Freitag, 27. Dezember 2013

Profitdenken macht arm.

In diesen Tagen bin ich endlich dazu gekommen, die Biographie von Steve Jobs (✞ 10/2011) zu Ende zu lesen.

Das Buch von Walter Isaacson, die sogenannte autorisierte Biografie, ist für Apple Fans irgendwie Pflicht, auch wenn einen beim Lesen ab und an das Gefühl beschleicht, dass Jobs wirklich alles kontrollieren wollte. Selbst das, was nach seinem Tod über ihn gesagt wird.

Rund zwei Jahre später mag eine Reflexion für viele keinen Reiz mehr besitzen. Für mich ging es aber vor allem darum, ein paar Erkenntnisse von einem der größten Überzeugungstäter, den die Welt je gesehen hat, für das eigene Tun mitzunehmen.

Nachdem ich mich – mühevoller als erwartet – durch das Werk gekämpft habe, kamen diese Erkenntnisse erst ganz am Ende des Buches.

Es sind die selbst verfassten Gedanken von Steve Jobs. Über das, was er der Welt hinterlassen wollte. Deshalb auch aus der Ich-Perspektive formuliert:

1. Meine Leidenschaft bestand darin, eine überdauernde Firma aufzubauen, in der die Leute motiviert sind, großartige Produkte herzustellen. Alles andere war zweitrangig. Sicher, es war toll, dass wir Profit machten, denn das erlaubte es mir, großartige Produkte herzustellen. Doch meine Motivation waren die Produkte, nicht der Profit. Sculley (Anm.: einer seiner Nachfolger als CEO) drehte diese Schwerpunktsetzung um: Das Ziel war es nun, Geld zu verdienen. Es ist ein feiner Unterschied, doch er bestimmt letztlich alles: die Leute, die man anstellt, wen man befördert, was man in Meetings diskutiert.


2. Ich habe meine eigene Theorie darüber, warum es zu einem Niedergang bei Firmen wie IBM oder Microsoft kommt. Die Firma macht hervorragende Arbeit, bringt Innovationen hervor und wird in einem bestimmten Bereich Monopolist oder zumindest beinahe, und damit wird die Qualität des Produktes weniger wichtig. Die Firma wertet zusehends die großartigen Vertriebsleute auf, denn sie können den Kurs in Richtung Ertrag ausrichten, und nicht die Wirtschaftsingenieure oder die Designer. Schließlich führen die Vetriebsleute die 
Firma.

3. Ich kann es nicht ausstehen, wenn Leute sich selbst als „Unternehmer“ bezeichnen, wenn sie in Wirklichkeit nur versuchen, ein Start-up aufzubauen, es dann verkaufen oder an die Börse bringen, um entsprechend abzukassieren und daraufhin anderswo weiterzumachen. Sie sind nicht bereit, die Arbeit auf sich zu nehmen, die für den Aufbau einer echten Firma notwendig ist. Dies ist die schwerste Aufgabe, die es im Geschäftsleben gibt.

4. Ich meine nicht, dass ich rücksichtslos über andere hinweggegangen bin. Aber wenn etwas Mist ist, dann sage ich es den Leuten direkt ins Gesicht. Es ist mein Job, ehrlich zu sein. (…) Wir sind auf brutale Weise ehrlich zueinander. Jeder kann kommen und mir sagen, dass ich nur Müll daherrede, und ich kann jedem dasselbe sagen. Wir hatten etliche sagenhaft heftige Auseinandersetzungen, bei denen wir einander angeschrien haben, und das waren die besten Momente, die ich je erlebt habe. 

5. Was hat mich angetrieben? Ich denke, die meisten kreativen Menschen wollen ihre Anerkennung dafür zum Ausdruck bringen, dass es ihnen möglich war, die Arbeit anderer, die vor uns waren, zu nutzen. Ich habe weder die Sprache noch die Mathematik, die ich beide verwende, erfunden. Ich stelle mein Essen kaum her, meine Kleidung überhaupt nicht. Alles, was ich tue, hängt von anderen Vertretern unserer Spezies ab und von den Schultern, auf denen wir stehen. (…) Wir versuchen mit den Talenten, die wir besitzen, unsere tief sitzenden Gefühle zum Ausdruck zu bringen, unsere Anerkennung für alle Beiträge vor uns zu zeigen und dem Fließen etwas hinzuzufügen. Das hat mich angetrieben.



Euch allen einen guten Start ins neue Jahr!

Mittwoch, 11. Dezember 2013

Erfolg hat Copyright verdient.

Dieser Beitrag erschien heute im Horizont.

Vor rund drei Jahren haben wir im Pitch einen Kunden mit überschaubarem Budget überzeugt. Eine Marke, die in einem ebenso überschaubaren Markt mit reinem Verdrängungswettbewerb eine neue Ausrichtung gesucht hat. 

Neue Strategie, neues CD, neue Kampagne. Nach rund neun Monaten war alles auf Schiene gebracht. Die Kampagne lief und zeigte erste Erfolge.

Genau der richtige Zeitpunkt, dachte der Kunde, um uns wieder zu kündigen – und ohne Agentur weiter zu machen.

Die Kampagne läuft heute immer noch. Und wir sehen keinen Pfennig für die laufende Nutzung unserer Ideen, weil wir beim Copyright nicht hart geblieben sind. In dem blinden Vertrauen, dass der Kunde länger als 12 Monate bei uns bleibt und dadurch unsere kreative Leistung ihre faire Bezahlung erfährt.

Copyright ist für viele Kunden immer noch ein Vertragsbestandteil, der für alle Zeit und alle Welt wie selbstverständlich im Honorar enthalten ist.


Ich bin der Meinung, dass das Copyright für immer und überall dann abgegolten ist, wenn der Vertrag zwischen Kunde und Agentur mit einem entsprechenden Honorar und mit einer ebenso entsprechenden Laufzeit ausgestattet ist.

Da solche Verträge in diesen Achterbahn-Zeiten aber immer seltener werden, bekommt das Copyright für Agenturen eine wichtige Bedeutung.

Wenn eine Idee, eine Kampagne, eine Webseite oder eine sonstige kreative Arbeit dem Kunden Erfolge bringen, dann gebietet es die Fairness, dass diese Idee so lange entlohnt wird, wie sie ihren Dienst tut.

Gerade im Projekt-Geschäft oder bei niedrigen Honoraren ist das Copyright eigentlich die klassische Erfolgsvergütung, welche Kunden gerne einfordern. Schließlich setzen sie die kreative Leistung auch nur dann für eine längere Zeit ein, wenn sie die gewünschte Wirkung zeigt.

Ein Paradebeispiel ist der Jever-Mann mit „kein anderes Bier“. Gefühlt 10 Jahre, nachdem der Kunde die Agentur verlassen hatte, wurde dieser Spot immer noch in seiner Urversion geschaltet. Das diese sehr erfolgreiche Idee keine Tantiemen für den Urheber bringt, ist aus heutiger Sicht ein Witz.

Nicht selten wird es als Unverschämtheit betrachtet, wenn eine Agentur heutzutage darauf drängt, eine Regelung für das Copyright zu finden, die für beide Seiten akzeptabel ist. Und es ist ja nicht so, dass es hier keine erprobten Modelle gibt, die Mediadruck, Laufzeit usw. in akzeptabler Form berücksichtigen.

Deutschland wirbt für sich mit dem Claim „Land der Ideen“, also sollten die Ideen in diesem Land auch den entsprechenden Respekt erhalten.

Der Bundesgerichtshof hat vor kurzen schon mal einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Mit seinem Urteil vom 13.11.2013 hat er den Unterschied in der Bewertung des Urheberrechtsschutzes zwischen "angewandter Kunst" und "zweckfreier Kunst aufgehoben. 


Was – theoretisch – bedeutet, dass Arbeiten von Werbeagenturen ab sofort den gleichen Status einer künstlerischen Leistung erhalten. Welche bei sichtbarem Erfolg auch entsprechend vergütet werden müssen.

Die Rechtsprechung hat dazu den sogenannten Fairness-Paragraphen aufgesetzt. Es gibt keinen passenderen Begriff dafür, wie ich finde.


Das Urteil ist übrigens ein Ergebnis der konsequenten Untergrundarbeit des GWA (danke).

Mittwoch, 13. November 2013

Aktueller Insight zum Insight.

Eine starke Kampagne beruht auf einer starken Strategie. Eine starke Strategie beruht auf einem starken Insight.

Ziemlich abgedroschene Feststellung. Aber so wahr wie vernachlässigt.

