Montag, 23. April 2012

Wem gehören Ideen?

Der Erfolg der Piratenpartei ist für Markenfachleute kein Phänomen.

Betrachtet man den Markt der politischen Parteien, so hat es dort schon lange keine Innovation mehr gegeben.

Betrachtet man die Zielgruppen (Wähler), so hat die Nachfrage über Jahrzehnte kontinuierlich abgenommen (sinkende Wahlteilnahme).

Betrachtet man die Marken selbst, so grenzen sie sich überhaupt nicht mehr voneinander ab.

Es sind immer wieder die zwei gleichen wie scheinbar einfachen Parameter, die schnellen Markterfolg für Newcomer erzeugen:

Die Idee muss stark sein.

Die Idee muss relevant sein.

Der Erfolg der Piraten basiert zum großen Teil auf dem Misserfolg der etablierten Parteien. 
Mit der Wahl der Piraten drücken viele Bürger ihren Frust über die Arbeit der Etablierten aus. Man rufe sich nur eine der vielen Forderungen in Talkrunden ins Gedächtnis oder eines der vielen abgegebenen Versprechen vor Wahlen:

Much talk, less action.

Der Tod einer jeden Marke.

Die Hilflosigkeit der Parteimarken drückt sich darin aus, dass sie ein Meister im „gegen etwas sein“ sind. Sie können knackige Sprüche klopfen, wenn es gilt, den politischen Gegner zu desavouieren.

Erfolgreiche Marken stehen aber nicht gegen etwas. 
Erfolgreiche Marken stehen für etwas.

Dieses „für“ muss man in Zeiten des Informationsüberflusses in einfache und klare Worte fassen können.

Die Piraten stehen für ein freies Internet.

Was immer das im Detail heissen mag, es erscheint erst mal eine neue und relevante Botschaft für nachwachsende Generationen zu sein. Schließlich geht es um einen wichtigen Teil ihres Lebensraumes.

Für was steht die CDU? 
Für was die SPD? Für was steht gar die FDP?

Wir (Wähler) wissen es nicht mehr.

Interessant für mich: Das freie Internet hat sehr viel auch mit dem Umgang von Kreativität zu tun. Kreativität ist eine der wichtigsten Ressourcen unserer Gesellschaft.

Und wird immer wichtiger. 

So mancher sieht Kreativität gar als einzige Chance für Gesellschaften wie die unsere, die Krise des Systems "Kapitalismus" überhaupt noch zu meistern.

Wer etwas „kreiert“ und Erfolg damit hat bzw. wer durch seine Ideen maßgeblich zu Erfolgen beiträgt, dem darf sein Produkt nicht von einer Mehrheit sowie von einem wirtschaftlich oder politisch Stärkeren entrissen werden können. Dafür muss es Regeln und Kontrollmechanismen geben.

Beschäftigt man sich mit dem Standpunkt der Piraten zum Thema Urheberrecht, so relativiert sich ihre Attraktivität schnell.

So missbillgen sie beispielsweise auch ein Gerichtsurteil, dass das kostenlose Kopieren von Lerninhalten eines Lehrbuches untersagt. Mit der Überschrift: Gerichtsurteil verhindert freien Zugang zur Bildung“.

Ich frage mich aber, warum ein Verlag, der solche Lerninhalte herstellt (quasi die Idee dazu hat), nicht auch ein Recht auf Schutz seiner Ideen haben darf?

Es steht ausser Frage, dass wir als Gesellschaft eine Basis finden müssen, ob und wie wir unseren Kindern und allen, die es wollen, Lerninhalte zur Verfügung stellen, ohne dass es ein Vermögen kostet.

Aber eine Idee ist erst mal eine Idee die dem gehört, der sie hat.

Er sollte seine Rechte wahren können. Egal, ob er eine Kampagne, Lieder oder Lehrinhalte produziert. 
Er schafft mit seiner Idee Erfolge und das muss entlohnt werden.

Marktgerecht. Und sozial gerecht.

Für mich kommen die Piraten nicht in Frage, weil sie bei vielen anderen Themen noch sehr dünn auf der Brust sind.

