Montag, 30. November 2009

Werteverfall von Ideen.

Jeder Kreative weiß, wie schwer es heutzutage fällt, eine wirklich ungewöhnliche Ideen zu entwickeln.

Durch die große Anzahl von Wettbewerben ist in den letzten Jahren zudem eine Dynamik ins „Kreieren“ gekommen, die der Wertschätzung von Ideen immens geschadet hat.

Kunden sind es längst gewohnt, hervorragende Ideen kostenlos serviert zu bekommen.

Wettbewerbe bzw. deren Organisationen sind es gewohnt, die Eitelkeiten der Agenturen und Kreativen schamlos auszunutzen (immer mehr Wettbewerbe, immer höhere Einsendegebühren etc.).

Neulich saß ich mit Arno Lindemann (LLR) zusammen und er stellte sehr treffend fest, dass alle Ideen, die nicht „Gold“ gewinnen, schon gar nicht mehr richtig wahrgenommen werden.

Silber, Bronze, Shortlist – ausgezeichnete Ideen gehen im Meer der ausgezeichneten Ideen unter.

Auch die Halbwertszeit von Ideen wird immer kürzer. Heute noch Gold, morgen schon vergessen.

Hinzu kommen all die Online Archive, die dafür sorgen, dass es gute (und noch viel mehr mittelmäßige) Ideen im Überfluss zu begutachten gibt.

Über die sozialen Netzwerke werden die neuesten guten Ideen sofort publik gemacht.

Ich stelle teilweise eine Kapitualtion vor der „Masse Idee“ bei mir fest, die in den sozialen Netzwerken täglich präsentiert werden.

Die neueste „Shots“ als DVD ist nicht mehr neu. 90% aller Spots habe ich längst vorher schon irgendwo anders gesehen bzw. es wurde mir „sozial nahegelegt“, sie anzusehen.

Wie soll man der ganzen Flut noch Herr werden?

Wie können wir endlich wieder eine verdiente Wertschätzung für unser geistiges Produkt erreichen?

Nur, wenn wir uns voll und ganz (in Agenturen, bei Kunden, bei Wettbewerben) auf Ideen konzentrieren, die sowohl kreativ ungewöhnlich sind als auch eine nachweisbare Wirkung erzielt haben.

Auf echte Kundenbriefings. Und nicht auf Wettbewerbs-Ideen.

Das aber ist wie eine Entziehungskur. Doch sie wird wohl bald schon auf uns zukommen.

7 Kommentare:

Phil hat gesagt…

Ich finde, dass dieses Fakeideending eigentlich ein Spuk von Klassikern ist. Denn in einer Zeit in der der Konsument selbst gestaltet oder mitgestalten will, gibt es sowas wie "Goldideen" nicht mehr.

Wenn ich mich heute entscheide ein Video aus Liebe zu einer Marke zu machen, es auf youtube stelle und plötzlich Millionen von Clicks bekomme, ist es relevant. Obwohl der Kunde nix davon wußte und auch kein Mediabudget gezahlt wurde. Und wenn der Kunde halbwegs bei Trost ist, wird er es trotz Missachtung seiner Markenstrategie mir danken.

Das große Goldideenhangover hat schon begonnen, aber ich finde die Diskussion darüber so anregend, wie die Diskussion darüber, ob Print tot ist. Die Grenze zwischen Gold und nicht Gold verschwindet in einer Zeit in der alles zum Medium wird. Da kann man lange darüber diskutieren, ob ein Spot der nur einmal ausgestrahlt wurde, auch "echt" ist, aber man wird dabei vergessen, dass heutzutage jede halbwegs witzige E-Mail (siehe LLR Mercedes Gewinn) schon als "echt" gilt.

Des weiteren würde ich auch anregen, weniger über Awardshows zu sinnieren und lieber mal die Juries beim Kragen zu packen. Das sind diejenigen die auszeichnen und Fakeideen durchwinken und nach Einreichung 1001 - teilweise entschuldigt - nur noch auf Ballaballaideen tippen.

Iwo Randoja hat gesagt…

Die Awardjagd ist für mich ohnehin nur ein Sich-Selbst-Feiern, das nicht unbedingt auf substanzieller Qualität basiert, die letztendlich nur durch eins entsteht: Erfolg beim Kunden.

Ich kenne Agenturen, die bei der Screening-Präsentation erst einmal ihre Awards ausgepackt haben. Und nicht den Nutzen, den sie für den potenziellen Kunden bringen können. Das ist lächerlich. Und letztendlich unprofessionell.

Gute Ideen funktionieren! Aber die Idee hat nicht immer mit so genannter Kreativität zu tun, als mit anderen Dingen wie Branchenwissen und intensives Hineindenken in die Bedürfnisse und Kommunikationsgewohnheiten von verschiedenen Zielgruppen. OK, das spielt im B2B-Bereich alles sicher eine größere Rolle als wenn ich einen Joghurt verkaufen will.

