Bei meinem Besuch im Silicon Valley hat Facebook's Tom Brown in seiner Funktion als Head of Global Marketing for North America erklärt, wie sehr seine Firma auf Agenturen und ihre kreative Expertise hofft. Und zwar, um Facebook bessere Posts und Kampagnen zu bescheren. Tom hat uns Cases präsentiert, bei denen die Posts wie richtig gut gemachte Anzeigen aussehen. Und Teil der Kampagne sind oder auf die Kampagne in anderen Medien aufmerksam machen und verlinken.

Motive, die man gerne liked. Oder shared. (Ich weiß, gruseliges Neudenglisch, aber in diesem Fall irgendwie angebracht).

Ein amüsantes Beispiel ist die Wendy's Pretzel Burger Kampagne "#PretzelLoveSongs". Hier ein beispielhafter Film:



So sah der typische Wendy's Post vor der Kampagne aus:
















Und so sahen die Posts während der Kampagne aus:
































Fans der amerikanischen Kult-Serie "House of Cards" von Netflix kennen und schätzen die pointierten wie regelmäßigen Still-Memes. Der ganze Facebook-Auftritt der Serie sieht wie ein extrem gut gestalteter Anzeigenteppich aus:



































Die Kampagne "No Bollocks" für Newcastle Brown Ale ist einer der aktuellen Vorzeige-Cases von Facebook. Auch hier sieht die Seite wie ein Award-Case für Anzeigen aus. Hier spürt man die Inszenierungsfreude der Macher. Einfach auffällig, lustig und trotzdem verkäuferisch.



Nicht nur Facebook, auch die Macher von Google+ wissen um die Kraft dieser Memes. Und sie wissen, dass sich Kreative aus der Werbung besser als alle anderen darauf verstehen, auf wenig Raum ungewöhnliche und aussagekräftige Motive herzustellen.

Was früher das "nicht umblättern" war, ist heute das liken. Was früher das "drüber reden" war, ist heute das sharen. Was früher das anrufen war, ist heute das clicken.

Und nun? Macht was aus diesem Phänomen. Macht Posts zu Anzeigen.

Viel Spaß dabei.

Montag, 19. Mai 2014

Eine Menge Nägel auf die Relevanz.

Es gab viele Jahre, da konnte man beim ADC Wettbewerb selbst mit bestem Willen keinen Grand Prix vergeben. Dieses Jahr schafften es im ersten Wahlgang gleich sieben Arbeiten auf die Shortlist. Ich war Juryvorsitzender in der Kategorie Film und an der Grand Prix Wahl beteiligt. Aus meiner Sicht hätten fünf Arbeiten den Grand Prix verdient gehabt. Zwei Kampagnen haben sich am Ende förmlich um den Titel gestritten. Und zwar Kampagnen, die man im Werbealltag gesehen hat. 

Relevanz. Dieses durch die vielen Award-Diskussionen verschlissene Wort mag man kaum noch aussprechen, aber dieses Jahr sind die meisten Nägel mitten rein gehämmert worden. Fast schon sinnbildlich, dass an erster Stelle der Hornbach Hammer steht.

Totgesagte leben länger. Wer an der Relevanz des Clubs zweifelte (was sehr häufig vorkommt), dem hat der ADC mit diesem Wettbewerb die richtige Antwort gegeben. Hornbach „Hammer“, Edeka „Supergeil“, Sky „Livespots“, Misereor „PlaCard“ oder mit etwas Augen-zu-drücken wie Augenzwinkern Die Partei „iDemo“ – alles würdige Vertreter für höhere kreative Weihen. Und alle von jeweils einer anderen Agentur. Wenn man weiter die Goldmedaillen für starke Messeinszenierungen von Audi und Mercedes oder das Audi Mailing "Test Drive Cube" betrachtet, kann dieses Ergebnis durchaus motivieren.

Warum das so gekommen ist, lässt sich nur vermuten. Ich merke in vielen Treffen mit Kunden, dass sie den herkömmlichen penetranten und profillosen Kommunikationsauftritten immer mehr abschwören wollen und müssen, weil damit kein Interesse beim Verbraucher mehr zu generieren ist. Der Druck, mit Kommunikation wieder Wirkung zu erzeugen, nimmt enorm zu. Wirkung erzeugt man heute mehr denn je mit außergewöhnlichen Ideen.

