Donnerstag, 29. Oktober 2009

Gute Ideen sind leicht verderblich.

Vor ein paar Jahren schickten wir ein TV-Skript für Skoda zu einigen Filmproduktionen, um die Herstellung des Filmes zu starten und den geeigneten Regisseur dafür zu finden. Einen Tag später bekamen wir von einer der Produktionen den Hinweis, dass sie gerade ein fast identisches Skript für eine andere Automarke von einer anderen Agentur auf dem Tisch liegen hätten.


Diese Zufälle gibt es. In einer Zeit, in der wirklich einzigartige Ideen sehr rar gesät sind, können sie einen fast um den Verstand bringen. Vor allem dann, wenn der Kunde die Idee schon durch seine Hierarchien getragen und freigegeben hat.


Wir hatten Glück.


Wir waren mit unserem Skript in der Entscheidungshierarchie schon weiter und auch unser on air Termin war früher. Da wir die handelnden Personen in der anderen Agentur kannten, liess sich die Sache ohne Schaden für beide Seiten regeln. Die anderen zogen ihr Skript zurück.


Diesen Glücksfall gibt es aber so gut wie nie. Wenn eine geniale Idee draußen ist, aber zur gleichen Zeit erscheint eine ähnliche Idee, dann ist sie leider nur noch halb so genial. Auch wenn beide Seiten nichts voneinander wussten. 


Beim Kunden sinkt die Freude und er kommt intern in Erklärungsnot. Bei Verbrauchern entsteht eventuell Verwirrung oder einfach nur Langeweile. Und bei Wettbewerben hast du die Dopplungs-Diskussion in den Jurys.


Ein leidenschaftlicher Kreativer sollte sich dennoch mal die Frage stellen, ob diese Zufälle wirklich nur Zufälle sind. Oder manchmal eben auch das unglückliche zeitgleiche Erscheinen von identischem Ideen-Wissen.


In dieser Branche kennt jeder jeden. In einer Stadt wie Hamburg sind viele Kreativen miteinander bekannt, befreundet, verheiratet oder gar verwandt, die in unterschiedlichen Agenturen arbeiten.


Viele Kreativteams kommen in Agenturen zusammen, haben tolle Ideen, und trennen sich nach einiger Zeit wieder. Viele CDs sammeln Ideen, die nicht veröffentlicht wurden. Und viele Kreative können einfach auch nicht die Klappe halten, wenn sie eine starke Idee entwickelt haben, die noch gar nicht veröffentlicht ist.


Da gibt es nur eins: Über Ideen nicht mit den Kollegen oder Freunden aus der Branche reden, bevor sie on air sind. 


Ich bin immer wieder entsetzt, wie leichtfertig Leute aus anderen Agenturen mit ihren Ideen umgehen, die gerade im Entscheidungsprozess sind.


Stichwort 1: Party. Stichwort 2: Restaurant. Stichwort 3: Bewerbermappen. 


In der heutigen Zeit muss man mit guten Ideen umgehen wie mit seinen Goldreserven.


Man sollte sie nicht offen auf den Tisch der Mittagskneipe legen.


Zu den Beispielen unten: Blinde Männer entdecken neue Autos: Einmal der neue Ford Mustang. Einmal der neue Volvo S60 (Volvo gehört pikanterweise auch noch zur Ford Gruppe).




 
Ein blinder Mann hat den Wunsch, noch einmal mit einen Ford Mustang zu fahren. 
Trailer „2010 Mustang P.O.V. Chapter 1“.


 
Filmtrailer  „2010 Mustang P.O.V. Chapter 2“. 


 
Ein blinder Künstler entdeckt den neuen Volvo S60 und malt ihn, bevor ihn irgend jemand gesehen hat.

Montag, 26. Oktober 2009

Der Weg in die Agenturzukunft?

Der Werbung wird in letzter Zeit so häufig der Garaus prophezeit, dass man fast schon wieder ein Freund der These „Totgesagte leben länger“ werden sollte.


Die löwenschwere amerikanische Agentur R/GA präsentiert sich in einem Vortrag vor Studenten der Wharton University als Nonplusultra-Zukunftsmodell: the agency of the digital age.


(Ich persönlich fühle mich teilweise an den Film „The Big Lebowski“ erinnert. Nur noch „dudes“ um einen herum).


Man muss anerkennen, das Thesen und Prozessmodelle sehr geschickt aufgezeigt werden, so dass Agenturen wie Crispin oder Goodby plötzlich als Auslaufmodelle erscheinen. Und wir sowieso.


