Dienstag, 22. Juni 2010

Little Britain.

Letzten Montag war ich bei unseren Kollegen in London. England hatte sich gerade ein 1:1 gegen die USA errumpelt und Deutschland hatte ein glanzvolles 4:0 gegen Australien hingelegt.

Man hätte einen schlechteren Tag erwischen können, um sich mit den Kollegen zu treffen (hat sich ja ein paar Tage später schon relativiert).

Wer im Fussball nicht so zu Hause ist, dem sei erklärt, dass der englische Torwart einen leicht haltbaren Ball durch die Finger rutschen ließ. Eine leidensvolle Erfahrung, die bei den Engländern WM-Tradition hat. Sie haben immer wieder Torhüter, die sich bei wichtigen Turnieren dicke Patzer erlauben.

Wenn man ihn bis dato noch nicht richtig kennen gelernt hat, so erfährt man ihn spätestens in solchen tragischen Momenten in voller Bandbreite: den englischen Humor.

Ich habe ja schon mal versucht, dieses Humor-Phänomen, dass natürlich auch in der Kommunikation der Engländer immer wieder wahnsinnige Ganzleistungen zu Tage befördert, etwas zu ergründen.

Aber vielleicht habe ich mich damals geirrt. Vielleicht erträgt man sein Leben in einer sehr hierarchischen Gesellschaft, mit einer kurz vor der Mumifizierung stehenden Königin und noch dazu mit einer Fußballmannschaft, die sich bei Titelkämpfen immer selbst im Weg zu stehen scheint, nicht anders als mit diesem beissendem Humor.

Das Volk hat quasi schon im Voraus einen emotionalen Katalysator zur Hand, um vor der sich anbahnenden Katastrophe seelisch geschützt zu sein.

Auch die Presse ist in England mindestens um 3 Klassen bissiger und selbstzerstörerischer als in unseren Gefilden. Der Pannen-Torwart und sein Privatleben wurden nach seinem Fehlgriff so zynisch und massiv auseinander genommen, dass man nur noch Mitleid haben konnte.

Wie auch immer der englische Humor entstanden sein mag, die neue Kampagne unserer Kollegen aus London für Nationwide – mit Protagonisten der britischen Sketch-Show „Little Britain“ – ist ein wundervolles Beispiel dafür, wie unterschiedlich Kulturen sind. Und wie sich das in der Werbung niederschlägt (was keine globale Kampagne leisten kann).

Die folgenden beiden Spots sind – wohlgemerkt – für eine Bank. Eine TV-Kampagne für ein Finanzdienstleister, von der wir hierzulande nur träumen können.

Bleibt zum Schluß die Frage, ob man als deutscher Kreativer mit den englischen Kollegen tauschen möchte.

Nach dem Spiel gegen Ghana lässt sich das sicher leichter beantworten.



TVC „Team England“ für Nationwide.



TVC „No Shareholders“ für Nationwide von Leagas Delaney London.

2 Kommentare:

ramses101 hat gesagt…

"Das Volk hat quasi schon im Voraus einen emotionalen Katalysator zur Hand, um vor der sich anbahnenden Katastrophe seelisch geschützt zu sein."

Schön auf den Punkt gebracht. Das sieht jemand, der es wissen muss, übrigens ziemlich genau so:

Michael Palin: "Dieser Humor basierte immer schon auf Demütigung - darauf, eine Niederlage zu erwarten, sich mental rechtzeitig auf sie vorzubereiten und dann Pointen parat zu haben, um sich totzulachen."

Das ganze (lesenswerte) Interview:

http://tinyurl.com/34w46dm

Frank Dovidat hat gesagt…

Ich finde, in Spot-Länge kommt Little Britain besser als in der Fernsehshow. Das ist genau die richtige Dosis, die man als Mitteleuropäer ertragen kann. Für höhere Dosen muss man wohl auf der Insel leben.