Hornbach, Edeka oder Die Partei bieten Content, den man gerne teilt. Oder gar kauft (Hammer). Sky und Misereor überraschen durch nie dagewesene Formate (ein Spot im Werbeblock, der live Sequenzen aus einem gerade laufenden Champions League Spiel zeigt oder ein interaktives Plakat, mit dem man direkt per Kreditkarte spenden kann).

Ich kann weiteren Beispielen gar nicht gerecht werden, die es ebenso verdient hätten, hier erwähnt zu werden. Ich kann aber feststellen, dass dieses Ergebnis genau das ist, was so ein Kreativ-Club braucht: realitätsnahe Exzellenz.

Mag sein, dass die Awardshow wieder zu lang war, aber schließlich hatten die Organisatoren dieses Jahr viel mehr Arbeiten und ihre Macher zu würdigen. Vielleicht ist auch die Tatsache, dass die Besucher viele Arbeiten schon kennen, ein kleiner Nachteil. Doch lieber so als anders herum.

Für mich bleibt die Erkenntnis, dass wir uns als Agentur echt verdammt viel mehr anstrengen müssen, um wieder besser beim ADC abzuschneiden als dieses Jahr. Und genau darum geht es: die kreative Ambition bloß nicht zur Ruhe kommen lassen. 

Ich finde, der ADC hat dieses Jahr einen großen Schritt nach vorne gemacht.


Zwei meiner Lieblingsarbeiten des diesjährigen Wettbewerbs, die nicht so sehr im Rampenlicht standen, weil sie von den vielen anderen starken Ideen etwas  überstrahlt wurde: Audi Test Drive Cube und Back to Vinyl.

 

Mittwoch, 7. Mai 2014

50 Jahre ADC. 50 Jahre Karriereturbo.

Wieder eine Talking Head Kolumne, die heute auf Horizont.net veröffentlicht wurde.

Kreativ-Inzucht, Fake-Förderung, Jurymauscheleien, Selbstbedienungsmentalität, wirtschaftlich irrelevant – was wurde dem Club nicht schon so alles vor die Füße geworfen. Doch viele seiner Kritiker haben vom Club profitiert. Es wird Zeit, sich dafür mal beim ADC zu bedanken. Und seinen eigentlich größten Verdienst in den Vordergrund zu stellen: das Karrieresprungbrett. 

Hätten Agenturen wie GGK, Springer & Jacoby, Jung von Matt oder Heimat (um nur mal vier der renommiertesten Beispiele zu nennen) so viel deutsche Kreativgeschichte geschrieben, wenn es den ADC nicht gäbe? Würden ihre vielfach ausgezeichneten Protagonisten das kreative Renommé besitzen, welches sie heute genießen? Und hätten sie ohne den ADC all die wirtschaftlichen Erfolge feiern können, die ihr kreativer Top-Nimbus mit sich brachte?
Ich glaube nicht.

Das Kernprodukt des ADC ist sein Wettbewerb. Der Wettbewerb zeichnet einmal im Jahr die besten kreativen Arbeiten des Landes aus. Diese Arbeiten werden in mittlerweile 13 Kategorien von verschiedenen Jurys gewählt. Jurys, die aus den Mitgliedern des ADC rekrutiert werden. Der Wettbewerb ist die Zuspitzung und Dokumentation der ADC-Mission. Die in kurzen Worten ungefähr so lautet: außergewöhnliche Ideen fördern und den Nachwuchs für die kreativen Berufe in der Kommunikation begeistern.

Ein Ansinnen, gegen das eigentlich kein Mensch irgendetwas haben kann. Schon gar nicht die deutsche Wirtschaft, um deren Gunst der ADC immer wieder buhlen muss. Schon gar nicht in Zeiten wie diesen, in der es – wie nie zuvor – auf starke Ideen und Innovationen ankommt, um sich vom Rest der Welt abzuheben.