Das beigefügte Video ist deshalb schon allein aus zwei Gesichtspunkten sehr interessant:


Gesichtspunkt 1: Wie man sich als Agentur überzeugend präsentiert und differenziert.


Gesichtspunkt 2: Mit welcher Selbstverständlichkeit und Lässigkeit amerikanische Kreative sich als die Größten darstellen.


Wem das Video (37 Minuten) allerdings zu lang ist, für den fasse ich gerne zusammen: 


Die Quintessenz liegt in der These, dass Kampagnen von gestern sind (weil sie immer nur kurze Peaks kreieren und eine Marke danach wieder in Vergessenheit geraten lassen – was m.E. Bullshit ist). Und dass Platformen die Kommunikation von morgen bedeuten.


Was mit Platform gemeint ist, soll u.a. das Beispiel Nike „The human race“ verdeutlichen. 


Hier wurde – nach R/GA Credo – keine profane Kampagne geschaffen, sondern eben eine solche Platform kreiert.


Das kann man nun so oder so sehen.


Sicher ist es richtig, dass durch Nike+ (mit integriertem ipod sport kid) und „The Human Race“ ein Produkt (jetzt: Platform) geschaffen wurde, das länger hält als eine Kampagne. Sagen wir es mal so: Es ist einfach ein großartig gemachtes Konzept. Kompliment.


Aber die Platform ist einfach Teil des Produktes. Wer da was erfunden hat, lassen wir mal aussen vor. Und es hat auch einer Kampagne (jetzt: Bewegung) bedurft, um die Platform anzuschieben.


Überzeugend an der "Platform" ist, dass der interaktive Charakter und die Zusammenführung von Läufern auf der ganzen Welt eine ganz andere Kraft entwickeln konnten als eine profane Werbekampagne je hätte entwickeln können. Aber dazu hat es eben auch dieses "Produktes" bedurft.


Dass „profane Werbekampagnen“ ihren Zenit überschritten haben dürften, steht für mich außerhalb der Debatte. Und auch, dass Agenturen viel weiter "vorne" im kreativen Entwicklungsprozess eingreifen sollten.


Doch es kommt immer auch darauf an, was ein Produkt hergibt. Und welches Budget zur Verfügung steht.


Ob man dann alte Begriffe verwendet (Produkt, Kampagne) oder neue (Platform, Bewegung) ist Agenturmarketing.





The Way Forward? Video über einen „Vortrag“ zweier Agenturbosse von R/GA New York vor Studenten. Achtung: Länge 37 Minuten.

Donnerstag, 22. Oktober 2009

Stell dir vor, es wäre dein Geld.

Eine der häufigsten Tätigkeiten eines Kreativen ist: hadern.

Hadern mit den Entscheidungen der Kunden. Hadern mit mangelnder Innovationskraft. Hadern mit fehlendem Mut. Hadern mit zu kleinen Formaten. Die "Haderer-Liste" lässt sich leicht fortsetzen.

Das Hadern ist meist dann am größten, wenn man nach einem langen strategischen und kreativen Entwicklungsprozess zu einer genialen Lösung gekommen zu sein meint. Wenn mit einem gehörigen Aufwand die Strategie, die Idee und/oder die Kampagne visualisiert wurde. Und dann das "nein" des Kunden folgt.

Je schwammiger die Gründe dagegen formuliert sind, desto mehr hadert man.

Was habe ich schon mit Kundenentscheidungen in meinem Leben gehadert!

Aber das hilft rein gar nix. Im Gegenteil, es führt mit den Jahren nur zu einer chronischen Anti-Haltung und zu permanentem Misstrauen. Beides ganz schlecht für Kreativität. Kreativität braucht Optimismus, Aufbruch und Freude.

Gerade wenn eine Lösung vom Kunden nicht akzeptiert wurde, sollte man genau hinterfragen, warum denn nicht (beharrt auf eine ausführlichere Argumentation des Kunden). Denn davon lernt man besonders als junger Kreativer für die Zukunft viel mehr als wenn man mit einem dicken Hals durch die Agentur rennt und alle Missmutigen zu einem Frustbier einlädt (ok, ok, das kann auch mal helfen, aber nicht auf Dauer).

Die Zusammenarbeit mit unserem Kunden followfish eröffnet mir in diesem Zusammenhang immer wieder Schlüsselerlebnisse.

Der regelmäßige Leser weiß, dass das ein Start-up-Kunde ist, den wir von Beginn an betreuen. Wir haben bei der Namens-, Packungs- und Marketingentwicklung erheblich mitgewirkt und partizipieren deshalb auch am Erfolg der Marke.

