Donnerstag, 17. April 2014

In Garagen denken ist die Zukunft.

Dieser Beitrag erschien heute in Horizont.



















Es gibt Menschen, die bringen aus dem Silicon Valley einen Vollbart mit. Weniger als Hippie-Reminiszenz, sondern wohl eher als Symbol der Hoffnung, den atemberaubenden Innovations-Spirit dieser Region mit in die deutsche Heimat zu tragen. Und zukunftsträchtige Ideen zu generieren. 


Ich habe es in 5 Tagen zu keinem Bart gebracht, aber in meinem Kopf spießt seitdem die Idee, mir eine Garage zu bauen.

Eine Gruppe des GWA, der ich angehören durfte, hat Google, YouTube und Facebook besucht, um sich vor Ort mit verschiedenen Experten dieser digitalen Taktgeber zu treffen und inspirieren zu lassen.

Ich kann mir vorstellen, dass einige Leser genervt die Augen rollen, weil sie in den genannten Protagonisten die Medien-Monopolisten von morgen sehen. 

Doch ich bin kein Mediamensch, sondern Kreativer. Deshalb hat mich dieser unbeirrbare Glaube an kreative Ideen und die Überzeugung, unmögliche Lösungen möglich zu machen, schlichtweg mitgerissen. We do not know how to do it yet but we’re gonna do. Ein Spirit, der viele herkömmliche Mediasupplier wie Traktoren aussehen lässt, die gegen Sportwagen antreten. Ein Spirit, der an jeder Ecke des Valleys zu spüren ist.

Ich gehe nicht auf einzelne Produkte, Konzepte und Ideen ein, die wir kennengelernt haben. Ich will stattdessen versuchen, die Radikalität des Problemlösungs-Denkens rüber zu bringen, welche auf diesem herrlichen Flecken Erde zum Arbeitsalltag gehört. 

Ein Denken, das sich in einem Wort formulieren lässt: grenzenlos.




















Was bei uns momentan zur kreativen Alibi-Phrase verkommen ist, wird bei Google von Sergey Brin und Larry Page konsequent vorgegeben. Das Prinzip heißt „Tenx“. Denk nicht 1x größer, denk gleich 10x größer. Erreiche mit deinen Ideen nicht Millionen Menschen, erreiche Milliarden. Alle Projekte, die das nicht versprechen, werden ad acta gelegt.

Jetzt kann man einwenden, dass sich die Googler so eine Luxusphilosophie nur deshalb leisten können, weil sie mit ihrem Suchmaschinen-Algorithmus eine Gelddruckmaschine im Keller stehen haben. Mag sein.

Man kann weiter einwenden, dass wir durch Big Data Technologien systematisch auskundschaftet werden, was Sascha Lobo in seinem jüngsten FAZ-Beitrag unter der Überschrift „Daten, die das Leben kosten“ zum Horrorszenario hochstilisiert. Mag ebenfalls sein.

Aber hält uns das davon ab, selbst wieder innovativer zu werden? 

Neue Ideen entstehen nicht durch Pessimismus, sondern dem Gegenteil davon. Innovation ist kein Zufall. Innovation ist ein Prozess. Vielleicht sollten Agenturen und Kunden deshalb ihre Arbeitsprozesse mal radikaler als bisher verändern.

Ein Schlüssel dazu heißt: Garage.

Denn die Garage sorgt auch bei Google und anderen Valley Unternehmen dafür, ihre bahnbrechenden Ideen zu entwickeln.

So eine Garage ist Bastelraum und Think Tank zugleich. Hier befinden sich alle notwendigen Arbeits- und Präsentationsutensilien. Damit meine ich weniger Flipchart, Post-its und Beamer (die natürlich auch), sondern eher Legosteine, Playmobilfiguren, Klebebänder, Farben, Platinen, Lötkolben, Bohrmaschinen, Bildschirme, Telefone aller Systeme, usw. Hier befindet sich einfach all das Werkzeug, das man benötigt, um Lösungen auch mal als Modell oder Prototyp sichtbar zu machen.

In der Garage treffen sich alle nötigen Experten. Zum Beispiel Kreative, Planner, Berater, Designer, Mediastrategen, Techniker, Programmierer – und Kunden. Sie alle nehmen sich erst mal das, was heute viel zu kurz kommt: mehr Zeit für die Analyse des Problems. Und dann fangen sie an, gemeinsam an der oder den Lösungen zu arbeiten. 

Vorurteilslos und vor allem: grenzenlos.

Sie können die Garage auch Lab, War Room, R+D Studio oder sonst wie nennen. Mir gefällt Garage, weil es nach zupacken, reparieren und rumschrauben klingt. Und weil viele Big Player des Valleys genau da anfingen. Sei es Hewlett Packard, Apple oder Google.

Wir haben in einer Google Garage ein paar kreative Fingerübungen gemacht. Agenturmenschen und Kundenmenschen. Allein diese 2 Stunden fühlten sich extrem zielführend, kooperativ und motivierend an. Collaborate and create. Warum kann das nicht Alltag werden?

Natürlich hat die Garage auch einen Haken. Sie taugt nicht für Pitch-Gläubige. Es sei denn, die Kunden lassen verschiedene Garagen gegeneinander antreten. Was wieder mehr Aufwand bedeutet.

Ich will mit diesem Beitrag dazu anregen (nicht zuletzt mich selbst), endlich wieder lösungsorientierter, interdisziplinärer und inspirierender zu arbeiten. Was wir schon lange wissen und predigen, muss nun auch endlich umgesetzt werden. Die „Einzelteam“-Mentalität, das Siloarbeiten und Silodenken, das in vielen Agenturen, aber auch zwischen Agenturen sowie zwischen Agenturen und Kunden noch herrscht, stößt in der digitalen Revolutionsära an seine Grenzen.

Wer sich mit einer Garage anfreundet, wird die immer komplexer anmutenden Probleme unserer Zeit erfolgreicher lösen als andere. Wer es nicht tut, landet vielleicht schneller beim Bart, als ihm lieb ist.

Dem Bart, den die Marke bekommt, für die er arbeitet.

Ich jedenfalls habe mir fest vorgenommen, dass ich so eine Garage aufbauen möchte, wenn es irgendwie geht. Nein falsch, es muss heißen: I don’t know how to do it yet but I’m gonna do.



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