Sonntag, 31. Juli 2011

Ein amerikanischer Werbeblock.

Seit einer Woche gucke ich abends regelmäßig eine Stunde Fernsehen. Mir ist bestimmt nicht langweiliger als sonst. Wenn ich aber schon mal in Amerika bin, interessiert mich natürlich, was bei den Meistern des TV-Werbefaches so im täglichen Commercial-Leben abläuft.

Meine Erwartung: Der gewöhnliche amerikanische Block zeigt ein höheres kreatives Niveau als der deutsche. Schließlich sind die vielen Gewinnerwerke des jahrelangen Cannes-Ranking-Leaders USA echte Auftragsarbeiten.

Ich kann sagen, die Qualität ist höher als bei uns. Nur auf eine andere Weise als von mir gedacht. Und keinesfalls so, dass man als deutscher Kreativer depressiv nach Hause fahren muss.

Was mir zugleich angenehm auffiel (bzw. meiner Tochter), ist die Kürze der Werbeunterbrechungen. Hier hat man verstanden, dass eine gestreckte Werbesoße die Menschen quält – und für die gesamte Werbewirkung kontraproduktiv ist.

Auch die Programmtrailer der Sender haben nicht dieses jegliche Sehfreude vernichtende SAT.1-Längen- und Penetrationsniveau.

In den Blocks fällt weiter auf, dass sehr viel mehr Hardselling betrieben wird als bei uns. 75% der Spots sind Preis- oder Promotion-Angebote.

Da fragt man sich natürlich schon, wo nun all die souveränen und kreativen Markenspots geblieben sind, die man von den vielen Award- und Archiv-Rollen so kennt? Bin ich im gänzlich falschen Testzeitraum angereist?

Um es kurz zu machen, am nachdrücklichsten beeindruckt die vorherrschende strategische Qualität.

Sehr viele Spots, selbst viele Preis- und Promotion-Werke, sind spitz und kreativ in der Botschaftsführung.

Die Aussagen sind klarer und präziser als das bei uns der Fall ist.  Die Marken trauen sich mehr, auf eine Nische oder auf einen ganz bestimmten strategischen Punkt zu setzen.

Fazit: Botschafts-Fokussierung. Und Botschafts-Kreativität. Das kann man hier im täglichen Alltag bewundern.

Wer damit beschäftigt ist, weiß, wie schwer schon allein das bei uns durchzusetzen ist.




Dieser NIke-Spot fiel in meinem Erhebungszeitraum kreativ am ehesten ins Auge. Sicher kein Award. Aber gefällig gemacht. Und er fällt raus. Zumindest habe ich mir den Spot gemerkt, als ich beim Schreiben dieses Beitrages darüber nachgedacht habe, welche Filme eigentlich in meiner Erinnerung geblieben sind.

Freitag, 29. Juli 2011

Im Mutterland der Positionierung.

Amerikaner sind und bleiben die besten Verkäufer. Trotz der drohenden Staatspleite wird sich daran nichts ändern. Sollte sie – wider Erwarten – eintreten, werden ihre Repräsentanten auch dieses Desaster der Welt in irgendeiner Form als sinnvolle Entwicklung "verkaufen".

Man kann es gut oder schlecht finden, dass sie aus allem und jedem ein Geschäft machen.

Doch wer sich beruflich mit der Entwicklung, Betreuung und Pflege von Marken auseinandersetzt, der kann während eines Amerika-Trips jederzeit Inspiration in Sachen "Marke" tanken.

Schon bei der Ankunft im Stau auf dem Highway.

Florida. Sunshine State.

Alabama. Sweet Home.

Alaksa. The Last Frontier.

Arizona. Grand Canyon State.

Delaware. The First State.

Illinois. Land of Lincoln.

Michigan. Great Lakes.

Nevada. The Silver State.

New York. The Empire State.

New Mexico. Land of Enchantment.


etc.

Jedes Autokennzeichen trägt eine 
Positionierung.

Während bei uns die TÜV-Plakete gut lesbar sein muss, erkennt man hier neben den Buchstaben und Zahlen die Landes-Positionierung.

In manchen Staaten kann man scheinbar sogar zwischen Slogans wählen. In Florida beispielsweise bietet die Behörde zwei Slogans zur Wahl: „Sunshine State“ oder „In God we trust“.  (Letzterer positioniert wohl eher den Fahrer als das Land).