Wenn man so will, sind wir bei diesem Kunden ein kleines Stück Unternehmer.

Der Kunde selbst ist innovativ, mutig, optimistisch und entscheidungsfreudig. Also alles, was sich ein ausgehungerter Kreativer nur wünschen kann. Bis auf das Budget natürlich, das bewegt sich momentan noch zwischen schmal bis sehr schmal.

Aber das muss einen ja nicht unbedingt von aussergewöhnlichen Ideen abhalten, wenn der Kunde zu fast allem bereit ist.

Nach knapp zwei Jahren seit ihrem Start ist die Marke nun endlich gut distribuiert (im Biofachhandel bundesweit – und mit einigen ausgewählten Produkten auch schon in Teilregionen von Edeka und Rewe).

Jetzt ist es an der Zeit, an eine Kampagne zu denken, um den Namen und die Produkte bekannt zu machen. Um eine wahre Marke daraus zu machen.

Und siehe da, viele Ideen, die mutig und teilweise auch provokant sind, wägen wir kritischer ab und kommen zu dem Schluss, dass es der entscheidende Schritt zu viel ist.

Wir hatten sogar schon eine sehr mutige Idee präsentiert, von der der Kunde ganz begeistert war. Aber als man in den anschließenden Diskussionen die Konsequenzen und Folgen für die Marke nicht wirklich abschätzen konnte, sind wir selbst zu dem Schluss gekommen, dass man die Idee in der Schublade stecken lassen sollte.

Tim Delaney sagt in solchen Fällen gerne: calculated bravery. Gute Ideen müssen mutig sein, aber man sollte das Risiko immer vorher abschätzen können.

Was soll euch das sagen?

Es hilft eigentlich immer, sich einmal vorzustellen, dass einem das Unternehmen gehört und dass es das eigene Geld wäre, das man für die Kampagne ausgeben soll. Um dann zu entscheiden: Würde man Millionen in die eigene Idee investieren oder lieber nicht?

Kleine Anekdote am Schluss: Wir waren mal bei einem Unternehmen vorstellig, das nach vielen schlechten Erfahrungen mit Agenturen wieder in Werbung investieren wollte. Am Ende eines längeren Entscheidungsprozesses, in dem es um ein sechsstelliges Budget ging, hat der Unternehmer seine am Tisch sitzende Frau gefragt:

Sollen wir das Geld in Werbung stecken oder lieber eine gute Immobilie dafür kaufen?

Dienstag, 20. Oktober 2009

Die "Come in and find out" Neurose.

Es ist mal wieder soweit. Sie kommt so regelmäßig wie die Olympischen Spiele. Die Debatte über englische Slogans in deutscher Werbung. Wer erinnert sich nicht an die leidige Diskussion vor Jahren um den englischen Slogan der Parfümkette Douglas: „Come in and find out“. 


Die Interpretation einiger Verbraucher soll gewesen sein: „Komm rein und finde wieder raus“.


Nur jeder vierte versteht und interpretiert englische Werbeslogans richtig ­– laut einer neuen Studie der Namens-Agentur Endmark (nach vorhergehenden Studien aus 2003 und 2006).


Die Presse zieht sich aktuell an der Levi’s Kampagne „Live unbuttoned“ und einer (!) Fehlinterpretation „lebendig angeknöpft“ hoch (z.B. heutiges Hamburger Abendblatt Seite 21).


Soll eine internationale Marke wie Levi’s in einem Zeitalter, in dem ihre Zielgruppe die Werbung mehrheitlich über das Internet aufnimmt, allen Ernstes im deutschsprachigen Webraum mit einem deutschprachigen Slogan aufkreuzen?


So etwas wie „Sei nicht zugeknöpft“?


Ich denke, der Schaden für die Marke wäre weit größer als die Tatsache, dass ein paar Dämlacks den Slogan falsch verstehen. Im Internet wäre so ein Vorgehen der glatte Verriss.


Werbespezialisten, die sich mit solchen Studie ins Rampenlicht bringen, gehören meistens auch zu den Leuten, die für die zähe Werbesoße verantwortlich sind, die sich täglich über uns ergießt.


Hinter Studien stecken nämlich meistens Marktforscher.


Wer als Kreativer schon einige Zeit im Business unterwegs ist, der weiß, dass Marktforscher (bzw. ihre Untersuchungen) den untrüglichen Killerinstinkt haben, um alle Ecken und Kanten, die Werbung besonders macht, durch Pre- und Posttests gerade zu bügeln.


