Mittwoch, 26. März 2014

#Hoodiewerbung.

Als ich 1992 als Texter bei Springer & Jacoby anfing, gab es sehr viele Regeln, Checklisten und  Prinzipien. 

Eine davon lautete, wer (als Mann) zum Kunden geht, zieht Anzug, Hemd und Krawatte an. Die Kreativen weichten das mit der Zeit etwas auf, indem sie Sakko, Hemd und Krawatte zur Jeans trugen. 

Begründung für diese Regel: Die meisten Kunden müssen ebenfalls in diesem Outfit arbeiten und die Agentur will durch unangemessene Bekleidung nicht von der eigentlichen Sache, nämlich der Präsentation der Ideen, ablenken.

Auch in meiner anschließenden Zeit bei Jung von Matt war es ein ungeschriebenes Gesetz: wer zu Herrn Sixt geht, muss eine Krawatte tragen, sonst verlässt der Mann den Raum, weil ihm nicht der nötige Respekt entgegen gebracht wird.

Ein Argument, das heute geradezu lächerlich erscheint. Es wäre interessant zu wissen, ob Herr Sixt diese Attitüde noch aufrecht hält. 

Denn neben den Hoodiejournalisten, um die aktuell eine heftige Diskussion entbrannt ist, gibt es ja auch die Hoodiewerber.

Das man mit solchen einem Look großen Erfolg haben kann, zeigt zum Beispiel Christoph Bornschein, Kopf der Social-Media-Agentur TLGG (Torben Lucie und die gelbe Gefahr). 

Was verbirgt sich dahinter? Ich denke, dahinter verbirgt sich der Bruch mit Konventionen, den man auch durch seine Kleidung zeigen will. Wer Hoodie im Businessmeeting trägt, gehört der neuen Generation von Kommunikationsexperten an.

Die digitale kreative Welt schafft sich ihre eigene Sprache und Icons, um sich abzugrenzen.

Womit wir beim Kern des eigentlichen Problems sind: dem Abgrenzen.

Ob Journalismus oder Werbung, genau dieser Drang, sich von der jeweils vermeintlich anderen Welt abzugrenzen, macht viele Projekte so ineffizient, spaßbefreit und unerfolgreich.

Im Journalismus ist die alte Welt das gedruckte Magazin (Print), in der Werbung die Klassik (Anzeige, Plakat, TV-Spots).

Die Hoodie-Debatte im Journalismus dreht sich darum, dass der wahre Könner immer noch der Print-Journalist sei. Also der, der Nachrichten und Informationen recherchiert und sie dann mit einer investigativen Geschichte ans Tageslicht bringt. Wohingegen die Online-Journalisten Inhalte nur kopieren, wiederkäuen und mediumgerecht aufbereiten.

Wer in der ganzen Debatte zu kurz kommt, ist der Kunde. Hier der potentielle Leser, da der potentielle Käufer.

Der Leser sucht auf Medien, die ihm am relevantesten und attraktivsten erscheinen, seine Informationen. Online, Offline oder sogar beides. Wenn dem Leser die Qualität der Information nicht gefällt, sucht er sich Alternativen. Wenn dem Käufer die Werbung einer Marke nicht gefällt, dann kauft er sie einfach nicht.

Ob die Macher dabei Hoodie tragen oder nicht, ist beiden Pumpe.

Und dennoch: der Hoodie scheint bei Verlagen wie Unternehmen eine Zielgruppe zu beeinflussen. 

Es gibt nämlich Entscheider, die sich bei ihrem Auswahlprozess für Kommunikationserfolg mehr vom Auftreten als von den Inhalten der Protagonisten leiten lassen. Auch kenne ich nicht wenige Firmen, in denen die Zusammenarbeit zwischen Krawatten (Marketing) und Hoodie (Online) schlecht funktioniert. Und auch in der Agentur merke ich immer wieder, wie schwer sich der ein oder andere mit disziplinübergreifendem Denken, Handeln und Arbeiten tut.

Doch ein erfolgreiches Verlagsprodukt wie eine erfolgreiche Kampagne entsteht nur dann, wenn Hoodies und Krawatten voneinander lernen und sich gegenseitig inspirieren.