Kein Wunder also, dass alle Personen beachtet, gesucht, gejagt oder befördert werden, die da jährlich in den sogenannten Credits (neudeutsch für Namensverzeichnis) unter den goldenen, silbernen oder bronzenen Nägel stehen. Sie sind Pflichtlektüre für Headhunter und Personalmanager.

Aber auch die Rankings, die Agenturen mit den am meisten ausgezeichneten Arbeiten listen, werden von Kunden, Pitch-Beratern und Medien regelmäßig beobachtet und ausgewertet.

Doch in der Reduzierung auf seinen Wettbewerb liegt vielleicht auch das Hauptproblem des ADC. Weil sein Wettbewerb der Image- und Karriereturbo für Kreative und für Agenturen ist, wird er inzwischen schamlos missbraucht und nährt den Ruf des Clubs als kreative Selbstbefriedigungstruppe.

Wie kommt das?

Was in der Leichtathletik das Doping, ist bei Kreativwettbewerben das „faken“. Es ist diese selbstzerstörerische Kraft, mit der einige Agenturen und Kreative die Wettbewerbe nutzen, um im Ranking möglichst weit nach oben zu klettern.

Das führt dazu, dass Agenturen für soziale Einrichtungen kostenlose Kampagnen machen, ohne wirklich an deren Sache interessiert zu sein (sonst würden sie ja mehr als eine Idee dafür entwickeln). Sie entwerfen unentgeltlich Ideen für Kunden, die nicht ihre Kunden sind. Oder sie gestalten Ideen, die gar nicht realistisch oder praktikabel sind, aber in geschickt gemachten Case-Filmen so aussehen als ob.

Ich bin immer wieder total erstaunt über die Ruchlosigkeit und den finanziellen Aufwand von Kollegen, mit der Ideen ausschließlich für Wettbewerbszwecke erstellt werden. Die kreative Eitelkeit scheint das eigene Schamgefühl komplett in die Ecke zu drängen. Sonst würden sie nicht mit dieser gnadenlosen Fake-Sucht ihr Agenturmarketing betreiben. Und mit dafür sorgen, dass unsere Ideen mehr und mehr zum kostenlosen Mitnahmeartikel für Kunden werden.

Es ist leider sein Los, dass eher der Club als Plattform für Fakes von den Medien an den Pranger gestellt wird als die Macher eben solcher.

Und trotzdem! Ich halte den ADC für eine unersetzbare Institution in Deutschland. Aus einem ganz wichtigen Grund: Der ADC fördert die kreative Ambition. Ohne Ambition gibt es keine Innovation. Und ohne Innovation gibt es keinen Erfolg. Selbst Fakes wecken die Ambition von anderen Kreativen, Ideen zu realisieren, die echte Probleme lösen.
Deshalb sollte sich der ADC mehr denn je auf sein Kernprodukt konzentrieren: den Wettbewerb. Nur wenn der Wettbewerb wirklich innovative wie relevante Cases zu Tage fördert, steigt auch das Interesse der Wirtschaft.

Das schafft der Club jedoch nur, wenn er sich intensiver um die Qualität der Mitglieder und die Qualität der Jurys kümmert. Ich hätte gegen härtere Aufnahmekriterien und härtere Jurys mit dem Ergebnis, dass viel weniger Nägel dabei herauskommen, nichts einzuwenden.
Nur so kann der ADC es schaffen, wieder für „Erfolg durch Innovationen“ zu stehen. Und die Macher dahinter in den Fokus rücken. Vielleicht eine Botschaft, die wir vor der Wirtschaft wieder mehr stressen sollten: Es geht beim ADC nicht nur um ausgezeichneten Ideen. Sondern auch um die Menschen dahinter.

In diesem Sinne: Lieber ADC, herzlichen Dank für 50 Jahre Förderung und Ehrung von tausenden von Kreativen. Inklusive meiner selbst. Ohne dich wären meine kreativen Ambitionen nicht so stark geweckt worden, wie sie geweckt worden sind. Ohne dich hätte ich bestimmt nicht so viele Beförderungen oder Joboptionen in meinem Berufsleben erhalten. Und ohne dich hätten viele meiner Kunden nicht so hervorragende Ideen bekommen.