Montag, 25. April 2011

Das Stückchen Art in Art Direction.

Bei der Online-Juryierung in der Kategorie "Print" zum New York Festival ist mir etwas passiert, was mir schon lange nicht mehr unter gekommen ist.

Ich bin beim ermüdenden Massen-Anzeigen-Gucken per Computer über eine visuelle Darstellung gestolpert, die so herausstach, dass ich sie hier erwähnen möchte.

Es handelt sich dabei nicht um ein begnadetes Layout oder eine geniale Typographie. Das Layout ist eher klassisch, weil es das VW Corporate Layout ist. Und auch die Typographie ist von der eher unaufregenden Art, wie man sie aus tausenden VW-Werbemitteln kennt.

Es handelt sich um eine Fotoidee, die gleichzeitig Anzeigen-Idee ist.

In der Print-Kampagne für VW Transporter wird herausgestellt, dass man diese Fahrzeuge jetzt auch mit dem Ausstattungsfeature einer Rückwärts-Kamera bestellen kann.

Besagte Idee klingt – wie viele starke Ideen – vergleichsweise einfach.

Es werden Handwerker (also potentielle Kunden von VW Transporter) von hinten gezeigt. Aber so überraschend, das es einen länger beschäftigt als viele andere Anzeigen.

Ob es sich jetzt um eine reale Arbeit oder um eine Gold-Arbeit handelt, lassen wir generös beiseite.

Hier bietet die Art Direction wirklich ein Stück von dem, was sie eigentlich immer mitbringen sollte: die kleine Prise Art.

Vielleicht weiss ja jemand von Euch, wer die Kampagne gemacht hat.

In jedem Fall: well done. Und von mir volle Punktzahl für die Foto Art Direction.



Mittwoch, 20. April 2011

Kreative Unabhängigkeit.

Eine große und bekannte Agentur wurde wieder mal verkauft. An den 
Agenturen-Sammler Sir Martin Sorrell. Dieser Mann ist der Chef einer Firma namens WPP (Wire and Plastic Products) und hat im Jahr 1985 angefangen, das Geschäft mit Plastikartikeln zu verlassen und statt dessen verschiedene Werbeagenturen – und diverse erfolgversprechende Geschäftsmodelle drum herum (Marktforschunginstitute, Mediaagenturen, etc.) – zu einem Kunstkonglomerat zusammen zu verdrahten.

Um damit Geld zu verdienen.

WPP ist börsennotiert und muss folglich seine Aktionäre laufend mit guten Nachrichten versorgen.

Nach Grey, Ogilvy, JWT, Y+R ist nun S+F das neueste psychologische Aufputschmittel, um die Laune der Aktionäre und damit den Kurs oben zu halten.

Natürlich wird das Ganze unter dem Deckmantel verkauft, dass diese Allianz hilft, für die Kunden noch mehr Ressourcen weltweit zu erschließen.

Wer in internationalen Netzwerken arbeitet oder gearbeitet hat, der weiss, dass diese Idealvorstellung in den meisten Fällen in der Abteilung Fabel abgelegt wird.

Hauptziel des Käufers ist, Erfolgsgeschichten zu erzeugen und seinen Aktienkurs zu steigern.

Hauptziel des Verkäufers (bzw. seiner Besitzer) ist, endlich mal Kasse zu machen.

Beides ist völlig legitim. Und übrigens durchaus verständlich. Wer will nicht irgendwann seinen Erfolg mal versilbern?

Als Kunde würde mich nur die Seifenoper 
stören, die drum herum gestrickt wird.

Das Wohl des Kunden rangiert bei so einem Deal jedenfalls meistens nicht auf Platz eins.

Vielleicht kann die Agentur jetzt noch ein paar 
Löcher auf der Opel-Weltkarte stopfen, in denen sie nicht vertreten ist (Vorderportugal, Hinterindien, etc.).

Der riesige Etat-Gewinn war auf jeden Fall eine einmalige Chance, die zu neuer Schönheit gelangte Braut schnell zu verkuppeln und eine lukrative Mitgift einzustecken.

Als Inhaber einer erfolgreichen Agentur hat man solche Gedanken ab und an.

Nichtsdestotrotz ist Leagas Delaney inzwischen eine der ganz wenigen internationalen Agenturen, die noch nicht mehrheitlich zu einer Finanzgruppe gehören oder eine Minderheitenbeteilgung mit einer eben solchen eingegangen sind.

Wir gehören uns.

Ich denke, es bedeutet für viele Kunden einen erheblichen Unterschied, ob eine Agentur von Leuten geführt wird, denen der Laden gehört. Oder ob sie ihn nur noch verwalten und die Zeit absitzen, bis sie die Agentur nach dem Verkauf verlassen können. Weil sie eh nicht mehr so viel zu sagen haben.

