Sonntag, 22. Mai 2011

What's in for me?

Der größte Irrtum, dem viele Kommunikationskreative unterliegen, ist die Annahme, dass alles, was mit dem Internet zu tun hat, virtuell ist.

Das Internet ist real.

Es ist da. Alles, was darin stattfindet, kann man lesen und sehen.

Wenn ich einen Film auf YouTube poste, dann bekomme ich Kommentare und Likes oder Dislikes. Die sind real. Wenn ich einen Film per e-Mail oder Link an jemanden weiterschicke, dann ist das auch real. Wenn ich auf Facebook einen Account eröffne, dann ist das real. Und wenn ich mit dem Handy einen QR-Code fotografiere, um dann Informationen oder Bilder auf meinem Telefon zu sehen, dann ist das ebenfalls real.

Sascha Lobo, der Typ, der ganz viel unternimmt, dass man ihn nicht gerade sympathisch findet, hat in seinem jüngsten SPON-Artikel genau diese Situation sehr treffend beschrieben.

Nach meinem 8-tägigen Camp Digital in der Good School stelle ich zudem fest, dass die Heransgehensweise an eine Aufgabe zwischen Online und Offline – ganz real – die gleiche ist.

Wir müssen uns immer wieder gnadenlos die Frage stellen, was man dem Verbraucher (User) zu bieten hat.

What‘s in for me?

Aber: Während in der Offline-Kommunikation vielleicht noch ("noch" ist hier etwas heruntergespielt, ist schwer genug) eine relevante Botschaft, ein Hingucker oder ein Stück Unterhaltung reicht, sind die Ansprüche der User in den Online Kanälen ungleich höher.

Wir müssen ihnen „Content“ bieten, mit dem sie sich – mindestens – vor ihrer Community wieder ein paar „Likes“ abholen. Viel besser aber ist, es gibt dazu eine inhaltlichen Kontext, der mit ihrem Leben und mit ihren Bedürfnissen eng verbunden ist, damit sie sich länger damit beschäftigen als nur einen Facebook-Post lang.

Auch dem Spieltrieb kommt im Netz eine immer bedeutendere Rolle zu.

Es ist vergebene Liebesmüh, wenn User neugierig werden, dann aber auf einer opulenten Landingpage quasi nur ein nett gestaltetes Prospekt klicken oder ein lustiges Filmchen abspielen können.

In diesem Zusammenhang ist die WWF-Dateiformat-Aktion, welche momentan in allen Wettbewerben vergoldet wird, keine wirklich relevante Idee.

What‘s in for me? Wer benutzt das Ding wirklich?

Es ist ein Online PR-Gag. Allerdings ein ziemlich guter.

Samstag, 14. Mai 2011

Nachsitzen.

Seit Donnerstag abend sitze ich im Camp Digital der Good School in Hamburg und lasse mich von digitalen Experten aufpimpen.

Internet, Social Media, Metrics, Monitoring, Mobile und und und.

Meine digitale Bersichterstattung findet deshalb ausnahmsweise nicht hier, sondern unter einer anderen Adresse statt (ich habe mich dem Gruppenzwang gebeugt):

http://stefanzschaler.posterous.com/

Keine Sorge, meine Erkenntnisse sind kurz. Zu langen Erklärungen bin ich eh zu müde.

Habe lange nicht mehr die Schulbank (von morgens um 9h sharp bis abends um 20h) gedrückt. Vielleicht ist was Nahrhaftes für Euch dabei.


















Die analoge Feuerübung für einen Shitstorm auf Facebook. Muss du nicht verstehen.

Mittwoch, 11. Mai 2011

Unwort medienneutral.

Das war ein cleverer Schachzug des Juryvorsitzenden der Kategorie "Ganzheitliche Kommunikation" beim diesjährigen ADC Festival, der Till Hohmann hieß.

Bevor die Jury ihre Arbeit überhaupt aufnahm, sollte jeder der 13 Juroren in zwei bis drei Sätzen erst einmal seine Definition von ganzheitlicher Kommunikation abgeben. Till schrieb fleissig mit, schliesslich musste er 1,5 Tage später noch ein Juryfazit schreiben. Da konnten ihm 13 Juroren schon mal einige Arbeit abnehmen.

