Mittwoch, 29. Januar 2014

Das Re-Tölpel-Ding.

In unserem Kommunikationszeitalter reden die Online-Spezialisten gerne darüber, dass Technologie die Ideen bestimmt. 

Wie kontraproduktiv die pure Technologie wirkt, zeigt sich beim Re-Targeting.

Ich nehme dieses digitale Marketing-Instrument zunehmend als zerstörerisch für Markenimages wahr. Es scheint mir vielerorts ausser Kontrolle zu sein.

Wer sich fragen sollte, was Re-Targeting ist: Es ist der
 fragwürdige Versuch, die Besucher eines Webshops nach Verlassen mit Online-Ads auf anderen Webseiten zu verfolgen, um sie doch noch zur Rückkehr zum Webshop zu bringen.

Beispiel: Du hältst dich bei Superdry, Opodo oder Ebay auf. Und danach siehst du bei SPON die Angebote von Superdry, Opodo oder Ebay. 

Über Coookies wird dein Kaufverhalten getrackt und dann wirst du mit entsprechenden Ads beschickt. Ob die Botschaft aber zu deinem Kontext und zu deinem Kaufverhalten passt, scheint schwer steuerbar zu sein.

Letztes Wochenende war ich in Zürich und habe über booking.com ein Hotel gebucht. Am Montag wurde ich von booking.com um eine Bewertung des Hotels gebeten. 
Da mich das Hotel nicht überzeugt hat, habe ich es entsprechend mäßig bewertet. Ich würde dort nicht mehr übernachten wollen.

Kurz darauf bekomme ich Ads von booking.com. Für Zürich. Und für genau dieses Hotel. 
Eine Anzeige für eine Stadt, in der ich gerade war. Für ein Hotel, in dem ich gerade genächtigt habe. Und das mir – noch dazu – nicht gefiel. 

Macht das Sinn? Erhöht das mein Vertrauen und meine Sympathie für booking.com? Geschweige denn für das Hotel?

Ich kaufe einen Pullover bei Boss und bekomme danach Ads für genau diesen Pullover. Soll ich mir einen zweiten kaufen?

Ich buche einen Flug nach München bei opodo und bekomme danach Ads für Flüge nach München.
Soll ich noch ein paar Leute nach München mitnehmen? Denken die, ich bin vielleicht zu doof, meinen Trip nach München richtig zu planen?

Was auf dem Konzeptpapier der Programmierer gut klingt, ist in der Praxis geschäftsschädigend. Mein Kauf- und Markenerlebnis wird nachträglich verdorben. Doch im Gegensatz zu nicht minder penetranter TV-Werbung kann ich diesem System durch Wechsel der Webseiten häufig gar nicht entfliehen. 

Das Scheißhotel verfolgt mich.

Wenn man bedenkt, mit wie viel Geld und Energie Markenimages mühsam aufgebaut werden, dann wundere ich mich, wie leichtfertig große Marken diesen Aufwand mit Re-Targeting aufs Spiel setzen.

Nachteil durch Technik.



2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Mich verfolgt Finnair.

Frederico hat gesagt…

Sehr gut beobachtet. Wer kennt das nicht?
Interessant ist vllt die Tendenz: Es ringen da zwei Lager miteinander. Die einen arbeiten am "Content" und denken sich tolle Sachen aus, um der Werbung das prinzipiell Unangenehme zu nehmen und womöglich "social" zu denken; und die anderen arbeiten am "Controlling", an den Zahlen hinterm Komma und sonst kennen die keinen Maßstab. Das geht nach Excel-Tabellen, A-/B-Tests etc. Wenn Retargeting-Maßnahmen die Conversion um 3% erhöhen, dann tun sie das - und dann machen wir das. Das Marketing nach Zahlen ist vermutlich Best Practice auf den Slides von McKinseys und BWL-Studenten. Eigentlich ja die alte Kluft zwischen "Vertrieblern" und "Marketing-Kommunikation" ... bleibt einem wohl nicht erspart. Verschiedene Zeit-Horizonte.