Wer Werbung schaffen will, die jeder Mensch versteht, der endet mit langweiliger Werbung.


Ungewöhnliche Werbung polarisiert und ist nicht immer sofort löslich. Verdammt, was spricht dagegen, wenn Werbung Verbraucher dazu bringt, etwas mehr nachzudenken?


Man muss einen Slogan bitte auch im Kontext der Kampagne sehen. Ich möchte hier nicht all die deutschen Slogans zitieren, die „keine Sau“ versteht.


Wer die Entwicklung der Akzeptanz von Werbung im Internet verfolgt, der fragt sich sowieso, über was für eine Lapalie hier eigentlich diskutiert wird. Die Werbekarawane donnert doch längst in ganz andere Sphären, wen interessiert da eine läppische Slogan-Diskussion?


Ich empfinde dieses Thema als eine polemische Albernheit von profilierungssüchtigen Medienleuten.


Eine PR-Fachfrau hat uns mal gesagt, wenn du als Agentur ins Gespräch kommen willst, dann mache eine Studie und veröffentliche sie.


Das scheint immer noch zu funktionieren.





Unsägliche Slogan-Diskussion. Am Ende dieses Spots soll dann in Deutschland allen Ernstes „Sei nicht zugeknöpft“ stehen? 

Freitag, 16. Oktober 2009

Bäume gegen Blablabla.

Der Klimawandel schreitet voran und setzt unsere Gesellschaft unter Zugzwang. Am 7. Dezember 2009 findet in Kopenhagen der nächste wichtige Klima-Gipfel statt und die tcktcktck-Kampagne versucht, alle beteiligten Politiker zum Handeln zu mahnen.

Das ist aller Ehren und Unterstützung wert.

Ich denke allerdings, gemahnt wurde genug. Leider wird uns vor, auf und nach dem Gipfel wieder eine Mischung aus hohen Erwartungen, großen Reden und vielen Beschwichtigungen erwarten. Und am Ende in eine halbgare Staatenvereinabrung münden.

Blablabla eben. 

Wir unterstützen deshalb lieber die Organisation „Plant for the Planet“. 

Ihre Idee: Während die Erwachsenen reden, nehmen die Kinder ihre Zukunft selbst in die Hand – und pflanzen Bäume. 

Der junge Felix Finkbeiner hat im Jahr 2007 mit sieben Jahren die Idee aufgegriffen: Lass uns Millionen Bäume weltweit in jedem Land pflanzen. Inzwischen konnten fast eine Million Bäume gepflanzt werden.

Für sein Engagement wurde Felix zum UNEP Junior Board Member gewählt. Er hat mit jungen Jahren bereits vor zahlreichen hochkarätigen UN-Versammlungen „Redeauftritte“ gehabt. 

Mittlerweile gibt es für sein Projekt Kinderbotschafter in 107 Ländern.

Wir begrüßen das Projekt, weil es – Im Gegensatz zur tcktcktck-Kampagne – keine Angst schürt und ein Ultimatum setzt, sondern weil es einfach etwas Konstruktives unternimmt.

Vielleicht mit der Kindern eigenen Naivität, aber genau das macht den Charme aus.

Die Kampagne startet jetzt und wir hoffen, dass diese Motive erst der Anfang sind: 

Stop talking. Start planting.
















































Der junge Felix Finkbeiner mit Prinz Albert von Monaco und Gisele Bündchen in der Kampagne für seine Organisation Plant for the Planet. Agentur: Leagas Delaney Hamburg.

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Gute Guerilla macht man nicht mal eben so.

Man stelle sich die Gesichter vieler CDs vor, wenn ein Kreativteam sagt, dass sie eine U-Bahntreppe in ein echtes Piano verwandeln wollen.

Ein CD zumindest hat sich dafür begeistern lassen. Anbei der Film dazu.

Es ist keine neue Erkenntnis, dass eine PR-trächtige Guerilla-Aktion fast genauso viel Planungsaufwand und Budget verschlingt wie ein TV-Spot.

Viele deutsche Kunden scheuen deshalb immer noch das Risiko der Aktion und bevorzugen den Spot.

Aber: man kann mit einer starken Nummer ein ganz eigenes Medium und damit eine Einzigartigkeit schaffen, die ein TV-Spot kaum noch erreicht. Das Web erledigt dann den Rest.

Wohlgemerkt, die Aktion muss genauso vor Ungewöhnlichkeit strotzen wie man das von einem entsprechenden TV-Spot erwarten würde.