Während besagter ad hoc Definitionsrunde fiel nicht nur einmal der Begriff „medienneutral“. Für einige Juroren stand dieses Wort als Teil der Ideen-Qualität. Gemeint war, dass eine Idee erst einmal für sich stark ist (äh, wie geht das ohne Medium eigentlich?). Oder, wie es eben von einigen Fachleuten gerne formuliert wird: eine medienneutrale Idee.

Ich halte das für Unsinn.

Eine Kommunikations-Idee ist immer medienabhängig. Je besser sie auf einzelne Medien und ihre Eigenarten eingeht, desto stärker "kommuniziert" sie. Wenn ich als Kreativer zudem im Briefing schon eine Kombination von 3 , 4 oder 5 Medien vorgegeben oder im Auge habe, dann denke ich doch auch über die Vorzüge genau dieser Medien nach – und richte meine Ideen später danach aus.

Ab 3 verschiedenen Medien (über Online und Offline) qualifiziert sich eine Kampagne schon für ganzheitliche Kommunikation. Ganzheitlich ist eine Formulierung, die ebenso Quatsch ist, denn 3 von vielleicht 30 möglichen Medienkanälen ist nicht gerade etwas Ganzheitliches.

Für meine Auffassung ist eine Idee nie medienneutral.

Wohl aber die Strategie.

Eine strategische Ausrichtung muss medienunabhängig sein (ist das qualifiziertere Wort als medienneutral).

Neutral ist jemand, der keine Meinung hat oder sich einer Meinung enthält. Eine Meinung sollte eine starke Idee aber gerade haben.

Unabhängig ist jemand, der eine Meinung hat und sich dabei von anderen Faktoren nicht gleich aus der Kurve werfen lässt.

Wo wir gerade schon beim Aufräumen sind: Ganzheitliche Kommunikation halte ich für diese Kategorie eine ebefalls unglückliche Bezeichnung.

Integriert oder crossmedial wird ihr eher gerecht.

 


Verdientes Silber in der Kategorie "Ganzheitliche Kommunikation" beim ADC Wettbewerb. Die Initiative "Vermisste KInder" von Kempertrautmann.

Wie heisst es so schön im Case Video: "Die Idee: Wir nutzen Facebook, um die größte Suchmannschaft Deutschlands aufzubauen". 

Wohl kaum eine medienneutrale Idee.

Freitag, 6. Mai 2011

Erklärungsvideo Notstand.

Tatort Frankfurt, ADC Jury 25, Kategorie ganzheitliche Kommunikation. Wir sehen 44 Videos zu „ganzheitlichen“ Kampagnen, die sich alle um 
einen Nagel bewerben.

Sogenannte Case Videos.

Diese Videos dürfen nicht länger als 3 Minuten sein.

Wir sehen unterschiedliche Kampagnen, die sich leider häufig mit den immer gleichen oberflächlichen Formulierungen und Umsetzungsfehlern um ihre Chancen bringen.

Wer ein Case Video für einen Kreativ-Wettbewerb produziert, sollte die folgenden drei Gedanken verinnerlichen:

1. Da sitzen Juroren, die schon viel gesehen haben und solche Videos selbst schon oft gemacht haben.

2. Wie die Kampagnen mit ihrer Idee selbst haben auch die Erklärungs-Videos einen Vorteil, wenn sie durch eine gewisse „Andersartigkeit“ herausstechen.

3. Es geht bei Kreativwettbewerben nicht um einen Effie, sondern um die Darstellung der kreativen Idee und ihrer Umsetzung in verschiedenen Kanälen.

Ich habe mir während der Jury die fünf meistgebrauchtesten Formulierungen in diesen 44 Videos aufgeschrieben.

1. "...schafften wir das Unmögliche".

2. "...gingen wir da hin, wo die Zielgruppe von morgen zu finden ist: ins Internet."

3. "...schufen wir die höchste Besucherzahl der Webseite seit Bestehen der Marke."

4. "...gelang es uns, mit einem Budget von 0,XY Millionen ein unglaublichen Mediawert von XY,0. Millionen zu erzielen".

5. "...mit den folgenden Maßnahmen brachten wir die Kampagne von der virtuellen in die reale Welt zurück."

In fast jedem zweiten Video tauchte auf: "...fragten wir uns" (ach echt?).

Was visuell auch sehr gerne gemacht wird, ist die Animation einer sich hochzählenden YouTube-Viewer-Zahl.

Oder die obligatorische Animation von Presseclippings in pulsierender Form.

Oder der wie auch immer animierte Gefällt-mir -Daumen.