Wir hier haben jederzeit die Chance, abseits des Profits Dinge zu tun, die einer anderen Philosophie folgt als nur Gewinn zu machen. Tim Delaney ist selbst Kreativer. Und er versteht, wie Kreative ticken.

Gerne irrational. Gerne unprofitabel.

Genau das macht Kreative aus.

Schon allein dass ich als Geschäftsführer meine wertvolle Arbeitszeit damit verbringe, für so einen komischen Blog zu schreiben, anstatt in der gleichen Zeit ein paar NB-Anrufe zu tätigen, könnte einen international versierten Chefcontroller auf die Palme bringen.

Zweifelsfrei will jedes Unternehmen, das sich nicht zu 100% einem guten Zweck verschrieben hat, Geld verdienen. Auch eine Werbeagentur. Auch Leagas Delaney.

Die Frage ist wieviel? Die Frage ist, muss es jedes Jahr +10 oder +15% sein? Die Frage ist, in welchem Zeitraum?

Es beeinflusst mit Sicherheit das Denken und Handeln von Agenturpersonen, ob irgendein unbekannter Finanz-Obermufti aus irgendwo auftaucht und den Kreativen nahe legt, dass Etats auf Teufel komm raus an Land gezogen oder gewinnmaximiert werden sollen.

Kreative Unabhängigkeit sieht anders aus.

Ich persönlich würde als Unternehmer, der eine Agentur sucht, immer zu einer Adresse gehen, bei der die Inhaber noch aktiv sind. Und mindestens einer davon Kreativer ist.

Bei uns sind es zu allem Controller-Unglück sogar auch noch zwei.

Na gut. Ende der Empfehlung an Unternehmer. Ich bin befangen.

So schweife ich zum Schluss völlig irrational ab und frage mich, welches Auto der Sir Agentursammler wohl fährt. Den Seat von Grey, den Mazda von JWT, den Ford von Ogilvy oder den Opel von S+F?

Sonntag, 10. April 2011

Mehr verbale Präszision bitte.

Die digitale Revolution hat unser Informationsverhalten komplett verändert. Wo wir Informationen generieren, wie wir Informationen aufnehmen und wie wir Informationen bewerten.

Jeder von uns steht einer zunehmenden Menge von 
Texten gegenüber, die er in seinem Beruf bewältigen sollte. Und der damit verbundenen Zunahme der Unlust, sie zu lesen. Was man sich in vielen Fällen aber nicht leisten kann (z.B. weil die Texte von einer wichtigen Person kommen).

Wer mich kennt, der weiss, wie ungern ich E-Mails lese, die „aus meinem Fenster fallen“. Leider schreibe ich manchmal auch selbst 
welche (verspreche hiermit Besserung).

Gerade deshalb bleibt mir nur festzustellen, dass diese gedankenlos getexteten E-Mail-Ergüsse, in denen der Sender einfach nur runter schreibt, was ihm zu einer Sache gerade so einfällt, eine Zumutung zum Lesen sind.

In der Form. Wie im Inhalt.

Wie oft muss man sich durch einen Wust an Text kämpfen, um überhaupt die Essenz des Inhaltes zu erfassen? Eine irre Zeitverschwendung.

Sowohl auf Schreiberseite. Als auch auf der des Lesers.

Je mehr Informationsquellen uns zur Verfügung stehen, desto größere Mengen müssen wir bewältigen.

Da macht es schon Sinn, dass man sich beim Verfassen von E-Mails wie auch von jedem anderen Text häufiger fragen sollte, wie schreib ich es am kürzesten? Und am präzisesten? Und sich dafür auch die Zeit nimmt.

Nicht nur als Texter.

Die zunehmende verbale Verrohung (gefühlt nehmen grammatikalische und stilistische Nachlässigkeiten dramatisch zu) zeigt einmal mehr, wie effektiv gute Texte sind. Was man merkt, wenn man mal wieder einen richtig pointierten Text zu lesen bekommt.

Vielleicht liegt der Erfolg von Twitter gerade darin, dass die Leser wissen, sie müssen nicht mehr als zwei Zeilen konsumieren.

Die gekonnte Verdichtung von Textinformationen (egal ob Marken-Kommunikation, Gebrauchsanweisungen, redaktionelle Artikel, Testergebnisse, Präsentationen oder eben E-Mails) wird mehr und mehr zur Kunstform.

Mit der Kritik, dass man diesen Text hätte auch noch kürzer und präziser schreiben können, werde ich wohl leben müssen.

Was dennoch nichts an der Richtigkeit meiner Schlussfolgerung ändert:

Je mehr Texte es gibt, desto mehr Zukunft hat der Beruf des Texters.