Noch.

Denn auch die Grünen waren thematisch eindimensional in ihren Anfängen. Sie wurden belächelt.
Aber auch ihre Gründungsidee war sehr einfach: 

Für die Umwelt.

Mit dieser Positionierung haben sie ein Bedürfnis getroffen, dass bei vielen Zielgruppen relevant ist. 
Die Grünen haben sich mit den Jahren in die verschiedensten anderen Themenbereiche des politischen Geschäftes rein gearbeitet (vermutlich besser als viele andere Parteien, weil sie neu und hungrig waren). Und die Grünen haben Standpunkte entwickelt, die – meistens – zu ihrem Markenkern passen. 

Mit Blick auf den Erfolg der Grünen sollten die etablierten Parteien die Piraten nicht unterschätzen.

Bei allem Dilettantismus: so ein Erfolg zieht viele frustrierte Leute anderer Parteien an, die endlich den politischen Erfolg wollen. Und die wissen, was man tun muss, um ihn zu erreichen.

Es wird deshalb interessant sein zu sehen, ob und wie sich die Piraten als Marke langfristig durchsetzen können.

Sollten die herkömmlichen Parteien den Gegner weiterhin nur belächeln, dann machen sie den größtmöglichen aller Fehler.

Den Gegner zu belächeln, sich auf seinen Positionen auszuruhen und Zeitströmungen zu verpassen, hat schon vielen Großen eines Marktes geschadet.

Oder kennt noch jemand von Euch die einstigen Marktgiganten IBM, Kodak, Nokia oder gar Yahoo?

Donnerstag, 12. April 2012

Gold-Idee Metastasen.

Vor ein paar Tagen trudelte per Post ein Briefing bei uns ein. Eine bekannte Marke, die durchaus über ein respektables (weil sichtbares) Kommunikationsbudget verfügt, hat uns eingeladen, eine „Gold-Idee“ für ein bedeutendes Projekt zu entwickeln.

Die Einladung ging nicht nur an uns, sondern scheinbar auch an einige andere Agenturen. Es werden die ersten 20 des Kreativ-Rankings gewesen sein.

Die Ideen-Entwicklung sollte nicht umsonst geschehen. Wer seine Idee besagtem Unternehmen zustellt (präsentieren ist nicht erwünscht), wird dafür entlohnt. Der Lohn für diese Arbeit bewegt sich aber eher in einer sehr symbolischen Höhe.

Sollte die Idee je zum Einsatz kommen, erhält die siegreiche Agentur noch einmal ein recht überschaubares Copyright-Honorar. 
Allerdings gibt sie damit ihre Idee auch komplett ab. Sie hat also mit der Herstellung nichts mehr zu tun.

Diese Art Briefing ist mir neu, w
undert mich aber nicht.

Die Ausschreibung ist eine weitere Metastase des Tumors, den Agenturen mit ihrer Gratis-Goldideen-Prostitution bei den Kunden und vor allem Nichtkunden jahrelang gezüchtet haben (also irgendwo anrufen und fragen, ob man ein paar Goldideen – kostenlos für den Kunden – veröffentlichen kann).

Sollten nur 4 oder 5 der 20 angeschriebenen Agenturen mitmachen, bekommt das Unternehmen mit großer Sicherheit seine herausragende Idee – zu einem unglaublich günstigen Tarif.

Kreatives Preis Dumping für kreative Leistung.

Das Vorgehen des Unternehmens kann man vielleicht als respektlos bezeichnen, aber man sollte es dafür nicht verdammen. 
Es nutzt letztendlich nur einen vorhandenen Marktmechanismus gnadenlos für sich aus.

Hier heisst es, sich an die eigene Nase zu fassen und endlich zu verstehen.

Ich hoffe deshalb auf das Verstehen der Kollegen und auf 20 Absagen zu diesem Projekt. B
efürchte aber, dass die Gier nach Gold bei einigen doch wieder dazu führen wird, den Verstand an ihre letzten ADC Nägel zu hängen und mitzumachen.