Der Insight wird – im Gegensatz auf seiner Bedeutung – in vielen Fällen fahrlässig erstellt (die FMCG Branche klammern wir hier mal aus). 
Stattdessen stecken Unternehmen viel Energie und Budget in Kampagnen Pre- und Posttests. 

Ein Irrwitz, bedenkt man, dass bei der Erstellung eines Insight eher dem Bauchgefühl vertraut wird. Um es nachher für viel Geld in den Research zu geben.

Den Insight zu vernachlässigen ist, also würde man in einem Motor die Konstruktion der Kolben nach dem Prinzip „Pi mal Daumen“ verfolgen.

Wer relevante Botschaften predigt, muss vorher das Hohelied des Insight anstimmen.

Ein guter Insight ist die treffende und wirklich vorherrschende emotionale Bedürfnislage der Konsumenten. Etwas, das man durch quantitative Marktforschung kaum in Erfahrung bringt. 
Da müssen qualitative Befragungsmethoden her (z.B. Focus Groups), um zu ergründen, was die Zielgruppe treibt.

Warum reite ich darauf herum? 
Weil ich gerade in jüngster Zeit immer wieder erlebe, dass die Insights hingetextet werden wie eine mittelmäßige Headline.

Entweder, um die Entscheider im Unternehmen nicht in ihrer ganz eigenen Produktwahrnehmung zu verstimmen oder um einfach nur einen kleinen gemeinsamen Nenner für alle zu finden. 
Und natürlich auch, um bloß kein Bedürfnis zu ergründen, dass mit den betreffenden Produkten und Rahmenbedingungen der Marke nicht zu bedienen ist.

Für mich beschreibt ein guter Insight ein persönliches Dilemma.

Beispiel: Ein Mann liebt schnelle Autos. Und fährt auch eins. Dann trifft er die Frau seines Lebens. Sie heiraten. Und bekommen ihr erstes Kind. Der Mann liebt seine Frau und sein Kind. Und weiß, er muss jetzt auf einen familienfreundlichen Kombi umsteigen. Aber er liebt immer noch schnelle Autos. Wie kann ihm eine Automarke helfen? Man muss kein Hellseher sein: mit einem sportlichen Kombi, zum Beispiel einem Skoda Octavia Combi RS.

Das führte vor einigen Jahren zu der Kampagne „Auch Väter sind Männer“. Ich mag den Gedanken übrigens immer noch.


Müsste ich jetzt einen Insight der Marketingentscheider zu diesem Thema formulieren, er würde so lauten: Sie wissen, dass Insights essentiell sind, um gute Strategien zu erarbeiten. Aber die Bereitschaft im Unternehmen, das Budget und die Zeit, solche Insights substantiell zu erforschen, sind wenig ausgeprägt. Schon gar nicht beim Controlling. Ein Pretest dagegen liefert gleich viel konkretere Ergebnisse – als nur einen Insight.

Klar, ein solcher Pretest liefert am Ende "Kampagne machen", "Kampagne überarbeiten" oder "Kampagne nicht machen". Bei den letzten beiden Optionen muss die Agentur dann in 1 Woche schnell eine neue Kampagne auf die Beine stellen. Bei gleich schwammigem Insight. Ob das effizient ist?

Wenn ich dazu sehe, wie viel Geld in Storyboard-/Animatic- und Kampagnentests gesteckt wird, und wie wenig in die Erforschung von Insights, dann gibt es hier Optimierungsbedarf.

Eine Expertise, die wir Agenturen wieder mehr ins Bewusstsein holen sollten.



Sonntag, 27. Oktober 2013

Der sozial-mediale Kreativfilter.

Ich habe noch nie so viel gute und kreative Werbung gesehen wie in den letzten – gefühlt – 3 Jahren. So viel wie noch nie in meinem Werber-Leben.

Der Grund sind die sozialen Medien, in denen ich mich bewege. Meine Freunde und Follower zeigen fast im Stundentakt die Preziosen der weltweiten Kommunikation. Sicher hat das mit meinem Freundeskreis zu tun, der eine höhere Affinität zu Kommunikation besitzt als Nicht-Werber. 

Aber wir wissen, dass auch Nicht-Werber ungewöhnliche Kommunikation posten, um sich selbst damit interessant zu machen. Die Kausalität ist einfach herzustellen: Nur das Stück Kommunikation, das wirklich ungewöhnlich scheint, wird in den Status gestellt.

Bedeutet: Facebook fördert kreative und mutige Werbung. Wie auch Twitter. Und Google+. YouTube sowieso. Ich bin geneigt zu sagen, dass die sozialen Medien gar den kreativen Anspruch der klassischen Werbung heben.

Der Druck auf klassische Werbemittel, besonders TV-Spots, wird durch den Word-of-Mouth-Faktor größer. Vorstände sehen, wie viel Zeit ihre Kinder in den sozialen Medien verbringen und denken plötzlich darüber nach, warum die Werbung ihres Unternehmens kein Like erhält.

Viele Marketing-Manager sehen sich inzwischen mit der Forderung konfrontiert, nicht mehr doppelt zu fahren. Hier den klassischen TV-Spot, der – sagen wir mal – nicht anecken darf, da der virale Spot, der anecken soll, damit er geliked wird.

Sie sehen sich gezwungen, Kommunikation zu produzieren, die beides schafft.

Heißa! Was für eine Herausforderung.

Und es wird nicht einfacher. Mein Kreativfilter SM sorgt zusätzlich dafür, dass ich noch nie so viel katastrophales Zeug gesehen habe. Weil natürlich auch jede 
kommunikative Peinlichkeit mit großer Schadenfreude an den Pinnwänden dieser Welt verrissen wird. 

Doch es darf uns Kreative ermutigen, dass viel mehr gute als schlechte Kreation durch den Orbit geschickt wird. Leider kommen die wenigsten guten Beispiele aus Deutschland. 

Ein Grund: Vielen Entscheidern fehlt das nötige Verständnis dafür, was es braucht, um Kommunikation in den sozial-medialen Freundeskreisen zur WOM-Bombe zu machen. Damit einhergehend fehlt das Verständnis für ein entsprechendes Seeding-Budget. Virale Knaller finden nur deshalb den Weg an unsere Pinnwände, weil sie von Profis vorher in den dafür nötigen Blogs und Foren platziert wurden.

Die Markenverantwortlichen sind leider selbst nicht in den betreffenden Medien unterwegs und beschäftigen sich zu wenig damit. 
Nur weil sie auf FB oder Twitter angemeldet sind, heisst das nicht, dass sie diese Medien verstehen.

Der Markenberater Alexander Ellhof hat auf dem Blog seiner Website "Dritte Kraft" einen spannenden Beitrag verfasst, dass der WOM-Faktor zukünftig ein sinnvolles Messinstrument sein könnte, um die Effizienz von Kreation zu erkennen.

Allerdings wissen wir auch, dass die große Mehrheit der SM-User stumm ist und die Voyeur-Funktion bevorzugt. Sie verteilen kein "Like", auch wenn ihnen etwas gefällt und sie die Marke dafür mögen.

Mein Lieblingswerk der vergangenen Wochen kommt aus Spanien. Ich finde es berührend, habe es aber weder geliked noch gepostet. Immerhin, YouTube hat ein View mehr.

Trotzdem steigt mein Respekt vor der Marke an, obwohl ich die aktuelle deutsche Kommunikation fad finde.

Ein stummes Like. Immer noch schwer zu messen.

Dienstag, 15. Oktober 2013

Glaubwürdigkeit kommt nicht auf Bestellung.

Meine Mutter bekommt regelmäßig von ihrer Versicherung einen Verrechnungsscheck per Post. Weil sie eine betagte Dame und nicht mehr so gut zu Fuß ist, bringe ich jedes Mal den Scheck für sie zur Bank. Was meine Geduld strapaziert. Weil gefühltes Mittelalter.

Also setzte ich mich vor ein paar Monaten hin und schrieb der Versicherung eine E-Mail mit der Bitte um direkte Überweisung auf das Konto meiner Mutter.

Versichern heisst verstehen. Die Schecks kamen weiter per Post. 

Ich musste zwingendere Maßnahmen wählen: einen 
Anruf beim selbsternannten Kundenversteher.

