Donnerstag, 19. November 2009

Fake als Wirtschaftsprinzip.

Es war vielleicht von höherer Macht als dezenter Hinweis auf das geplant, was mich in den nächsten Tagen beschäftigen würde, als ich am Morgen meines Abfluges nach Beijing einen ganz speziellen Artikel im Hamburger Abendblatt las.

Er berichtete über das Wirtschaftsgebaren in China. Und wie es westliche Unternehmer, Erfinder und Kreative an den Rande des Wahnsinns führen kann.

Eine deutsche Firma hat vor ein paar Jahren in einer chinesischen Provinz eine Fabrik errichtet. Sie verstand sich exklusiv darauf, Rohre in allen Formen und für alle Funktionen zu biegen und herzustellen. Nach ein paar Jahren entdeckte der Unternehmer bei einem Besuch durch Zufall, dass nur 8 km von seiner Fabrik entfernt eine andere Fabrik entstanden war, die genau dasselbe herstellte wie er.

Nur viel billiger. Und in schlechterer Qualität.

Diese Erkenntnis brachte den Unternehmer natürlich nicht nur um seinen Profit, sondern auch um seinen guten Ruf, denn die Fake-Ware war unter seinem Markennamen auf dem Markt.

Jetzt sind Geschichten wie diese nicht ganz neu in der Wirtschaftspresse. Der Begriff „Fake“ ist in den chinesischen Metropolen gar ein erfolgreiches Handelsprinzip, denn es gibt die so genannten Fake Markets, in denen man von Mode, Brillen, Uhren und elektronischen Geräten viele Kopien von gängigen Markenartikel kaufen kann. Selbst die Qualitätsstufen lassen sich schon wählen: zwischen ganz billig kopiert und etwas besser billig kopiert.

Wenn man Glück hat, ist die Qualität gar nicht so schlecht.

Doch mit diesem Lotteriezustand will natürlich kein normaler westlicher Verbraucher auf Dauer leben. Bei Modeartikel verzeiht man vielleicht noch, wenn es die gefakte True Religion Jeans für umgerechnet 30 Euro (bei uns 230 Euro) alsbald zerreißt. Aber bei elektrischen Geräten kann es schon Stress bedeuten, wenn der Überhitzungsschutz einfach weggelassen wurde. Oder bei Pharmaprodukten die ein oder andere entscheidende Substanz fehlt.

Ich selbst kann diesen Fake Markets nichts abgewinnen. Kein Einkaufserlebnis, teilweise wirklich schlecht kopierte Ware und total penetrante und nervige Verkäufer, die unaufhörlich auf einen einplappern. Irgendwie die totale Touristen-Verarsche.

Ich frage mich als Kreativer in diesem Zusammenhang natürlich auch, woher man seine Motivation noch nehmen soll, wenn es ein Land gibt, das hemmungslos alles kopieren darf, ohne dass eine Regierung Einhalt gebietet. Im Gegenteil, wer clever kopiert ist in China ein Wirtschaftsheld. Kopieren gehört dort genauso zur „guten Erziehung“ vieler Chinesen wie das laute Furzen beim Essen oder das öffentliche Rotzen.

Für mein gesundes Weltbild gibt es zwei Gründe, warum es ein „weiter“ für Erfinder gibt.

Der erste Grund ist der natürliche Selbsterhaltungstrieb.

Man kann sich als „westlicher Erfinder“ ewig darüber beklagen, dass die Chinesen immer schneller und besser Ideen kopieren. Man kann es aber auch als Turbo zur Steigerung seiner eigenen Qualität sehen.

Denn die immer ausgefeilteren Fake-Techniken der Chinesen sorgen dafür, dass wir uns noch intensiver darum kümmern müssen, mit unseren Ideen (egal ob Produkt-, Distributions- oder Marketing-Ideen) permanent einen Schritt voraus zu sein. Das hält unsere Innovationskraft lebendig.

Der zweite Grund ist ganz profan. Kopieren als Job macht einfach keinen Spaß.
 