Wir tun es nicht.

Dienstag, 10. April 2012

RIP Zuhören.

Wer häufig seine Ideen vor anderen Menschen vortanzt, der hat sich daran gewöhnt, dass der ein oder andere Teilnehmer die Aufmerksamkeit lieber seinem Mobiltelefon als deinem Vortrag widmet.

Trotz aller Routine ist diese Randerscheinung immer wieder eine Herausforderung für die eigene Contenance. Besonders dann, wenn vermeintliche Entscheider zum besagten Personenkreis gehören.

Die Beobachtung, dass es eine zunehmende Wechselwirkung zwischen „beschäftigt sich mit seinem Gadget“ und „stellt bescheidene Fragen“ gibt, sei nur am Rande erwähnt.

Der entscheidende Punkt – neben Höflichkeit und Respekt – ist doch die Frage, ob es wirklich effizienter ist, seine Mails/SMS/Termine zu checken statt sich ganz auf die Präsentation zu konzentrieren?

Besonders dann, wenn es sich um eine wichtige Präsentation handelt und die Agentur einen immensen Aufwand betrieben hat, ihre Leistung zu erstellen.

Während so mancher in diesem Zusammenhang noch über das Mobiltelefon in Meetings philosophieren mag, hat es im Kampf um die Gunst der Aufmerksamkeit längst eine noch sichtbarere Konkurrenz bekommen.

Seit neuestem verschwindet die Konzentration immer häufiger hinter Laptops. 

Man stelle sich einfach vor, wie sich ein Redner fühlt, der das Ergebnis seines Teams nach mehreren Wochen intensiver Arbeit einem ausgewählten wie kompetentem Gremium präsentiert, das hinter  Bildschirmen sitzt. Oder fleißig auf seiner Tastatur rumhackt.

Keine Mimik. Keine Gestik. Keine Reaktion.

Nach Jahren des Präsentierens hat man sicherlich schon die absurdesten Erscheinungen erlebt und kann sich mental einigermaßen gut auf solche Merkwürdigkeiten einstellen. Aber man muss doch immer wieder all sein Selbstwertgefühl zusammen kratzen, um die Eigenmotivation und den Spannungsbogen der Präsentation aufrecht zu erhalten. Und damit die Qualität des Ganzen.

Vor allem dann, wenn man vor Personen präsentiert, die man vorher nicht kennenlernen und einschätzen durfte.

Es entstehen solch erquickliche Situationen, in denen Leute hinter ihren Laptops kurz auflachen, obwohl man gerade gar nichts Lustiges erzählt. 
Oder sie fangen an einer wichtigen Stelle deiner Präsentation eifrig an (man erklärt gerade die Strategie und will nun den Claim enthüllen), einen Text in ihre Tasten zu tippen.

(Ein Kollege, mit dem ich mich darüber unterhielt, meinte: vielleicht schreiben einfach nur mit. Wenn es so ist, wäre das noch das kleinere Übel).

Man kann trefflich darüber streiten, ob in unserer multifunktionalen Arbeitswelt mit all den heranwachsenden multitasking-fähigen Menschen und ihrer abgeklärten Art, Informationen aufzunehmen, dieser Umgang mit Präsentationen nicht zum Standard wird.


Bei der Masse an Fehlentscheidungen, die man in unserer Branche so mitbekommt, möchte ich das in Frage stellen.

Ich bezweifle, ob Menschen auf diese Weise wirklich verstehen, welches die Kernpunkte der vorgestellten Kommunikationslösung sind. Besonders die emotionalen. Nichts gegen mitschreiben. Aber mitfühlen ist besser.

Erfolgreiche Kommunikation hat sehr viel mit Emotionen zu tun. Emotionen, die ich erzeugen will. Und Emotionen, die ich fühlen muss, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Wer nur noch die totale E-Mail-, SMS- und Cover-my-as-Kommunikationskultur pflegt – und sich dabei ganz auf sein Laptop verlässt – dem wird so einiges verborgen bleiben.

Am Ende der Erfolg.