Nach 2 Minuten gemafreiem Banalitäten-Hit hatte ich eine freundliche Dame als Gesprächspartner. Ich erklärte den Sachverhalt. Sie wollte wissen, ob ich bevollmächtigt sei, was ich bestätigte und was sie in ihrem Computer nach einigem Suchen auch bestätigt fand. Um mir dann mitzuteilen, dass sie nicht weiterhelfen könne. Die zuständige Person telefoniere gerade. Und schloß das Gespräch mit einer direkten Durchwahl zum Mitschreiben ab.

10 Minuten nicht weiter gekommen. 
Versichern heisst verstehen. Na gut.

Erneute 10 Minuten später. Besetzt. 
15 Minuten später. Besetzt. 17 Minuten später. Besetzt.
18. Minute: Endlich den zuständigen Sachbearbeiter am Rohr.

Er hört sich die Geschichte 
ebenso geduldig an und meint, dass ich die soeben ausgeführte Anfrage bitte schriftlich stellen solle. Ich frage ihn nach seiner E-Mail Adresse. Er erwidert, dass er ein Fax benötigt.

Versichern heißt verstehen: wo komme ich nur an ein Fax?

30 Minuten schmallippige Kundenbetreuung und 
3 Jahre vollmundige Kampagne bringen mich zu dem Ergebnis: dieses Unternehmen versichert, aber dieses Unternehmen versteht nicht.

Vielleicht hat dieses Unternehmen deshalb vor ein paar Wochen einen Pitch ausgerufen. Um sich erneut neu zu positionieren. Erscheint mir plötzlich mehr als sinnvoll.

Unternehmen verspüren in erfolgloseren oder komplizierten Phasen ihrer Existenz den durchaus nachvollziehbaren Wunsch, sich neu zu positionieren. Nicht selten, wenn ein frisches Management am Ruder ist.

Agenturen werden auf eine neue Vision gebrieft. Und entwickeln einen vielversprechenden Kommunikationsauftritt. 
Kunden gefällt dieser neue Auftritt. Weil ihre Vision in kürzester Zeit sichtbar wird. Auch der ernst gemeinte Hinweis am Ende der Präsentation, dass dieser Anspruch von der Organisation gelebt werden muss, wird wissend nickend zur Kenntnis genommen.

In der Euphorie des Neuen wird aber gerne vergessen, dass diese visionären Versprechen ab der ersten öffentlichen Erscheinung gehalten werden müssen. Jeden Tag. Von jedem Mitarbeiter. Und das es verdammt harte Arbeit für Produktentwicklung, Vertrieb und Service bedeuten kann, da hin zu kommen.

Je größer die "Klappe", desto wichtiger das "liefern".

Kommunikation, die eine neue Positionierung vorgibt, kann durchaus nach innen wirken und einen Apparat mitziehen, der etwas träge erscheint. 
Doch wenn der Apparat überfordert wird, passiert das Gegenteil. Noch größere Lähmung. Und Trotz.

Im digitalen Zeitalter gehen Botschaften in Sekundenschnelle um die Welt. Gute wie schlechte. Gerade falsche Markenversprechen sind ein Content, der für die vielen penibel danach suchenden Shitposter der schönste King ist.

Wenn eine Marke nicht glaubwürdig für das stehen kann, was sie verspricht, sollte sie weniger versprechen. Und es halten. Glaubwürdigkeit ist das wichtigste Scharnier zwischen Botschaft und Marke. 

Unrealistische Ziele haben noch nie zum Ziel geführt. Und Glaubwürdigkeit gibt es nicht auf Bestellung. Entweder man hat sie schon. Oder man muss einiges tun, um sie zu erlangen.

Eine(r), die/der HörZu zu Hause hat. 

Zu Hause liegen vielleicht (dank Freieinweisung). Aber zu Hause lesen? 

Auch eher Witz statt Wahrheit.


Montag, 7. Oktober 2013

Wer kontrolliert eigentlich Einkäufer?

Folgender Beitrag erschien heute bei Horizont:

Kreative dürfen naive Fragen stellen. Das gehört zu unserem Job. Wie inzwischen auch diese eigenartige Spezies Mensch zu unserem Job gehört, die kreative Leistung wie Schrauben einkauft. Und alles immer noch günstiger von uns haben will.

Das bringt mich manchmal um den Schlaf. Doch was noch schlimmer ist, es bringt Kunden um bessere Kommunikation, ohne dass sie es so recht erkennen.

Ein Beispiel. Wir haben einen Film für ein Produkt des Unternehmens X konzipiert. Das Marketing von X findet ihn klasse. Kurze Zeit darauf meldet sich der zuständige Einkäufer von X mit einem dieser endlosen wie rechtlich korrekten e-Mails, die unterm Strich sagen: drei Angebote, aber dalli.

Dalli ist bei einem komplexen Film gar nicht so einfach. Aber schließlich kriegt er (und das Marketing) drei Regisseure, drei Regierollen, drei KVAs, drei Moodboards. Sowie jede Menge Leidenschaft und Vorfreude zum Wohle der Idee.

Der Film arbeitete mit mehreren Darstellern. Also entstehen Buyouts. Der Kunde will sie weltweit und zeitlich unbegrenzt für alle Medien. Der Kenner weiß, auch das hat seinen Preis. Der Einkäufer hat ein angeborenes Misstrauen gegen Kenner und vorsorglich schon eigene Produktionen aus dem Ärmel gezogen. Alle natürlich viel günstiger als unser günstigstes Angebot. 

Was für ein Tausendsassa. Mit den Zahlen auf der Karte seiner Asse konfrontiert, brechen wir in Tränen aus. Wir beerdigen die einst gute Idee. Der Einkäufer reichte uns gerade die Sargnägel (keine Frage, günstigstes Modell). 

Sofort tauchen sie auf, die geschliffenen Marketing-Weisheiten, die unser Verständnis suchen. Zur Natur von Marktwirtschaft gehöre es nun mal, dass das beste Preis-Leistungsverhältnis gewinnt (äh, könnten wir die Leistung der uns unbekannten Produktion vielleicht mal diskutieren?).

Und überhaupt, durch die Corporate Compliance Brille sehen es viele Unternehmen nicht so gerne, wenn Agenturen mit Produktionen zusammen arbeiten, die ihnen gut bekannt sind (äh, könnte es nicht sein, dass gerade dieses Vertrauen bessere Ergebnisse erzeugt? Ergebnisse, wegen derer wir einst mal verpflichtet wurden?). 

Welcher Experte macht sich eigentlich Gedanken darüber, was ein Unternehmen draufzahlt, wenn es bei der Produktion 100.000 Euro spart, dafür später aber für mehrere Millionen Euro gequirltes Mittelmaß in die Welt sendet? 

Keine Ah's, keine Oh's, keine Likes, keine Shares, keine Klicks, keine Views. Noch nicht mal einen Shitstorm. 

Kommt dann irgendjemand auf die Idee, dass mehr Produktionsbudget sehr viel mehr gebracht hätte Macht irgendeiner im Unternehmen dem Einkäufer dafür die Hölle heiß? Ruft irgendjemand einen Pitch um die Neubesetzung des Procurements aus?

Da haben es Schrauben einfacher. Ihre schlechtere Qualität fällt sofort bei Anwendung auf. Der Produktionsprozess gerät ins Stocken. Der CEO gerät in Rage. Und will wissen, warum plötzlich so billige Scheisse eingekauft wird.

Und wer dafür verantwortlich ist.

Sonntag, 15. September 2013

Der inszenierte Herzinfarkt.

Das Spiel mit der versteckten Kamera nimmt zu. Der Grund liegt darin, dass es ein beliebtes Format scheint, um Views auf YouTube zu erzeugen. 

Ich habe bereits darüber geschrieben.

Jüngstes Beispiel ist ein Film für den neuen Ultra HD Bildschirm von LG Electronics.


Das Erfolgsprinzip der „Versteckten Kamera“ ist das Unwissen seiner Protagonisten. 
Menschen werden in eine absurde Situation gebracht, mit der sie überhaupt nicht rechnen. Und dabei werden sie unbemerkt gefilmt.

Derb formuliert: sie werden verarscht. Alle anderen schauen zu. Und lachen sich schlapp. Weil 
Schadenfreude eben die schönste Freude ist. 

Es fällt allerdings vermehrt auf, dass diese versteckten Kameras gar nicht mehr versteckt sind, sondern wie ein Werbespot inszeniert werden. 
Bei diesem LG Werk kippt die Faszination für die Aktion, denn je länger er läuft, desto unglaubwürdiger die Reaktionen der "Bewerber". Das wirkt überinszeniert.

Trotzdem hat der Film seine Fans. Es sei ihm gegönnt.