Ob Mode, Uhren, elektronische Geräte oder sonstige Accessoires. Ob Dolce&Gabana, Abercrombie&Fitch, Rolex, Apple oder RayBan: in Fake Markets gibt es alles. Das Bild ist verwackelt, weil die Verkäufer das Fotografieren nicht mögen.

8 Kommentare:

NatePortnoy hat gesagt…

Cooler post, Stefan.

Das Bild sieht übrigens aus wie ne schlechte Kopie von nem Foto...

ramses101 hat gesagt…

Wenn ich solche Geschichten wie die vom Rohrproduzenten höre, merke ich wieder, wie pillepalle die Fake-Sorgen der Werber in Relation dazu sind.

Wenn jemand meine Idee kopiert oder klaut, dann ist das zwar blöd, aber meine Güte, hab ich halt ne neue. Wenn die Verwirklichung einer Idee aber Fabrik und Produktionsmittel voraussetzt, was ja alles nicht billig ist, sieht das schon anders aus.

Anonym hat gesagt…

Stimme @ramses101 zu: Als Werber kann man ein Plagiat einfach als Lob verstehen. Man hat eine so gute Idee, daß andere sie für wertvoll genug halten, um sie zu koperen.
Bei "handfesten" Produkten sieht die Sache eben anders aus. Mode würde ich dort allerdings fast wieder ausnehmen, weil ich einfach mal behaupte, ohne ihre ganzen Kopien wäre eine Tasche von Louis Vuitton nur die Hälfte wert. Nicht umsonst hat Prada mal in seinem New Yorker Flagship Store Computer aufgestellt, damit die Kunden auf ebay nach Prada-Fakes zu suchen in der Lage gewesen sind.

chris hat gesagt…

Eines an der Fake Sache ist wirklich gut: Man erkennt die hohe Qualität der Markenartikel. Also wenn es jetzt um so Sachen wie ne Stihl Kettensäge oder Autos geht. Man erkennt aber auch wieviel hinter ner Sonnenbrille oder Modekrams steckt und was dort die Markenqualität ausmacht.
Also eigentlich ist die ganze entwicklung sehr gut, denn so sind "wir" gezwungen stets extrem hohe Qualität und neue Entwicklungen zu produzieren um uns zu differenzieren.

Das es diese Industrie in China gibt ist also nicht so schlimm is ja auch was kulturelles (Das chin. Wort kopieren ist gleichz. Ehren oder so), schlimmer sind eher die Westlichen Plagiarusse wie Ikea H&M & Co, die 'gut' kopieren und alle neuen Designentwicklungen in sich aufsaugen.

Bei Werbern könnte man eher vom Scam also Wirtschaftsprinzip sprechen.

ramses101 hat gesagt…

Den H&M-Vergleich versteh ich nicht. Ist Mode nicht ohnehin immer eher "follow the leader"? Irgendwie einigt sich die Modebranche doch jedes Jahr auf eine bestimmte Mode. Und warum soll ich als Billigheimer dagegen anstinken und für mich entscheiden, dass ich statt halblanger Mäntel einfach mit langen Mänteln antrete?

Aber da steck ich zugegebenermaßen so gar nicht drin.

chris hat gesagt…

jup ich geb zu der H&M vergleich hinkt, ich wollte einfach noch jemanden wie Ikea nennen und war zu faul die Plagiarus-Seite zu besuchen. Da habe ich einfach behauptet, dass H&M auch kupfert.
Auch meinte ich nicht die Mode an sich oder Trends sondern einzelne Assessoirs die 1:1 von namenhaften Designern gekupfert werden.

http://www.plagiarius.com

Anonym hat gesagt…

1. muss man heute nicht mal nach china schauen was die nicht alles klauen, denn jede gute firma klaut von jedem, auch im westen.
schaut euch doch nur mal an was lg, samsung, etc mcht. die haben das iphone geklaut. zumindest ein bisschen.

2.
das liegt in der geschichte der chinesen. du bist einfach was besserers wenn du solche fakes herstellen kannst. das können wir uns hier gar nicht vorstellen, aber für die ist das normal. leider.

ramses101 hat gesagt…

@Chris. OK, da hast du natürlich Recht.