Freitag, 8. Juli 2011

Strategen verheddert in Kreation.

Das Gegenprogramm zu den zahllosen Kreativ-Wettbewerben ist der Effie-Wettbewerb des GWA.

Ich habe die Ehre, dieses Jahr in der Jury zu sein und werde meine Erfahrungen aus der Tätigkeit natürlich an dieser Stelle und zu gegebener Zeit niederbringen.

Momentan befindet sich die Jury noch in der ersten Auswahlphase, deshalb keine Indiskretionen.

Ich stelle aber fest, dass eine ADC-Jurierung gegen die Effie-Juryarbeit wie ein launiger Kurzbesuch in der Kunsthalle wirkt.

Nun gehört das Schreiben eines überzeugenden Effie Case sicher zu den kreativen Meisterstücken eines Planners. Die Darstellung eines Erfolgsfalles (Klarheit, Schlüssigkeit und natürlich Wirksamkeitsbeweis) hat durchaus auch in der Art und Form Einfluss auf die Bewertungsfreude eines Jurors.

Als Kreativer und Hobbyplanner frage ich mich allerdings, warum die Kreativstrategie und der Kampagnenclaim so oft gleichgesetzt werden. Nicht, dass mir das unbekannt vorkommt. Schließlich kenne ich das aus ganz frühen Textertagen, als das Planning noch nicht die Bedeutung hatte, die es heute hat – und man noch viel intuitiver vorging.

Und ja, natürlich ist manchmal eine gute Proposition auch claimfähig.

Es wirkt in vielen Fällen leider hilflos.

Ein Claim sollte die kreative Verdichtung einer wohl durchdachten Strategie sein. Eine gute Strategie muss nicht wie ein Slogan klingen. Vielleicht ist das wieder so ein deutscher Irrglaube, dass dem Kunden eine Strategie mit einem knackigen Claim besser verkauft werden kann.

Saubere Herleitung und Schlüssigkeit haben sich mir als die besseren Verkaufsargumente gezeigt. Dann kann eine starke Strategie manchmal ziemlich profan klingen. Siehe Patek weiter unten.

Viele Verfasser eines Cases scheinen sich zudem auf die Annahme zu stützen, je mehr sie schreiben, desto durchdachter wirkt ihre Strategie.

Ich bin der naiven Auffassung, je mehr man schreiben muss, desto unklarer ist sie.

Ein strategisches Meisterwerk ist die Kampagne für unseren Kunden Patek Philippe. Ich kann das hier ohne Fremdschäm-Gefahr behaupten, weil wir immer wieder für irgendwelche Strategie-Vorträge oder Seminare nach dem Case angefragt werden.

Die Strategie seit 1998 war – und ist es übrigens immer noch – eine ziemlich teure Uhr nicht als Status Symbol (à la Rolex), sondern als Familientradition zu verkaufen.

Kurz: Mit jeder Patek erwirbst du ein Stück Unsterblichkeit.

Wer sich eine Patek Philippe zulegt, lebt in ihr weiter. Die Kinder werden auch nach deiner Zeit diese Uhr in Ehren halten und sich an dich erinnern.

Der Claim: Beginne deine eigene Tradition.

Eine Headline: Eine Patek Philippe gehört einem nie ganz allein. Man erfreut sich ein Leben lang an ihr, aber eigentlich bewahrt sie auf für die nächste Generation.

Ich denke, diese kurze Beschreibung hat schon den Namen Strategie verdient.

Oder irre ich als Hobbyplanner? Hab ich da etwas nicht verstanden?

Ist es wirklich eine Strategie, wenn man die Auswahl eines prominenten Testimonials als solche beschreibt?

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Da hast Du recht. Mit einer Ausnahme: Es ist natürlich kein Irrglaube, dass einem Kunden eine Strategie mit einem knackigen Claim leichter verkauft werden kann. Das ist Alltag. Oder was glaubt Du, warum die meisten Propositions englisch sind? Weil sie auf Deutsch nicht nur schlechter klingen, sondern man auch sofort merkt, wie inhaltsleer sie sind. Die Kunden verlieben sich in einen geilen englischen Satz, der meistens auch gut in die politische Welt des Kunden passt und - voilá - Planners work is done. Applaus. Und den Rest müssen halt die Kreativen machen, wie immer. Ich sach' nur: The star always shines from above.

Anonym hat gesagt…

Mein Lieblingszitat eines englischen Planners zu dem Thema:
If you can write it under an ad its a headline not a strategic thought.

Nate hat gesagt…

Kam die Strategie/Originalkampagne für Patek Philippe eigentlich von Leagas London und Hamburg hat adaptiert oder umgekehrt?

Peter Petermann hat gesagt…

Hi Stefan.
Aus Sicht eines (vermeintlichen) Profi-Strategen muss ich Dir natürlich sofort Recht geben: Länger ist nicht besser, sondern oft nur obskurantistischer.

Mein erster Cheffe hat mir mal den Tipp gegeben: "if you cannot convince them, confuse them" -- und genau das scheint mir eine der größten Planner-Krankheiten zu sein.

Ich bin überzeugt, dass man eine gute Strategie in ganz wenigen Worten zusammenfassen kann -- eine gute Geschichte entsteht eben im Kopf. Und eine gute Geschichte überzeugt auch aus sich selbst heraus.

Andererseits basiert eine gute Strategie immer auf einem zwingenden Consumer-Insight.

Und ein solcher Insight kann durchaus auch "claimig" (sprich: knackig) formuliert sein. So wie in Deinem Beispiel: es gibt bei wohlhabenden Menschen häufig den Wunsch, etwas zu schaffen oder zu besitzen, das einen selbst überdauert ("to leave a mark") ... und das kann auch eine Uhr sein, die man an die nächste Generation weitergibt.

Das ist der zentrale Insight. Du hast daraus, knackig, den "Unsterblichkeits"-Gedanken destilliert ... der aber auch schon wieder eine kreative Überhöhung ist (und durchaus auch als Claim durchgehen könnte).

Ich finde: genau das zeichnet gutes Planning aus -- komplexe psychologische Zusammenhänge so aufzubereiten, dass es beim Zuhörer "klick" macht.

Glückwunsch & Respekt
LG pp

PP hat gesagt…

@ Anonym: warum würde man eine Headline UNTER eine Anzeige schreiben???

Zschaler hat gesagt…

@Nate: London.

Zschaler hat gesagt…

@PP: D'accord, dass eine Strategie immer auf einem guten Consumer Insight basiert.

Aber wenn du ehrlich bist, müssen auch bei Insights "knackige" Formulierungen dafür herhalten, wenn man keinen richtig guten Insight gefunden hat.

'Gut gedacht' kommt für mich vor 'gut geschrieben'. Meistens sind die besten Gedanken sehr einfach formuliert. Deshalb klingen sie ja auch niedergeschrieben einfach gut.

Mach dich unsterblich. Das ist für mich eine gute Strategie, wäre aber kein guter Claim gewesen.

Viel zu platt für so ein Klientel.