Bei einer Testfahrt, bei der ein Autoverkäufer im Auftrag von Pepsi durch einen getarnten NASCAP Fahrer an die Grenzen seiner psychischen und physischen Leidensfähigkeit gebracht wird, ist es ebenfalls naheliegend, dass das Ganze gespielt wurde.



Warum? In einem Land wie Amerika, in dem Unternehmen schneller hohe Schadensersatzklagen durch Kunden am Hals haben als in jeder anderen Region der Erde, würde kaum eine Marke in Betracht ziehen, einen Menschen mit so einer Aktion an den Rande eines Herzinfarktes zu bringen.

Schlagzeile: Autoverkäufer bei verdeckter Werbeaktion getötet.

Die interessante Frage ist nun, ob diese Hidden Camera Filme noch ihre hohen Klickraten hätten, wenn allseits bekannt wäre, dass die Verarschung vorgegaukelt ist?

Bis die Antwort herausgefunden wird, stellen wir mit einer gewissen Süffisanz fest, dass der klassische Werbespot das Internet erobert. 

Gut erzählte Märchen mit überraschender Handlung finden auch hier ihre Fans. Das war früher so. Das ist heute so. Und das wird morgen so bleiben.

Das gute alte Storytelling. Es ist reizvoller und lebendiger denn je.

Sonntag, 8. September 2013

Erpressermailing und Rautenstorm.








Es ist wieder Wahlkampf. Und Wahlkrampf. Der Wähler blickt regelmäßig seit vielen Jahren, man ist geneigt, Jahre durch Jahrzehnte zu ersetzen, auf politischen Kampagnen voll fehlender Kreativität.

Ein Vorwurf, der auch dieses Jahr deutlich formuliert wird.

Ich kann mich dem nicht voller Überzeugung anschließen, denn ein paar Lichtstreifen am Horizont sind sichtbar. So viel kreative PR-Coups wie dieses Mal gab es noch nie. Und warten wir mal ab, was bis zum 22. September noch so alles in die Schlagzeilen kommt.

Der Horizont bezeichnet den Verriss der „Merkel-Raute“ in den sozialen Medien als Eigentor. Ich denke dagegen, es konnte einem Plakat mit der platten Headline „Deutschlands Zukunft in besten Händen“ nichts Besseres passieren, um doch noch irgendwie ins Gespräch zu kommen und das Investment zu rechtfertigen.

Die Schlandkette aus dem TV-Duell hat es zum heiß diskutierten Hashtag bei Twitter gebracht und wurde Gesprächsstoff. Ich bin sicher, sie war mit Bedacht umgehängt, wenn sich auch das belgische Volk mehr mit ihr identifizieren konnte als das deutsche. Was ihrer unglücklichen Hanglage geschuldet war.

Raabs „King of Kottelette“-Spruch im TV Duell hat Steinbrück ebenfalls PR gebracht und das Video für den Schulsprecher-Kandidaten nicht minder. Ausnahmsweise sogar mit ungeahnten Sympathie-Sonderpunkten.

Warum das Erpressermailing „Putzfrau und Schwarzarbeit“ an Steinbrück gerade jetzt seinen Weg jetzt in die Öffentlichkeit findet, lässt sich auch in mehrere Richtungen deuten.

Mit etwas wohlwollendem Abstand stelle ich also fest, dass die politischen Kampagnenmacher ein paar unerwartete kreative Highlights geschaffen haben, die es in dieser Ballung bisher in Wahlkämpfen nicht gab.

Der Pflicht-Veggie-Day der Grünen war vielleicht auch als solches Highlight geplant, hat sich nun aber viel mehr als klassisches Eigentor erwiesen als der Rauten-Shitstorm.

Bei all diesen vielen kleinen Lichtblicken erkennt der Profi natürlich, dass dem Ganzen die Linie fehlt.

Weil die Aktionen nicht geplant waren. Teilweise wollte man auch das Gegenteil von dem erreichen, was später folgte: Kommunikation in gnadenlosen Händen.

Doch wo soll bei so vielen Gremien und Lobbies, die sich in dieser Anzahl wohl nur in der Politik vorfinden, auch eine Linie (= große Botschaft und emotionale Relevanz) herkommen? Wenn es schon im Produkt (= Regieren) unseres Landes mit der Linie nicht klappt, wie denn dann in der Kommunikation?

Ich glaube, dass mangelnde Kreativität gar nicht das größte Problem der politischen Werber ist. Das größte Problem ist, eine spitze Positionierung zu erarbeiten, zu verabschieden und durchzusetzen.

Und da ist sie wieder, die täglich über all unserem Tun drohende Herausforderung:

eine crossmediale Kampagne mit Kunden zu schaffen, die nicht nur dezentral aufgestellt, sondern auch so eingestellt sind.

Sonntag, 25. August 2013

Werbung? Kann doch jeder.



Dieses Video sei all den Menschen gewidmet, die der Meinung sind, Werbung muss nichts kosten.

Unter dieser Maxime haben einige politische Kandidaten ihre Werbung für die kommende Wahl selbst gestrickt. Oder einen Partner gefunden, der es ihnen "ganz günstig" macht.

Im Zuge zunehmender Spardoktrin wird auch in vielen Unternehmen immer häufiger das günstigste Angebot gesucht – und die Vergabe eines Auftrages von der Qualität der Ideen abgekoppelt. 

Leider gibt es bisher noch zu wenige Beispiele, die aufzeigen, wie viel mehr es kostet, wenn ein Unternehmen bei Konzeption oder Produktion einer Kampagne ein paar tausend Euro spart, dafür aber später Werbemittel on air gibt, die nichts bewirken.

Denn im Gegensatz zu Hohn und Spott, den sich die Dame oben zu Recht eingefahren hat, ist null Reaktion ein gefährliches Markenschlafmittel. Keiner spricht uns auf die Werbung an? Gut so! 

Der stern hat in einem sehr amüsanten Beitrag die gesammelten Fremdschäm-Spots deutscher Wahlkandidaten zusammengestellt.

Deine Lachmuskeln werden ihre Freude haben.

Unsere singende Kandidatin, die sich zudem als Juristin ausgibt, hat sich neben negativen Schlagzeilen vermutlich auch noch eine einstweilige Verfügung durch den Musikverlag eingefangen. Was zusätzlich die Zweifel an den Fähigkeiten dieser Politikerin nährt.

Das YouTube-Video im stern Beitrag ist inzwischen zurückgezogen worden, aber wie das Video oben zeigt, lässt sich mit ein paar Recherche-Klicks immer noch ein Exemplar auftreiben. Mal sehen, wie lange es noch zu sehen (und zu hören ist).

Schöne Werbung für uns Werbeagenturen.

Donnerstag, 8. August 2013

Was für ein Omnischiss.

Jeder ehrgeizige Unternehmer braucht ab und zu ein Feindbild, um sich und seine Mannschaft zusätzlich zu motivieren. 

Als Feindbilder für inhabergeführte nationale Kreativagenturen taugen die internationalen Agentur-Netzwerke. Und ihre dazugehörigen Werbeholdings.

Nummer 1 ist WPP (JWT, Y+R, Ogilvy, etc.).
Nummer 2 ist Omnicom (BBDO, DDB, TBWA, etc.).
Nummer 3 ist Publicis (Publicis, Saatchi & Saatchi, Leo Burnett, BBH, Fallon, etc.).

Dann gibt es da noch Dentsu, IPG, Havas und Hakuhodo.

Wenn das EU-Kartellamt nickt, werden Nummer 2 und Nummer 3 jetzt zusammen gehen. Und die neue Nummer 1.


Unser Feindbild hat also wieder beträchtlich Nahrung aufgenommen, wir können mit den Verunglimpfungen loslegen.

Ist es so einfach?

Dieser Merger ist zweifelsohne eine Idee von Managern, denen Zahlen wichtiger sind als das kreative Produkt. Sie erhoffen sich vor allem zwei Vorteile:

Einsparung von Mitarbeitern in übergreifenden Bereichen (z.B. Services) und damit das Senken von Personalkosten.

Verbesserung der Verhandlungsmacht durch schiere Masse – besonders beim Einkauf von Medialeistung. Denn zu jeder guten Werbeholding gehören auch ein paar Mediaagentur-Netzwerke. 

Diese Strategie ist so gesehen keine Strategie zur Steigerung kreativer Qualität.

Der Druck auf die Anbieter von Medieninhalten wird durch den Zusammenschluss noch höher, die Qualität der Werbeumfelder noch schlechter, die Planungsqualität ebenso. Denn am Ende müssen noch mehr und noch billiger eingekaufte Media-Restposten den Kunden untergejubelt werden.