Aber ein bisschen weniger Narzismus und mehr Besinnung auf erfolgreiche Arbeit würde vielleicht helfen, den Awarddruck von den gebeutelten Agenturschultern zu nehmen.

milchsaeure hat gesagt…

Wertschätzung von Ideen durch Konzentration auf Kundenbriefings? Interessanter Gedanke!
Also, wenn man ehrlich ist, dann sind Wettbewerbe wohl der letzte und einzige Ort, an dem Ideen noch wertgeschätzt werden.
Kunden sehen Ideen eher als geringwertiges Gut an. Genau wie die Agenturen selbst auch. Das liegt daran, das viele Marketingfachleute keine Ahnung von Kommunikation haben und Agenturen keine Überzeugungen.
Woran glaubt denn ein Agenturchef, Chief Creative Officer, Account Ececutive heute? An die Kraft einer Idee? Oder an Status, Bonus und Karriere.
Du hast ganz recht: wir brauchen nicht mehr Ideen. Aber mehr Leidenschaft.

Anonym hat gesagt…

solange das produkt aktuell und hip ist, genau solange ist auch die werbung relevant.

wenn aber aller 3 monate ein noch bessereres und mit noch mehr blabla produkt daher kommt, oder sich eine firma 2 gleiche produkte, die konkurieren, leisten kann, bitte. förderlich ist es nicht.

wisst ihr wer edeka-mitarbeter des jahres geworden ist? oder welche budnifiliale die goldene kloschüssel gewonnen hat? genauso relevant sind unsere preise in der realen welt.

ich hätte auch lieber einen film online über den millionen von usern sprechen als irgend eine fakeidee die 1x in der nacht auf rtl gezeigt wird...

diejenigen (jurys) die heute urteilen was wohl gut oder schlecht ist, sind meiner meinung nach überhaupt nicht mehr repräsentativ.

Unknown hat gesagt…

Sers Stefan,

schwer interessaner Gedanke zum Thema "Masse der Ideen" in den sozialen Netzwerken. Ich bin bezüglich dieser These der Meinung, dass der brachiale Hype um Social Networks, Plattformen durchaus Ideen konterkarieren kann. Es ist meiner Meinung nach brutales, tägliches Multiple-Choice der Konsumenten – und die Geschwindigkeit, mit der Ideen publik werden, diskutiert werden und damit oftmals schon gelutscht sind, ist high-speed at its best.

Als Kreativer (ebenfalls Texter) muss man meiner Meinung nach die ständig fallende Halbwertszeit von Ideen mit einkalkulieren. Und ein feines Gespür dafür haben, was alles an Schrott durch die social platform world geistert. Denn kreativer Schrott hat noch jeden Kreativen gelähmt!!!

Phil hat gesagt…

Milchsäure hat recht. Es gilt nur Karriere. Und das nicht nur auf Kundenseite, sondern auch in den Agenturen.

Ja, es ist ein Business und ja, es geht in erster Linie darum Geld zu erwirtschaften, aber genau da liegt der Haken: während sich viele Werber Awardshows als Ventile verschaffen, geht der Kunde und der AgenturMD lieber den "sicheren" Weg, riskieren nix und schauen dabei nur auf ihre Karriere.
Auch auf die Gefahr hinaus, dass ihre Marke unter der mangelnden Kreativität leidet.

Wenn man vom Werteverfall der Ideen spricht, muß man auch feststellen, warum das so ist. Und da landet man automatisch bei Werbern wie den alten Frankfurter Networkpolitikern und den Management Boards von Kraft Foods und wie sie nicht alle heißen.
Ich bleibe dabei - Goldideen haben ihren Ursprung nicht in der Eitelkeit von Werbern, sondern von Businesshengsten, die am Ende des Monats einfach die dicksten Schecks auf dem Konto einlösen wollen.
Egal ob ihre Marke leidet oder floriert.

Ich bin der Überzeugung: Wenn nur ein Drittel aller Kunden und Agenturen mehr Leidenschaft für ihre Marke/Produkt hätten, wäre dieses Drittel auch bei den Canneseinreichungen "echt".

Und das wertet die Ideen automatisch wieder auf.

Zschaler hat gesagt…

@phil: Du vergisst den Aspekt, dass die Awardshows für viele Agenturen ein Marketingtool geworden sind, um als "kreativ" zu gelten. Einmal an der Spitze des Rankings vom Manager Magazin, wollen viele diesem Ruf treu bleiben (oder andere wollen ihn ergattern) und so werden die Wettbewerbe mit Fake-Ideen überschwemmt.

Ist auch für den Mitarbeiter-Markt ganz wichtig, als kreativ zu gelten.

Da die Menge von "Qualitäts-Ideen" mit den Alltags-Briefings oft gar nicht zu schaffen ist, entwickelt man eben viele Fakeideen.

So wurde mit den Jahren ein Paralleluniversum geschaffen, was mit dem eigentlichen Job nicht mehr viel zu tun hat.