Donnerstag, 28. Oktober 2010

Apfelmusik mit Nachgeschmack.

Eine bisher unbekannte Band imitiert auf iphones ihre Instrumente und spielt auf diese Weise ihren neuesten Song in der New Yorker U-Bahn. Diese Idee für ein Musikvideo hört sich erst mal gut an.

Jetzt ist die Band bekannt(er). Die Verkäufe auf itunes brummen. Und natürlich gibt es gleich eine ganze "Platte" zu kaufen.

Es ist in der Tat amüsant anzusehen, wie die Bandmitglieder – jeder mit einem brandneuen G4 ausgestattet – ihre Musik über die Instrumenten Apps kreieren.

Allerdings fühlt man sich von der Geschichte drum herum, nämlich dass der Band die Instrumente geklaut wurden und sie deshalb in der U-Bahn improvisiert, dann doch verarscht.

Wie sagte mein Kollege: Im Hintergrund sitzt irgendwo die Marketingleiterin von Apple und reibt sich die Hände.

Marktmacht und daraus resultierende Selbstgefälligkeit kann sich in Ablehnung verwandeln. Microsoft sollte Apple eine Warnung sein.


Take Me Out - Atomic Tom LIVE on NYC subway - MyVideo

Sonntag, 24. Oktober 2010

Jeder sucht ihn. Keiner kennt einen.

Die Verschmelzung von Online- und Offline Kreation hat ihren Höhepunkt erreicht.

In Deutschland.

Was eigentlich schon lange abzusehen war, ist Realität geworden. Agenturen führen ihre Abteilungen wieder zusammen, weil man die beiden Medien in der Entwicklung von Ideen und Kampagnen nicht mehr getrennt voneinander arbeiten lassen kann.

Als Agentur-Häuptling ist man damit beschäftigt, die technische Komplexität der digitalen Medium in fachkundige Hände zu legen.

Egal, mit wem man spricht, alle suchen hierzulande diesen einen: Creative Technologist.

Dies ist die Position – naiv formuliert – zwischen den Programmierern und den Kreativen.

Eine Person, die aus der Computertechnik kommt und ein kreatives Gefühl für Kampagnen und Konzepte hat. Ein Mensch, der die „Spinnereien“ der Kreativen nicht gleich mit „geht nicht“ abwiegelt (wie es Programmierer gerne machen), sondern der den Programmierern erklärt, wie es gehen kann.

Ein Mensch aber auch, der immer auf Ballhöhe mit den neuesten technologischen Entwicklungen ist und die Kreativen füttert.

Ein Hybrid also, wie man dieser Tage zu Mischlingen gerne sagt. Ein „best-of-both-worlds“-Typ.

Egal, mit welchen digitalen Koryphäen ich auch spreche, alle raten mir zu dieser Person.

Der Witz dabei ist: keiner kennt einen.

Und wenn, dann ist es, als ob von einem Mythos gesprochen wird. Eher findet man schon einen Information Architect.

Aber auch die sind selten.

Also, wer noch überlegt, welchen Job mit Perspektive er erlernen möchte, der sollte erst mal Informatik studieren und dann in die Werbung gehen.

Inzwischen wäre uns aber schon mit einem erfahrenen Technischen Projekt Manager geholfen. Ich habe mir sagen lassen, dass es da auch einige geben soll, die diese Hybridfunktion ganz gut ausfüllen können:

mareike_boddin@leagasdelaney.de

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Um die Ecke gedacht.

Das kapiert doch kein Verbraucher.

Glauben Sie wirklich, unsere Kunden verstehen das?

Da fällt der Groschen bei unserer Zielgruppe eindeutig zu spät. Wenn er überhaupt fällt.

Ich frage mich ernsthaft, kennen Sie eigentlich die Leute, an die wir uns wenden?

Herr Zschaler, hören Sie endlich auf, intelligente Werbung zu machen. Wir wollen doch verkaufen.


Fünf von fünfzig Aussprüchen, die ich mir in meiner Laufbahn schon anhören musste, wenn Kunden ihren Kunden nichts zutrauen. Und uns auch nichts.

Oder wenn Kunden zu der Meinung gelangen, platt kombiniert mit penetrant ist immer noch ungefährlicher als dass das Klientel geistig gefordert wird.