Media-Restposten erkennt man oft daran, dass ein Spot auf Sendern und zu Uhrzeiten läuft, zu denen die Zielgruppe ganz bestimmt nicht mehr TV guckt. Oder wenn ein digitales Werbemittel auf Webseiten erscheint, die sie ebenfalls nicht nutzen.

Wie das Mediageschäft genau funktioniert, könnt ihr bei Bedarf hier nachlesen.

Dennoch muss man sich die Frage stellen, warum die Manager der Holdings so einen Schritt wagen (neben dem über alles schwebenden Grund, Aktionäre mit guten Nachrichten zufrieden zu stellen)?

Wer hier Eitelkeit als Treiber sieht (endlich kann man dem ungeliebten WPP Chef mal eines auswischen und ihn auf Platz 2 schicken) oder die anstehende Nachfolgeregelung für den Publicis-Chef, der unterschätzt die Entwicklungen im Markt.

Unser Markt zeigt für mich zwei große gegenläufige Ströme. 

Hier eine brutale Zahlen- und Kostenorientierung bei den Kunden. Speziell bei großen und global agierenden Marken und Konzernen. Kostenkontrolle dominiert Qualitätsansprüche.

Da die Rückkehr von Kunden, die sich diesen omnipräsenten Systemen und ihren Managern ausgeliefert fühlen, zu inhabergeführten Agenturen, die für eine gewisse Qualität stehen und eher national agieren.

Es lässt sich allerdings – bei aller berechtigten Pflege des Feinbildes Werbeholding – nicht leugnen, dass das Produkt Kommunikation von großen Playern mehr und mehr wie Schrauben oder andere Waren, die ein Konzern benötigt, eingekauft wird. So gesehen reagieren Nr. 2 und 3 nur auf die Bedürfnisse ihrer Kunden.

Immer weniger Menschen in großen Konzernen interessieren sich dafür, dass eine gewisse kreative Qualität eine Eigenschaft benötigt, die man nicht in genaue Stunden und Manntage fassen kann: Freiheit.

Freiheit und Pfennigfuchserei sind einfach schwer miteinander zu verheiraten.

Leider stellt sich kein Einkäufer in Konzernen die Frage, wie viel er draufzahlt, wenn er die Produktionskosten von kreativer Ware zum Wohl des eigenen Unternehmens so drückt, dass das Ergebnis leidet. Und leider setzen sich auch immer weniger Marketingentscheider damit auseinander, um vielleicht gute Argumente zur Einsicht ihrer Einkäufer zu haben.

Was wird es ein Unternehmen kosten, wenn es bei der Produktion eines Spots bspw. € 50.000 spart, die dadurch erzeugte kreative Mittelmäßigkeit für 2 Millionen Euro schaltet – und dafür an Kommunikationsleistung einbüßt?

Im Falle des Mißerfolges wird meistens die Agentur für schuldig erklärt und ein Pitch ausgerufen.
Um bei der Gelegenheit gleich noch günstiger kreative Leistungen einzukaufen.

Kreativität hat aber eine noch andere wichtige Facette als Freiheit. Der Glaube an die Inspiration und das Talent von Menschen, um mit guten Ideen mehr Wirkung zu erzielen und ein besseres Geschäft zu machen. Menschen, die man nicht so einfach in eng ausgeklügelte Ausschreibungsschemata pressen kann.

Wenn dieser Glaube an Menschen fehlt, entsteht meistens Werbung von der Stange. Wie man ja überall auf dieser Welt problemlos sehen kann.

Was uns Kreative vielleicht beruhigen kann, ist der Schluss, dass der Merger kein Mehr an gequirllter Scheisse erzeugen wird. Er wird sie nur noch günstiger einkaufen.


Donnerstag, 11. Juli 2013

Klassik ist tot. Es lebe Neo-Klassik.

Die Bezeichnung „klassische Agentur“ scheint zum Unwort der Branche verkommen zu sein. Besonders rein digitale oder Social-Media-Agenturen erklären klassische Agenturen gerne zum Auslaufmodell.

Was ist eine klassische Agentur? Ein Ideenlieferant für nicht digitale Medien?

Das war vielleicht so, als es das Internet noch nicht gab.
Aber als die digitale Kommunikation ein Markt für Agenturen wurde, haben sich natürlich auch sogenannte klassische Agenturen mehr oder weniger erfolgreich damit beschäftigt. Und den Markt bedient.

Sie tun es noch. Und immer mehr.

Eine Agentur wie unsere, wenn man sie als klassische Agentur betrachten mag, sieht ihre Stärken in Markenberatung, Strategie und in der Umsetzung von beidem zu crossmedialen Kommunikationslösungen. Also offline und online. Analog und digital. Möglichst gut vernetzt. Mit hohem kreativen Anspruch.

Unser Ur-Ziel hat sich aber durch die Digitalisierung nicht verändert: Mehr Wirkung durch Kreativität, damit unsere Kunden weniger Mittel für ihre Marke einsetzen müssen, um ihre Ziele zu erreichen.

Die These, dass klassische Agenturen ihre Daseinsberechtigung verspielt haben, kommt gerne von Marktteilnehmern, die denken, dass ihre Nischen-Expertise die Zukunft ist. 

Früher waren das die Direktagenturen. Dann kamen die reinen Digitalagenturen. Jetzt sind das scheinbar die SM-Agenturen.

Unbestritten ist immer noch, dass die Zukunft einer Branche das Angebot ist, welches der Markt fordert.

Unser Markt sind Marken und die Unternehmen dahinter.

Es besteht kein Zweifel daran, dass die digitalen Möglichkeiten das Handeln von Marken und Unternehmen heute massiv beeinflussen. Zum Beispiel in Vertriebs- und Kommunikationsplattformen zu den Kunden. Sei es mit Webseiten, Apps, Social Media, CRM-Modellen oder mobilen Techniken.

Dennoch muss ich mich als Agentur fragen, was ich in Zukunft eigentlich verkaufen möchte: Vertriebslösungen oder Kommunikationslösungen?

Natürlich sorgt die Digitalisierung dafür, dass sich auch diese beiden Bereiche immer häufiger überschneiden. 

Doch unsere (von mir aus klassische) Stärke ist, die Wünsche, Bedürfnisse und Sehnsüchte der Zielgruppen zu ergründen und entsprechend zu bedienen. Wir können Konsumenten für Marken oder Botschaften interessieren, die sie nicht auf dem Zettel haben.

Wir schaffen emotionale Präferenzen gegenüber anderen Markteilnehmern. 

Ich glaube sogar, dass die klassischen Werbemittel ein Revival erleben werden.

Die Ablehnung gegen die professionelle Online-Ausspähung mit all ihren technischen Möglichkeiten schafft nicht nur viele neue Chancen, mit dem Konsumenten zu kommunizieren und Geschäft mit ihm zu machen.

Sie schafft auch emotionale Widerstände. 

Je weniger ich mich diesen Werbemechanismen im Netz entziehen kann, desto größer werden emotionale Aversionen.

Vielleicht kommen wir schon bald an den Punkt, wo ein Plakat wieder als wohltuend zurücknehmende Form der Werbung empfunden wird, weil wir einfach nur wegsehen müssen, wenn es uns nicht interessiert. 

Wegklicken oder einen (von den Anbietern leicht gemachten) Fehlklick wieder rückgängig machen, das ist weitaus nerviger.

Vor diesem Hintergrund ist die Allianz, die Leagas Delaney und Booz Digital eingehen, sicher ein vielversprechender Schritt. 

Hier ergänzen sich Spezialisten. 

Die einen kommen mehr von der rationalen und kennzahlenorientierten Seite, die anderen von der emotionalen und kreativen.

Deshalb mag ich den Begriff Neo-Klassik. 

Er subsummiert für mich die ganzheitliche Markendenke mit den Erfordernissen der heutigen Kommunikationsmöglichkeiten.

Am Ende entscheidet der Markt, welcher Agenturtyp erfolgreich ist oder verschwindet.

Bei aller Theorie ist es immer und immer wieder die Idee, die den Unterschied machen wird. 


Ganz egal, wie dein Agenturtyp genannt wird. Wir werden an Ideen gemessen.

Und das ist auch gut so.

Freitag, 5. Juli 2013

Bin ich in der Agentur kreativer?



