Samstag, 10. September 2011

Mehr Effizienz durch Pizza.

Am Ende des ersten Tages der Effie-Jury war traditionell ein Abendessen mit dem Beraterkreis und den GWA-Kollegen in der Frankfurter Gerbermühle geplant.

Doch es kam anders.

Um der Bewertung aller Einreichungen gerecht zu werden, beschloss die Jury, statt Frankfurter Grüne Soße oder Handkäse mit Musik lieber die kulinarischen Höhepunkte einer nahegelegenen Pizzeria im Konferenzraum zu genießen. Und weiter zu jurieren.

Mir wurde später gesagt, dass keine Jurysitzung seit Bestehen des Effie Wettbewerbes so lange gedauert habe. Und ich hoffte inständig, dass das nicht an mir lag.

Die 11-köpfige Jury aus Marktforschern, Marketingpersönlichkeiten, Mediaspezialisten und Agenturleuten traf sich zusammen mit dem Beraterkreis am vergangenen Donnerstag und Freitag in Frankfurt zur finalen Effie-Vergabe. Die Verleihung folgt am 13. Oktober 2011 in Berlin.

107 Fallbeispiele wurden eingereicht. Ein potenter Beraterkreis aus Marktforschern hat diese Text-, Chart- und Datenmenge im Vorfeld der Jurierung unter die Lupe genommen und uns schließlich 49 Arbeiten als ernsthafte Anwärter zur Online-Jurierung ans Herz gelegt.

Nach der Online-Jurierung blieben noch 44 Einreichungen übrig. Diese Fälle musste die Jury nun noch mal einzeln diskutieren und schließlich Gold, Silber und Bronze festlegen.

Bei der Bewertung werden die Erfolgsnachweise mit 60% und die Kommunikationsstrategie mit 40% bewertet.

Doch das Bewertungssystem ist noch komplexer.

Die Ergebnisse der Einzelbewertung durch die Juroren (online) fließt mit 60%, die Bewertungen nach der Diskussion durch die Jury mit 40% in das Gesamtergebnis ein.

Unsere wichtigste Erkenntnis: diese persönliche Diskussion vor Ort mit unterschiedlichen Fachleuten tut mehr als Not.

Und das nicht, weil ich als einziger Kreativer vielleicht weniger vertraut mit der Zahlenakrobatik einiger Einsender bin.

Die Diskussion ist der schieren Menge an Detailinformationen von 49 Cases mit jeweils 4 bis 8 Seiten voller Text, Charts und Schaubildern geschuldet. Und der Tatsache, dass man bei der Durchsicht nicht immer die wichtigen Feinheiten feststellen.

Auch ist der Interpretationsspielraum von Schaubildern selten ganz offensichtlich.

Die Steigerung eines Marktanteiles von 2% kann in einem bestimmten Markt kaum von Bedeutung sein, wohin gegen die gleiche Zahl in einem anderen Markt eine große Leistung darstellen kann.

Auch den Quellen und Legendentexte der Charts muss man sehr viel mehr Beachtung schenken, als ich es vermutet habe.

Die Verfasser der Cases in den Agenturen sind ja nicht auf den Kopf gefallen und unternehmen (verständlicherweise) alles, um ihren Erfolg möglichst eindrucksvoll aussehen zu lassen.

Doch wenn die Marktleistung (z.B. Abverkauf) in einem Zeitraum wächst, der noch vor dem Zeitraum beginnt, in dem die Awareness gemessen wurde, dann werden Markterfolg und Kommunikationsleistung nicht zwangsläufig etwas miteinander zu tun haben.

Was es einem Juror zusätzlich schwer macht, den Fall zu bewerten, ist eine unstrukturierte Aufreihung der drei wichtigsten Parameter für einen Effie (Kommunikationseffekt, Markterfolg und Effizienz).

Viele Autoren meinen, je mehr Text sie schreiben und je mehr Charts sie hinzu packen, desto größer die Erfolgschance.