Mit meiner Gegentheorie, dass lieber weniger Kunden die Werbung verstehen, aber die, die es tun, sich dafür auch intensiver mit der Marke auseinander setzen, gewinne ich keinen Blumentopf.

Lieber platt an einer breiten Masse gescheitert als intelligent von einigen missverstanden. Wenn nur die Marktforschung cma-Daten (cover my as) liefert, ist schon alles im Lack.

Die folgende Kampagne ist ziemlich um die Ecke gedacht. Absolut Marktforschungs-ungeeignet, möchte ich behaupten.

Gerade das zeichnet sie aus.

Es ist der Auftritt eines NGOs und – so würden versierte Kunden jetzt vielleicht argumentieren – die haben ja nix zu verlieren, können sich also mit so einem Selbstversuch aus dem Fenster wagen.

Doch manchmal bringt um die Ecke gedacht viel weiter als brachial durch die Mitte gepoltert.

Tja, lieber Herr Zschaler,  i c h  verstehe das und  m i r  gefällt es auch, aber  i c h  bin ja leider nicht die Zielgruppe.




Adorno? Hegel? WTF hat das zu tun mit Umweltschutz? Schöne Kampagne für Biovision von der Agentur Walker, Zürich.

Montag, 18. Oktober 2010

Mind the gap.

Frage 1000 Leute um ihre Meinung zu geschmacklichen Dingen, und du wirst 1000 verschiedene Antworten erhalten. So hieß es früher.

Heute muss es heissen: Frage nicht 1000 Leute um ihre Meinung, und du wirst trotzdem 1000 verschiedene Antworten erhalten. Die sozialen Medien machen das für dich.

Es muss nur eine Person geben, der das Interesse hat, entsprechend viele Menschen auf die viralen Barrikaden zu bringen, und deine Standhaftigkeit als Marke wird auf die Probe gestellt.

Wenn sich eine große Marke dazu entscheidet, eine größere – besonders geschmackliche – Veränderung an ihrem Produkt vorzunehmen, dann kann sie damit rechnen, eine Bewegung in Gang zu setzen. Meistens eine kritische.

Die Modefirma GAP hat das jüngst erfahren müssen (siehe unten).

Daraus lernt man, dass sich eine Marke schon vor Veröffentlichung auf die negativen Reaktionen vorbereiten und überlegen sollte, wie man sich verhält.

Ein Logo für viele Millionen Euro zu ändern und nach ein paar Tagen digitalem Gegenwind einzuknicken, zeugt nicht von einer sonderlich guten Kommunikationsleistung.

Entweder glaube ich als Macher an eine Veränderung, halte den Sturm aus und zeige Rückgrat. Dann werde ich kurzfristig vielleicht ein paar alte Kunden weniger haben, aber auf Dauer viele neue mehr.

Oder ich versuche, eine repräsentative breite Masse in der Änderungsprozess einzubeziehen, so dass ich damit rechnen kann, dass es auch dem Rest der Kundschaft gefällt.

Dann könnte ich mich aber einem anderen Problem ins Auge blicken, dem sich viele Kunden heute gegenüber sehen: eine glatt gelutschte Mafo-Lösung, die zwar keinem wehtut, aber auch nichts bewegt.

In diesem Zusammenhang sollten sich die betroffenen Markenvertreter auch mal wieder das Phänomen "negativ ist attraktiv" in ihren Kopf rufen:

Wenn Menschen eine Veränderung gut finden, setzen sie sich viel seltener hin, um einen Kommentar oder ein Mail zu schreiben, als wenn sie etwas schlecht finden.

Das Gute wird meistens kommentarlos hingenommen, am Schlechten wird gerne auch der eigene Frust öffentlichkeitswirksam abreagiert.

Nur weil ein paar Berufsbedenkenträger etwas schlecht finden, heisst das noch lange nicht, dass die Mehrzahl der Stillen damit unzufrieden sind.

In diesem Zusammenhang würde mich interessieren, wie viele Stuttgarter Bürger eigentlich für (!) das Projekt sind (Wir können alles. Außer Bahnhof).

Einschneidende Veränderungen muss man aussitzen.

Wenn man daran glaubt.