In Zeiten der Work-Life-Balance (mancher hat ja sogar schon ein Upgrade auf Work-Life-Happiness vorgenommen) sieht sich ein Chef immer wieder mit Arbeitsmodellen konfrontiert, die ausserhalb der Agentur stattfinden können, um die Attraktivität seiner Agentur für Mitarbeiter zu erhöhen.

Er muss sich die Frage stellen, ob es für viele Mitarbeiter interessanter ist, zu Hause zu arbeiten. Und ob ein Kreativer dort vielleicht bessere Ideen hat als in der Agentur.

In der Juni-Ausgabe des amerikanischen Tech-Geek-Magazines „Wired“ ist dazu unter der Überschrift "How we work"  ein interessanter Beitrag von Clive Thompson zu finden.

Anlass war die Entscheidung der Yahoo-Chefin Marissa Mayer vor einigen Wochen, die Heimarbeit zu beenden und alle Mitarbeiter wieder in die Firma zu beordern: „Geschwindigkeit und Qualität werden häufig geopfert, wenn wir von zu Hause aus arbeiten. Wir müssen wieder ein Yahoo! sein, und das beginnt schon damit, dass wir physisch zusammen sind“.

Ein Aufschrei ging durch die digitale (Arbeits)-Welt. Sie erntete sehr viel Hohn und Spott. 

Ich persönlich spürte einen natürlichen Verteidigungsreflex, denn ich frage mich schon seit langer Zeit, wie wir das Ergebnis kreativer Heimarbeit messen und bewerten können? Oder gar mehr und bessere Leistungen dadurch erzielen?

Der Artikel hilft bei der Meinungsbildung mit wissenschaftlichen Untersuchungen, die zu diesem Thema durchgeführt wurden. Hier ein paar Erkenntnisse:

Innovative und kreative Gedanken und Ideen entstehen meistens in lockeren Gesprächen oder Diskussionen, in spontanen Begegnungen, wenn unterschiedliche Spezialisten oder Fachgebiete aufeinandertreffen. Und ja, auch meine eigene langjährige Erfahrung zeigt mir, dass ich zu Hause oder beim Joggen immer wieder einen genialen Einfall habe, aber erst im Austausch mit anderen, mit dem Team, wird eine tragfähige, durchsetzungsstarke und visuell ansprechende Idee daraus.

Monotone Tätigkeiten dagegen, wie das Programmieren von Codes, bei denen sich auch der Zeitaufwand und das Produktionsergebnis relativ genau bemessen lassen, können durchaus sehr gut zu Hause erledigt werden.

Viele Programmierer arbeiten gerne nachts, sagen wir beispielsweise von 22 bis 4 Uhr morgens. Da macht es durchaus Sinn, sich nur aus bzw. ins Bett zu wälzen oder gleich neben der Kiste zu Hause zu schlafen. Und sicher
 gibt es auch in Agenturen stupide „kreative“ Tätigkeiten (z.B. Rendern), die man eigentlich auch von zu Hause aus machen kann.

Doch selbst Super-Programmierer aus dem Silicon Valley wollten irgendwann nicht mehr zu Hause arbeiten (lt. Wired-Beitrag), weil sich in der Firma und in einer Gruppe von Gleichgesinnten viel schneller kleine und große Probleme gegenseitig lösen und lästige Fragen in einem Satz beantworten lassen.

Nun könnte man natürlich darüber nachdenken, einen Weg zu finden, mit dem gewisse Arbeiten zu Hause und gewisse Arbeiten in der Agentur erledigt werden.

Doch dazu braucht man dann wieder Mitarbeiter, die genau das koordinieren. Ein Aufwand, den viele Agenturen ja schon in der Agentur kaum bewältigt bekommen (Stichwort Effizienz). Und der auch vom Kunden nicht bezahlt wird. Deshalb müsste das Modell schon so attraktiv sein, dass sich bessere Mitarbeiter für weniger Geld für die Agentur entscheiden, die das anbietet.

Gibt es solche Leute? 

Ich denke auch, dass wir gerade im kreativen Bereich den Wettbewerb brauchen, den es in einer Agentur gibt – und zu Hause nicht. Gute Ideen und Gedanken von anderen Teams haben mich immer schon angestachelt oder motiviert, noch mal nachzulegen.

Der Druck, etwas liefern zu müssen, ist in der Agentur gleichwohl höher. Ich war und bin unter Druck kreativer als ohne.

Wie man es dreht und wendet, eines steht fest: in Agenturen gibt es immer einen, mit dem man mal reden und rum spinnen kann. Und sei es nur beim Rauchen vor der Tür.

Sonntag, 23. Juni 2013

Deutscher Selbstbetrug in Cannes.

Wenn Sie das Marketing für ein NGO oder für eine soziale Einrichtung verantworten, so ist jetzt die beste Zeit, um sich von deutschen Agenturen kostenlos eine Kampagne stricken zu lassen.

Von 67 Cannes Löwen sind rund 40% für soziale Projekte vergeben worden. 10 Löwen allein für das „Tree Project“ vom B.U.N.D.

Wirft man einen Blick auf das Ergebnis von angelsächsischen Nationen, so ist das Verhältnis umgekehrt. Die Grand Prix Trophäen gehen an Marken wie Heineken, Toshiba, Intel, Mondelez oder die australische Metro. 

Wann wacht Kreativdeutschland auf?

Wenn wir unsere ganze kreative Energie – und unser eigenes Geld obendrein – nur in Projekte stecken, für die wir nicht bezahlt werden, wie sollen wir dann beweisen, dass wir mit ungewöhnlichen Ideen Marken nach vorne bringen? Und wie sollen wir stichhaltig darlegen, dass wir besser dafür bezahlt werden wollen?

Der Chefredakteur von w+v forderte in seinem Editorial zum letzten Cannes-Heft, dass doch endlich mehr deutsche Kunden nach Cannes kommen sollten, um sich inspirieren zu lassen.

Glaubt der Mann ernsthaft, dass es bei einem meiner Kunden Neugier weckt, sich die Leistungskraft deutscher Agenturen an Cases für B.U.N.D, die Diakonie, Düsseldorfer Tafeln, United Nations, WWF, Troy Davies, Innocence in Danger oder einem Teekalender vor Ort aufzeigen zu lassen?

Ich habe absolut nichts gegen soziale Kampagnen. Im Gegenteil. Wir arbeiten seit über 8 Jahren für die Initative Plant for the Planet (und nur dafür). Aber davon könnten wir nicht leben. Wenn wir neben unserer kreativen Arbeit für echte Kunden auch eine "soziale Marke" betreuen, so finde ich das verhältnismäßig. Und vertretbar für die Agentur. Mehr soziale Projekte kann ich nicht verantworten.

Das neueste Cannes-Ergebnis muss Kunden den Eindruck vermitteln, dass in unserem Land die Arbeit für soziale Projekte im Fokus steht. Nur noch kreative Gutmenschen um uns herum.

Ist das die richtige Botschaft an die Kunden? An den Nachwuchs? Und nicht zu vergessen: an die eigenen Teams?

Wäre es nicht endlich an der Zeit, dass die Chefs dieser Agenturen ihre Position und ihre Möglichkeiten nutzen, um auf echten Briefings die volle Energie zu fordern? Und ihre Teams dazu motivieren, alle Kraft da rein zustecken? In den Kampf um noch bessere Ideen, noch bessere Skripte, noch bessere Castings, etc. 

Vorzuleben, dass es für Agenturen in erster Linie darum geht, schwierige Marktprobleme mit kreativen Lösungen zu bewältigen und sie – wenn es ganz gut läuft – auch noch in Gold zu verwandeln?

Sicher, mit so einer Einstellung ist man vielleicht ein, zwei oder viele Jahre nicht mehr die Ranking-Nummer 1. Aber dafür beim Kunden.

Ich bin nun wirklich kein Freund von Amir Kassaeis verbalen Dauer-Rundumschlägen, aber mit diesen Aussagen (für ihn ungewöhnlich moderat formuliert) trifft er den Nagel auf den Kopf.

Der Selbstbetrug vieler deutscher Spitzenkreativer und die geringe Reflektion über den Zustand unserer Kreativarbeit ist betrüblich. Nein, schlimmer, er ist absolut geschäftsschädigend.

In diesem Sinne gratuliere ich allen Gewinnern, die es auf einem echten Briefing für die Lösung realer Probleme zu einem Löwen geschafft haben.

Und werde das Gefühl nicht los, dass unsere Branche erst völlig zusammenbrechen muss, damit der letzte ruchlose Löwen-Jäger kapiert, was er mit seiner Trophäengier anrichtet: seine eigene Degradierung.