Ich frage mich bei dieser Geschichte, wie lange die Abstimmungsgespräche in den Verwaltungen der einzelnen Staaten gedauert haben, ehe man sich auf den oder die Slogans geeinigt hat.

Fest steht:

Auf Amerikas Strassen fahren 50 exzellente Beispiele für "Die Marke in 1 Sekunde" herum. Positioning par excellence. Eine konsequent reduzierte „Markendenke“, die mir entspricht.

Hamburg. Tor zur Welt.

Wäre ein akzeptabler Text unter meinem Autokennzeichen.



Sunshine State.

The Silver State

War of 1812

First in Flight

The Spirit of America

The Volunteer State

Freitag, 8. Juli 2011

Strategen verheddert in Kreation.

Das Gegenprogramm zu den zahllosen Kreativ-Wettbewerben ist der Effie-Wettbewerb des GWA.

Ich habe die Ehre, dieses Jahr in der Jury zu sein und werde meine Erfahrungen aus der Tätigkeit natürlich an dieser Stelle und zu gegebener Zeit niederbringen.

Momentan befindet sich die Jury noch in der ersten Auswahlphase, deshalb keine Indiskretionen.

Ich stelle aber fest, dass eine ADC-Jurierung gegen die Effie-Juryarbeit wie ein launiger Kurzbesuch in der Kunsthalle wirkt.

Nun gehört das Schreiben eines überzeugenden Effie Case sicher zu den kreativen Meisterstücken eines Planners. Die Darstellung eines Erfolgsfalles (Klarheit, Schlüssigkeit und natürlich Wirksamkeitsbeweis) hat durchaus auch in der Art und Form Einfluss auf die Bewertungsfreude eines Jurors.

Als Kreativer und Hobbyplanner frage ich mich allerdings, warum die Kreativstrategie und der Kampagnenclaim so oft gleichgesetzt werden. Nicht, dass mir das unbekannt vorkommt. Schließlich kenne ich das aus ganz frühen Textertagen, als das Planning noch nicht die Bedeutung hatte, die es heute hat – und man noch viel intuitiver vorging.

Und ja, natürlich ist manchmal eine gute Proposition auch claimfähig.

Es wirkt in vielen Fällen leider hilflos.

Ein Claim sollte die kreative Verdichtung einer wohl durchdachten Strategie sein. Eine gute Strategie muss nicht wie ein Slogan klingen. Vielleicht ist das wieder so ein deutscher Irrglaube, dass dem Kunden eine Strategie mit einem knackigen Claim besser verkauft werden kann.

Saubere Herleitung und Schlüssigkeit haben sich mir als die besseren Verkaufsargumente gezeigt. Dann kann eine starke Strategie manchmal ziemlich profan klingen. Siehe Patek weiter unten.

Viele Verfasser eines Cases scheinen sich zudem auf die Annahme zu stützen, je mehr sie schreiben, desto durchdachter wirkt ihre Strategie.

Ich bin der naiven Auffassung, je mehr man schreiben muss, desto unklarer ist sie.

Ein strategisches Meisterwerk ist die Kampagne für unseren Kunden Patek Philippe. Ich kann das hier ohne Fremdschäm-Gefahr behaupten, weil wir immer wieder für irgendwelche Strategie-Vorträge oder Seminare nach dem Case angefragt werden.

Die Strategie seit 1998 war – und ist es übrigens immer noch – eine ziemlich teure Uhr nicht als Status Symbol (à la Rolex), sondern als Familientradition zu verkaufen.

Kurz: Mit jeder Patek erwirbst du ein Stück Unsterblichkeit.

Wer sich eine Patek Philippe zulegt, lebt in ihr weiter. Die Kinder werden auch nach deiner Zeit diese Uhr in Ehren halten und sich an dich erinnern.

Der Claim: Beginne deine eigene Tradition.

Eine Headline: Eine Patek Philippe gehört einem nie ganz allein. Man erfreut sich ein Leben lang an ihr, aber eigentlich bewahrt sie auf für die nächste Generation.

Ich denke, diese kurze Beschreibung hat schon den Namen Strategie verdient.

Oder irre ich als Hobbyplanner? Hab ich da etwas nicht verstanden?

Ist es wirklich eine Strategie, wenn man die Auswahl eines prominenten Testimonials als solche beschreibt?