Massendemo auf Facebook führte zum Erfolg.
Das neue Logo (links) wurde zurück gezogen.

Sonntag, 10. Oktober 2010

Kreative Illegalität.

Ich bekomme immer wieder Mails von Kollegen oder Freunden, die mir Links zu interessanten Kampagnen schicken.

Sogenanntes Blogfutter.

Durch diesen Service (den ich übrigens sehr schätze) habe ich ein Phänomen kennen gelernt, das immer häufiger auftritt. Es ist das plötzliche Verschwinden von Goldideen (z.B. auf YouTube).

So sieht das aus.

Es scheint immer mehr kreative Radikalinskis zu geben, die Ideen entwickeln und veröffentlichen, ohne die betroffene Marke um Erlaubnis zu fragen.

Die erste große Diskussion um dieses Thema fing vor mehreren Jahren mit einem Viral für den VW Polo an (Motto: incredibly tough), in dem sich ein Terrorist in einer Innenstadt die Luft sprengen wollte. Doch der Wagen hielt diese Explosion aus.

Dann erinnere ich mich an einen Skandal aus Brasilien, in dem eine große Agentur für den WWF eine Kampagne gestartet hat, ohne die Organisation zu unterrichten (die erfuhr erst davon, als es die ersten Awards hagelte). Ergebnis: Die Agentur zog die Arbeit zurück.

Und jüngst bekam ich von einem amerikanischen Kollegen einen Link für einen Spot der Marke Sprite (siehe unten) geschickt, in dem er mich schockiert fragte, ob der (wirklich platte) Spot in Deutschland gelaufen sei.

Die Erklärung war, dass ein junger Regisseur das Werk ohne Genehmigung der Marke realisiert hatte mit der Behauptung, der Auftrag wäre für Deutschland gewesen. Ziel: sich ins Gespräch bringen.















Fake-Viral für Sprite. Eine ganz plumpe Nummer. Wer sich diesen Spot wirklich antun will, kann das hier



Der Irrglaube, mit Goldmedaillen automatisch PR, Aufmerksamkeit und damit Jobanfragen zu generieren, verleitet immer mehr Kreative zu solchem Unfug – ohne Genehmigung der Marke.

Diese Kreativen machen keine Kommunikation für die Marke, sondern dagegen. Was alles andere als goldwürdig ist.

Solche Werke schaden Marken und diese sollten langsam über rigorosere Schritte als Pressedementis nachdenken, um die Entwicklung einzudämmen. Kommunukations-Fakes sollten wie die Produkt-Fakes behandelt werden. Man geht gerichtlich gegen sie vor.

Dennoch möchte ich am Ende diese eine Idee bescheiben, die Anlass des Beitrags war. Sie hat Goldklasse und es wäre interessant zu erfahren, warum sie zurück gezogen wurde.

Die genial einfache Idee war für eine Sicherheitsfirma in Chile. Die Macher haben in einem Wohnhaus flache Kartons auf dem Boden unter den Türschlitzen durchgeschoben. Innen haben sich diese Kartons dann zu einem Würfel aufgefaltet (sozusagen dreidimensionale Popups). Kam der Wohnungsbesitzer nach Hause, stolperte er über diesen Würfel.

Botschaft darauf: So leicht kommt man in ihre Wohnung. Schützen Sie sich mit XYZ davor.

Ganz klar, die Grundanlage der Idee ist vom Charakter „Fake“. Aber wenn man eine Sicherheitsfirma gefunden hat, die dieser Kampagne zustimmt und wenn man sie dann in mehreren Wohnblocks planmäßig durchführt, ist es eine schöne und durchaus relevante Aktion. Eine, die für wenig Geld viel Impact bietet.

Bingo.

Sonntag, 3. Oktober 2010

Anti Product Placement.



















Seite 3, Hamburger Abendblatt vom Samstag, den 2.10.2010: PR-Desaster Stuttgart21 – aber das hat doch mit Stihl nix zu tun.

Product Placement as its worsest. Einfach zur falsche Zeit am falschen Ort.

Die Qualität dieser Marke wird es wohl überstehen. Immerhin wissen jetzt wieder ein paar Menschen mehr, mit welchen Kolossen so eine Kettensäge von Stihl fertig wird.