Sonntag, 19. Mai 2013

Der etwas andere Erfolg.

Das ADC Festival 2013 in Hamburg brachte uns 13 Nominierungen, davon 5 Nägel. Die Nägel gab es allesamt für die Tuna Tunes Kampagne von followfish. Sie ist unter den Top 5 Kampagnen des vergangenen Jahres. Nach dem guten ADC-Ergebnis im Jahr 2012 noch mal eine Steigerung.

Die Abstinenz einiger Agenturen vom diesjährigen ADC Wettbewerb schmälert diesen Erfolg nicht, denn mit der Punktzahl (28), die die Kampagne für ihre Nägel erhalten hat, wären wir letztes Jahr sogar auf Platz 4 gelandet.

Doch um Platzierungen geht es hier nicht. Der geneigte Leser weiß, dass ich die Awards-Entwicklung durchaus differenziert sehe. Hier geht es um einen Erfolg, der anders ist als 99% aller Einreichungen.

Der Erfolg von followfish ist kein Erfolg unserer Goldnase, sondern ein Erfolg unseres Research & Development Denkens. Und es hat sehr lange gedauert, bis wir den Erfolg einfahren konnten.

Deshalb ist er umso schöner.

Viele industrielle Unternehmen unterhalten ein Research & Development-Department. Sinn und Zweck einer solchen Abteilung ist, einen Teil seiner Personalressourcen und seiner Energie in Arbeit zu stecken, die sich mit der Zukunft beschäftigt: Welche Produkte oder Lösungen können in Zukunft für meinen Markt interessant sein?

Bei uns ist das die Suche nach neuen Geschäftsmodellen.

followfish ist so ein Geschäftsmodell. Wie es funktioniert, ist hier nachzulesen.

Seit 2006 laborieren wir an diesem Projekt. Es ist ein langfristiges Projekt. Es ist der Aufbau einer Marke. Das begleiten wir. Das beeinflussen wir. Daran lernen wir. 

Was es nicht ist: ein plumpes Goldprojekt, um im Medaillen-Ranking zu punkten. Denn der gängige Weg zum Gold, den viele Agenturen einschlagen, ist entweder der über NGOs (was in diesem Jahr sehr häufig zu sehen war – unter den Top 10 Kampagnen sind 3 NGO Projekte).

Oder eben die alte Nummer, sich Ideen für Kunden oder Produkte auszudenken, für die es gar kein Briefing gibt (also das Prinzip Lösung sucht Problem).

Bei followfish ist nicht nur das Produkt selbst nachhaltig. Sondern auch der Markenaufbau.

Das macht es für uns ungemein wertvoll. Und darauf sind wir heute ein bisschen stolz. 

Als Sahnehäubchen rundet der "Neudenkerpreis 2013" – ein Journalistenpreis, der von der Zeitung WELT ins Leben gerufen wurde – die Geschichte ab.


Herzlichen Glückwunsch ans Team. Vielen Dank für euren Einsatz.

Mittwoch, 3. April 2013

Werbung setzt keine Trends.

Die Diskussion um die Daseinsberechtigung von Werbeagenturen und das Ansehen ihrer Protagonisten läuft in diesen Zeiten auf Hochtouren.

Einer der Vorwürfe an uns Kreative, die diskutiert werden: Werber werden nicht mehr ernst genommen, weil sie keine Trends mehr setzen.

Ich halte diese These für Humbug.

Werbung, oder besser gesagt Markenkommunikation, hat noch nie Trends gesetzt. Das kann sie gar nicht. Werbung kann Trends nur aufgreifen. Und wenn sie einen guten Job macht, dann verstärkt sie Trends.

Auf der Webseite des Zukunftsinstituts von Matthias Horx wird kurz und übersichtlich erklärt, was eigentlich ein Trend ist. Und welche Formen von Trends es gibt.

Ein anschauliches Beispiel, dass Werbung nur Trendverstärker und nicht Trendbegründer sein kann, ist die „Geiz ist geil“-Kampagne aus dem Jahr 2002.

Der Elektro-Handelsriese Saturn hat mit dieser Kampagne keinen neuen Trend zum Sparen ausgelöst. Das haben die dramatischen Konjunkturbedingungen der damaligen Zeit getan. Die Marke hat diesen Trend nur clever aufgegriffen und die Menschen damit in die Läden geholt.

Ich denke, es ist wichtig zu verstehen, dass Werbung keine Trends begründet.
Es braucht immer gesellschaftliche, kulturelle oder wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die einen neuen Trend ergeben. Wer das kapiert, tut sich bei der Suche leichter. Denn er muss nicht etwas ganz Neues erfinden, sondern er muss frühe Strömungen erkennen und sich fragen, ob das zum Briefing und der Marke passt. Und relevant für die Zielgruppe ist. Eine Suche, die schon schwer genug ist.

Auch Produkttrends brauchen immer das entsprechende Auslöserprodukt, um einen Trend zu setzen.

Dass Kreative in Werbeagenturen dazu geeignet sind, solche Produkt- oder Modetrends mit ihren Ideen zu inspirieren, steht ausser Frage. Aber es muss immer einen geben, der zu einem gewissen Zeitpunkt seinen Mut und sein Geld zusammen nimmt und sagt: auf das Produkt setze ich jetzt.

Das machen in den seltensten Fällen Werbeagenturen. Das machen Unternehmer, die vom Erfolg eines Produktes oder einer Produktidee überzeugt sind. 

Viele Produkttrends, die entstehen, wurden nicht als Trend geplant. Sie hatten das schlichte Ziel, ein Bedürfnis zu stillen. Und damit ins Herz getroffen. Doch oft nicht mal das. Viele Menschen entwickeln ein Produkt, weil sie selbst davon überzeugt sind. Und alle anderen sind erst mal dagegen. Erst wenn es sich durchsetzt, wird daraus ein Unternehmen. Oder ein neues Geschäftsmodell.

Hinterher dann zu sagen, dass war ja leicht, ist zu leicht. Da gehört eine Menge Chuzpe und Leidenschaft für die Sache dazu. Das haben nicht viele.

Apple, Google, Red Bull etc. – Marken wie diese sind nicht wegen ihrer Werbung groß
geworden, sondern wegen ihrer Produkte. 

Die Kommunikation hat das Tüpfelchen aufs i gesetzt. Sicher, ein wichtiges Tüpfelchen.

Aus meiner Sicht ist die Herausforderung für Werbeagenturen nicht, Trends zu setzen. Die Herausforderung für Werbeagenturen ist, die richtigen Kommunikationsideen zu liefern, damit mögliche Trends nicht zum Rohrkrepierer werden.



Ein Mundwasser mit Schinkenspeck-Geschmack, das trotzdem einen frischen Atem macht. Trend oder Aprilscherz? Auf jeden Fall eine lustige Kommunikationsidee von P+G.


Sonntag, 24. März 2013

Etwas Kreativenfutter für Pausen.

Hans-Peter Feldmann.



















Ein Mann spricht Frauen auf der Straße an, ob er ihnen ihre Handtasche samt Inhalt abkaufen darf. Das Geld und die Kreditkarten dürfen sie behalten. Letztere beide möchte er nur kopieren. Dafür bietet er 500 Euro.

11 Frauen konnte er dazu überreden.

Ist der Mann ein Agenturkreativer, der sich die neue Kampagne für eine Versicherung ausgedacht hat?

Es ist der Künstler Hans-Peter FeldmannEr präsentiert den Inhalt der Handtaschen in Glasvitrinen. Ordentlich sortiert und aufgereiht.

Warum ist das Kunst?

Ihr könnt Euch noch bis zum 2. Juni 2013 in den Hamburger Deichtorhallen selbst eine Antwort auf die Frage geben.

In den Worten der Deichtorhallen-Kuratoren klingt das so: Feldmann überwindet die scheinbare Kluft zwischen Kunst und Alltag und taucht Vorgefundenes aus der trivialen Welt bis hin zu Amateurfotos, Spielzeug und Nippes in ein poetisches, persönliches Licht.

Pathetische Erklärungs-Soße.

Doch um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, ich bin ein großer Fan von dieser konzeptionell getriebenen Objektkunst. Sie inspiriert mich sehr viel mehr als ganz abstrakte Kunst, deren Sinn oder Aussage ich stundenlang suchen muss. Wen wundert's, auch ich suche oft nach Konzepten, um Botschaften zu vermitteln. In Ausstellungen wie dieser finde ich die vermeintliche Leichtigkeit des kreativ seins und beneide natürlich das Briefing freie Arbeiten des Künstlers. Das motiviert.