Das scheint in diesen Zeiten aber eher komplizierter als einfacher geworden zu sein. Doch Gebietsschutz ist definitiv ein Auslaufmodell.

Montag, 3. März 2014

Das Banner in der Krise?

Das Internet hat Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen das Geschäft madig gemacht, weil sich dort fast jeglicher redaktioneller Inhalt kostenlos findet. Demzufolge ist auch die Haupteinnahmequelle der Verlage, die Anzeige, als verlässliche Größe eingebrochen.

Der große Konkurrent der Anzeige ist die digitale Displaywerbung. 
Allen voran das Banner.

Wie ich in der letzten (gedruckten) Ausgabe der Horizont vom 27.2.2014 gelernt habe, werden Anzeigen im „Lean Back“-Modus konsumiert. Das heisst, der Betrachter ist eher entspannt, hat Zeit und blättert genüsslich durch das Druckerzeugnis.

Wohingegen Banner einem User eher im „Lean Forward“-Zustand im Wege stehen, denn der Betrachter will eigentlich etwas anderes suchen oder erfahren – und plötzlich legt sich ein Banner über seinen Beitrag. 
Da ist der Nerv-Faktor natürlich ungleich höher als bei Anzeigen.

Anzeigen können nicht blinken, Töne von sich geben oder die „x schließen“-Funktion so clever verstecken, dass du entgegen deiner Absicht auf der beworbenen Seite landest. Und noch genervter bist.

Anzeigen lassen mir die Wahl (ich muss sie lesen wollen).

Banner zwingen mich häufig zu ungewollter Aktion (ich muss mich ihrer entledigen, um weiter agieren zu können).

Weil Anzeigen eine passive Funktion einnehmen, ist es eine besonders große Herausforderung für uns Kreative, sie so zu gestalten, dass ein Leser tatsächlich auf die Idee kommt, sich mit dem Inhalt und der Marke zu beschäftigen. Obwohl er gar nicht die Absicht hat.

Im Jahr 2012 haben Unternehmen rund 2 Milliarden Euro für Anzeigen ausgegeben. Für Banner 1,1 Milliarden.

Inzwischen ist diese Summe aber ein enttäuschender Wert für das Selbstverständnis der digitalen Vermarkter. Denn die Entwicklung stagniert.

Horizont-Journalist Jürgen Scharrer kommt in seiner Krisen-Analyse zu folgenden Gründen:

1. Je schlechter Banner funktioniert haben, desto häufiger wurden sie geschaltet.
2. Die Gestaltung wird immer aggressiver.
3. Ad-Blocker werden zunehmend häufiger eingesetzt.

Ich persönlich finde, dass ein ganz wichtiges Argument vergessen wurde:

Der Konsument hat dazugelernt.

Er sieht die Banner wie eine Anzeige. Aber er klickt sie nicht. Weil er weiß, dass er damit in die digitalen „Fänge“ der Absender gerät.

Wenn ich einfach mal von mir selbst ausgehe, so finde ich manche Banner durchaus gut gemacht und ansprechend. Und ich registriere auch, dass sie Teil einer Kampagne sind. Aber ich klicke nicht drauf, weil ich weder Retargeting-Opfer noch Newsletter-Aspirant werden will.

Damit sind die Banner genau da angekommen, wo Anzeigen längst sind:

Wie misst man die Wirkung des Werbemittels? Der Konsument entwickelt sich weiter. Etwas, dass die ganze Banner-Wirkungsforschung vielleicht mal in Betracht ziehen sollte. Sie kann nicht mehr ausschließlich mit den üblichen Methoden (CPC, CPO) geführt werden.

Das Wahrnehmungsproblem der Banner hat ganz sicher viel mit ihrer kreativen Qualität zu tun. 90% bieten ein sehr mäßiges kreatives Niveau.

Aber den Zustand kennen klassische Kreativen längst: auch Anzeigen bieten zu 90% meistens kreativen Durchschnitt.

Herzlich willkommen also in der ganz normalen Werbe-Wahrnehmungs-Welt, liebe Banner, ihr seid ein stinknormales Werbemittel geworden, dass sich mit der Abwehrhaltung der Konsumenten auseinander setzen muss.

Einmal mehr: Die Idee zählt. Nicht die Technik.