Ihr könnt euch vorstellen, nach dem zehnten 3-minütigen Video nervt diese einförmige Selbstbeweihräucherung. Wenn die Kampagne nicht grandios ist, aktiviert sich im Kopf eines Juroren schnell der "I do not like" Button.

Es ist kein Erfolgsrezept, dass du in Zukunft einzelne der oben genannten Elemente nie mehr in einem Case Video einsetzt.

Es ist die Machart. Der Negativeindruck der Formulierungen wird potenziert durch die Art, wie sie in das Video eingebettet sind: mit einem übertrieben pathetischen Sprecher, mit überpointierten Fragen, von denen jeder die Antwort vorher kennt. Und mit einer Tonalität, die so tut, als hätte der Macher der Kampagne gerade eine Weltsensation entdeckt, obwohl es nur um eine pupsige kleine Social Media Kampagne geht.

Wie kann man dagegen steuern?

Mehr Sachlichkeit, mehr Selbstironie und weniger Elegie in der Erklärung des Problemes. Der Verzicht auf die Synchronstimmen von bekannten Schauspielern kann zusätzlich unvorteilhafte Übertreibung reduzieren.

Wenn mir beispielsweise die deutsche Stimme von Tom Selleck (alias Magnum) erklärt, wie wahnsinnig ungewöhnlich ein Pop-up-Banner ist, dann seh ich innerlich nur noch zwei schwarze Dobermänner, die den Absender der Botschaft jagen.

Donnerstag, 5. Mai 2011

Ist der Ruf erst ruiniert.

Ein erfahrener Journalist hat mir mal den Tipp gegeben, in Interviews immer nur kurze ganze Sätze zu sprechen. Nie verschachtelte.

Subjekt. Prädikat. Objekt.

Unzweideutig. Ganz klar in der Aussage.

Weiter empfahl er mir, die kurzen ganzen Sätze möglichst schnell zu sprechen.

Er gab mir schließlich mit auf den Weg, meine wichtigste Botschaft permanent zu wiederholen (in eben kurzen, schnell gesprochenen ganzen Sätzen). Egal, wie die Frage lautet. Nur dann kommt das eigene Anliegen durch.

Wer Politiker in Interviews beobachtet, kann dieses Antwort-Muster manchmal erkennen.

Der Freund begründete seine Tipps mit der Erfahrung, dass verschachtelte und langsam gesprochene Formulierungen zu Halbsätzen "verschnitten" werden können, die einen andern Kontext erzeugen.

Wer selbst Interviews mal zusammen geschnitten hat, weiss, dass diese Halbsatz-Variante interessante Sinn-Veränderungen ergeben kann.

Der Effekt: man sieht oder hört sich oder andere etwas sagen, was so nicht gemeint war. Fussballer machen diese Feststellung sicher ganz häufig.

In einer Umfrage anlässlich der Vorberichterstattung zum ADC-Wettbewerb dieser Woche wurde ich gebeten, eine vorgegebene Fragestruktur zu beantworten.

Als ich nun besagtes Interview las, stellte ich fest, dass meine Antworten nicht 1:1 wiedergegeben waren. Eine entscheidende Frage (und vor allem die Antwort) wurde weggelassen.

Wer sein Augenmerk auf die letzte Frage des oben zitierten "Interviews" richtet, der liest:

"Worauf könnten Sie im Hinblick auf den ADC getrost verzichten?"

Meine Antwort: "Auf den einen oder anderen Kollegen."

Ich behaupte mal, dass diese Formulierung bei vielen Lesern den Eindruck erweckt, dass der Zschaler eine arrogante Werbernase ist. Würde man diese Antwort im Kontext der ursprünglichen Fragestruktur lesen, wäre der Spielraum für so eine negative Interpretation sicher geringer.

Die weggelassene Frage lautete nämlich:

"Worauf freuen Sie sich angesichts des bevorstehenden ADC-Wochenendes am meisten?"

Meine Antwort: "Auf den einen oder anderen Kollegen."

Erst dann folgte:

"Worauf könnten Sie im Hinblick auf den ADC getrost verzichten?"

Antwort: "Auf den einen oder anderen Kollegen."

Zwei Antwort-Halbsätze, die zusammen einen gewissen Charme haben könnten. Der letzte Halbsatz alleine betrachtet hat es natürlich nicht.

In solchen Momenten versteht man sogar Lothar Matthäus.