Hans-Peter Feldmann erklärt sich in einem Zeit-Interview so: Ich habe es gern einfach. Der Zeit-Autor kommt zu der schönen Erkenntnis, dass Feldmann ein Künstler nicht sein will. Jedenfalls keiner dieser Spezialisten für das Abgehobene und Verwickelte, kein Bedeutungshuber, der sich immerzu um seinen Ruhm sorgt. Also nichts für Leute wie Amir Kassaei.

Aber zurück zur Frage.

Warum sind die Handtaschen-Inhalte Kunst? Oder ein Hammer, der ein maßgeschneidertes selbstgehäkeltes Mäntelchen trägt? Oder Portraits von alten Meistern, die zum schielen gebracht werden?

Es ist – wieder mal – die Konsequenz.

Ich male mir das schöne Bild von dem Glauben, dass viele Künstler nicht an Kommerz denken, wenn sie ihre Werke entwerfen. Sie machen es aus Leidenschaft. Und ziehen ihr Ding durch.

Kunst aus Leidenschaft kann zum Erfolg führen, tut es in den meisten Fällen aber nicht. Hans-Peter Feldmann verkauft immer noch antike Gegenstände im Laden seiner Frau. Selbst d
en Hugo-Boss-Preis 2010 des Guggenheim-Museums in Höhe von 100.000 Dollar hat er zu Kunst gemacht und, Banknote für Banknote, im selbigen Museum aufgehängt.

Es macht ihm Spaß, sich auf diese Weise zu verwirklichen und seine Botschaften in die Welt zu tragen. Der Mann ist um die 70 Jahre. 

Also, keine Macht den Drogen: Spaß am Kreativ sein ist die wichtigste Voraussetzung, um kreativ zu bleiben. 

Das allein schon zu erkennen, ist für mich der Besuch von Ausstellungen wert. Ich sollte das viel häufiger tun.

100 Jahre mit Portraits von Menschen dargestellt.
Vom 1-jährigen Baby bis zur 100-jährigen Oma.


Donnerstag, 14. Februar 2013

Klagen statt seeden.

Sex im Fernsehen kennt heutzutage nun wirklich keine Tabus mehr. Und auch im Internet gibt es durch die einschlägigen Pornosites wenig Körperfläche, die nicht in jeder erdenklichen Perspektive und Erregung für alle zugänglich ist. Auch für Jugendliche.

Umso merkwürdiger mutet es an, wenn ein Werbefilm vom Sender genommen werden muss, der vergleichsweise einfühlsam und – für meinen Geschmack – sehr sinnlich ist. 
Auch von Genitalien ist in dem Streifen weit und breit keine Spur.

Parfum-, Kosmetik- und Modewerbung hat bekanntlich ihre eigenen Kreations-Regeln. 99% aller Hersteller befolgen sie. Die eine. Oder die andere.

Regel 1: Produkt groß. Logo groß. Vorzugsweise drunter oder drüber. Keine Headline. Keine Idee.

Regel 2: Testimonial groß (Fotomodell, Paar oder Promi). Logo groß. Keine Headline. Keine Idee.

Chanel geht in dieser Beziehung andere Wege. Zumindest ab und zu.

Vor über 20 Jahren hat die Marke mit einem Film für das Männerparfum Egoiste alles abgeräumt, was es damals abzuräumen gab. Ich finde den Film noch heute richtig gut. 


Vielleicht haben sie die Marketingverantwortlichen an die Zugkraft dieses Filmes erinnert, als sie dieser Tage nun für das Chanel Parfum Mademoiselle einen neuen Spot mit der Schauspielerin Kira Knightley produziert haben, der – auch wieder für meinen Geschmack – Klasse hat und großes Kino ist. Sogar ein bisschen Idee ist mit drin.

Der Film ist Werbung, die Stil hat.


Laut Pressebericht wurde das Werk in England während des Animationsfilmes Ice Age 2 im Fernsehen geschaltet. Was zu einer Klage eines Elternpaar führte, welches sein Kind durch den Spot gefährdet sieht. Und es führte zu: bingo! PR all over the world.

Vielleicht stimmt das genau so. Ich meine die Nummer mit den Eltern und der Sorge um ihr Kind.

Aber natürlich gefällt Kreativen der Gedanke, dass es Kalkül ist. Einfach eine gelungene virale Aktion: statt einer Seeding-Agentur, die den Film im Internet verbreiten hilft, engagiert man einen Anwalt und ggf. besagtes Ehepaar – und lanciert die Klage an einschlägige Pressevertreter weltweit. Und die Klatschpresse übernimmt das Seeding.

Schon jetzt hat der Film 600.000 Views. In ein paar Tagen werden das sicher Millionen sein.

Klagen statt seeden. 

Vielleicht schon bald eine neue Wettbewerbs-Kategorie?

Samstag, 26. Januar 2013

Über Rundlutscher.

Kreative und Marktforscher sind seit jeher zwei Berufsgruppen, die sich mit
hohem Misstrauen begegnen.

Viele Kreativen meinen, dass Marktforscher die Bestattungsunternehmer für innovative Kampagnen sind.

Viele Marktforscher meinen, in Kreativen die Ignoranten von relevanten Verbraucherbedürfnissen zu treffen. 

Viele Kunden bevorzugen Marktforschung, weil sie meinen, sie gibt ihnen Entscheidungssicherheit. 
Das ist ein fataler Irrtum.

Marktforschung spielt Ihnen Entscheidungssicherheit vor. Doch wenn das Kind 2 oder 3 Jahre später im Brunnen liegt, weil die Marke mit mittelmäßigen Produktideen oder Kampagnen dahinsiecht, dann erinnert sich keiner mehr daran, dass sie von der Marktforschung rundgelutscht wurde.

Bei all den Summen von Geld, das in Marktforschung fließt, muss sich ein Kunde doch wirklich mal fragen, was für eine Qualität von Meinungen er da bekommt.

Er befragt Menschen über Zukunftsszenarien (z.B. Produktideen, Kampagnen) und ruft ihre Werte aus der Vergangenheit ab. 
Er stellt Fragen über Ideen für 2015 und ruft Meinungsroutinen der Gegenwart und Vergangenheit ab.

Doch mein Hauptkritikpunkt lautet: meistens befragt er Menschen, die in diesen rastlosen Zeiten noch Zeit für Marktforschung haben. Also vermutlich viele 
Menschen, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten oder sie als lukrativen Nebenverdienst sehen.

Sind das Menschen, die nach vorne denken? Menschen, die eine Marke nach vorne bringen? Menschen, die sich vorstellen können, was in Zukunft ankommt?

Daran darf zumindest mal gezweifelt werden.


Seit Jahren taucht da eine Agentur unter den Top 20 auf, die vor rund 3 Jahren Insolvenz angemeldet hat. Eine Agentur, die auch davor schon einige Jahre ziemlich gebeutelt war. 
Was sagt das aus?
















Na klar, man kann es positiv sehen: der Ruf der Agentur ist so brillant, dass sie eben nachhallt (und ehrlich, es sei meiner Ex-Agentur gegönnt). 

Aber was diese Tabelle mir konkret sagt: es wurden Leute befragt, die nicht so viel Ahnung haben. Und ich wiederhole mich da an dieser Stelle.

Diese Studie oben behauptet nun auch noch, dass Marketingleute in Unternehmen befragt wurden, die mit den bewerteten Agenturen zu tun hatten.

Rofl.

Für mich zeigt dieser Unsinn mal wieder, wie absurd Marktforschung ist. Und wo ihre absolute Schwachstelle liegt: in den Leuten, die befragt werden.

Doch genau diesen Leuten überlassen viele Kunden die Zukunft ihrer Marke und ihres Unternehmens.

followfish wäre von jeder Marktforschung in Grund und Boden getestet worden. Das braune Packungsdesign (unser Packpapierlook), der englische Name – das hätte bei den professionellen Probanten keine Chance gehabt.

Ein Blick in die Tiefkühltruhen hätte uns doch auch zeigen müssen, das braun nicht ankommt. Es gab keine einzige braune Verpackung.

Gut, dass wir auf unseren Bauch gehört haben.

Und beruhigend, dass die meisten großartigen Innovationen ohne Marktforschung entstanden sind. Einfach nur mit dem Glauben an die Kraft der Idee.

Sonst wäre es auch zu leicht, große Ideen zu haben.

Nichts für ungut, liebe Rundlutscher.