Das ist ein Trugschluss.

Das Fallbeispiel sollte lieber so knapp wie möglich geschrieben sein, aber mit den richtigen Zahlen und Daten logisch aufeinander aufbauen.

Welche Wirkung (Effekt) hat die Kampagne erzeugt (z.B. Awareness, Recognition, Recall, etc.)?

Wie hat die Kampagne die Marktleistung gesteigert (z.B. Marktanteil, Neukunden, Verkaufseinheiten, etc.)?

Und schließlich:

Wie gut war das Verhältnis zwischen Effekt und eingesetztem Budget, also wie effizient wurde kommuniziert (z.B. Budget gegenüber Wettbewerbern, ROI, etc.)?

Das größte Problem aller Agenturen ist, dass sie speziell bei der Marktleistung häufig nicht die nötigen Daten erhalten (z.B. Umsatzsteigerung, Steigerung der Einheiten, etc.), um daraus auch den Return on Investment ermitteln zu können.

Doch gerade diese Daten gehören zur Gewinnerwährung beim Effie.

Als Kreativer war für mich natürlich der Unterschied der Effie-Juryarbeit zu der bei Kreativwettbewerben von großem Interesse.

Und es gibt einen gewaltigen Unterschied.

Der persönliche Geschmack und Stil wird zwar nicht ganz ausgeblendet (starke Kampagnen oder Strategien genießen natürlich mehr Goodwill als gruselige Kreation), doch am Ende spielt die faktische Wirkung die größte Rolle.

Man mag es kaum glauben, aber diese Juryarbeit kann für einen Kreativen durchaus motivierend sein, denn sie zeigt eindringlich, dass selbst in Zeiten der Informationsüberflutung eines bleibt: Kommunikation wirkt.

Wenn man wirklich eine knackige Strategie verfolgt, eine gute kreative Idee entwickelt und sie mit einer sinnvollen Mediastrategie unter die Leute bringt, dann ist eine gute Kampagne immer noch der Turbo für eine Marke.

So kann ich abschließend nur folgenden Ratschlag hinterlassen: Wer wirklich eine kreative Kampagne schaffen will, die nachweislich etwas Großes bewirkt, der sollte nicht nur auf Presseclippings, Facebookfreunde und Kreativawards spekulieren, sondern gleich nach der Freigabe der Kampagne überlegen, wie er die Markt-Wirkung seiner Arbeit nachweisen kann.

Wenn die Kampagne draußen ist, ist das meistens zu spät.

Das ist keine kleine Herausforderung, aber sie kann mehr als sich lohnen.

Der Effie zählt für Kunden immer noch mehr als der Nagel. Und das nicht zu unrecht.


Pausen-Ausblick der Effie-Jury – dank Ogilvy.




4 Kommentare:

Tim hat gesagt…

Tja, und jetzt habt ihr so lange überlegt wem ein Effie überreicht werden soll und dann fällt die Gala aus. Bin mal gespannt wie sich das auf die Cases im nächsten Jahr auswirkt. :)

Zschaler hat gesagt…

@Tim: Effies werden doch nicht wegen der Gala vergeben, oder habe ich da etwas falsch verstanden?

Tim hat gesagt…

@stefan: nein, das meinte ich auch nicht. aber die gala ist wahrscheinlich die eine veranstaltung im jahr auf die sich planner auch irgendwie freuen. weil man dort eben auch ein bisschen öffentliche anerkennung erfährt. und weil man dort eben merkt, dass sich die langen nächte und wochenenden, an denen man die daten und argumente gegeneinander abgewogen hat, doch irgendwie gelohnt haben. und das geht eben verloren, wenn die gala jetzt abgesagt wird bzw. nur im kleinen kreis abgehalten wird. ich glaube da geht echt viel motivation flöten. zumindest bei mir war das so.

Zschaler hat gesagt…

@Tim: eine Gala wird es ja geben. Nur im kleineren Kreis. Und du kannst dich drauf freuen.