Die Grundidee hier: Wenn man an etwas Spaß hat, nimmt man auch den vermeintlich unbequemeren Weg gerne in Kauf (in diesem Fall Treppe statt Rolltreppe).

Die Macher nennen das Fun-Theorie.

Ob da jetzt Volkswagen der 100% passende Absender ist, sei dahin gestellt. Manchmal ist es legitim, mehr auf die Kraft der Aktion zu setzen statt auf die Zwingenz der Botschaft.

Spießen wir also nicht rum: gefällt gut.



Guerilla-Aktion „Piano-Stairs“ für Volkswagen. www.thefuntheory.com. Agentur: DDB Stockholm.

Montag, 12. Oktober 2009

Wodka und Wettbewerb.

Unter den Award-Shows dieser Welt gibt es seit einigen Jahren einen Exoten. Das ist der Golden Drum Wettbewerb. Er fand letzte Woche in Portoroz an der slowenischen Adriaküste statt.

Ich selbst war noch nie dort, aber verschiedene Teilnehmer an der Jury haben mir berichtet, dass da ein angenehm lockeres und unverkrampftes Wettbewerbsklima herrscht.

Wodka ist ab einer gewissen Tageszeit mindestens genauso wichtig wie der Wettbewerb.

Auch wird gerne kolportiert, dass das Niveau der Arbeiten mit Cannes oder D+AD nicht vergleichbar ist. Vielleicht liegt das ja daran, dass es in den meisten teilnehmenden Ländern erst seit rund 20 Jahren eine Werbekreativszene gibt.

Die Wahrheit liegt meistens in der Mitte. Es freut mich sehr für meine Kollegen in Tschechien, dass wir 1 x Gold und 6 x Shortlist erreicht haben und im Gesamtranking hinter acht internationalen Networkagenturen auf Platz 9 liegen.

Glückwunsch an Leagas Delaney Praha.


















Eins von drei Motiven aus einer Gebrauchtwagen-Kampagne für Skoda in Tschechien von Leagas Delaney Praha. Golden Drum in der Kategorie Design.

Freitag, 9. Oktober 2009

Vitamin P.

Der neue Film für das Klimaprojekt „tckckck“ (fight for climate justice) ist schon einfach ein sauprofessionell gemachtes Teil.

Hier werden alle Register für eine PR-trächtige Kampagne gezogen: Ein schönes Staraufgebot an Musikern aus vielen Ländern dieser Welt. Der Schirmherr der Aktion (Kofi Anan) spricht eindringlich zu uns am Anfang. Der Nobelpreisträger Desmond Tutu spricht eindringlich zu uns am Schluss. Dazwischen eine toll gemachter Animations- und Postproduktionsstrecke, die die Musiker zusammenbringt, ohne das sie an einem Ort zusammenkommen mussten. Und natürlich: ein Rockklassiker wie „Beds are bruning“ von Midnight Oil für die emotionale, inhaltliche und hitparadenverdächtige Klammer.

Dazu das perfekte Timing, nämlich 2 Monate for dem entscheidenden Klimagipfel in Kopenhagen (7.12.2009).

Glückwunsch an Bob Geldorf. Er hat wieder mal gezeigt, dass er sein Netzwerk zu nutzen versteht.

Wohl dem, der ein soziales Anliegen und gute Kontakte in die Prominenz hat.

Am Rande: Den internationalen Stellenwert der deutschen Musik erkennt man daran, dass Klaus Meine von den Skorpions in dem 4 Minuten Stück einen Auftritt kurz unter der Wahrnehmungsgrenze hat.



Band Klima Aid: Beds are Burning für „tcktcktck“.

Mittwoch, 7. Oktober 2009

Frankfurt.

Der ADC-Gipfel, früher mal der ADC-Wettbewerb genannt, findet ab 2010 in der Stadt der Hochhäuser statt. Das passt doch schon mal.

Da auch der Club nicht ungeschoren durch die Krise kommt und wichtige Sponsoren wegfallen, hat man diese Veranstaltung bekanntlich unter fünf Städten ausgeschrieben (HH, D, M, F, S). B fiel weg, weil kein Interesse.


F hat gewonnen, weil die Stadt den Machern größtmögliche Unterstützung zugesagt hat (Location, Promotion, Budget, etc.).

Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum darüber noch so viel diskutiert wird.

Die Vorgehensweise ist absolut nachvollziehbar. Am Ende ist es egal, in welcher Großstadt der Event stattfindet. Hotelbetten sind Hotelbetten. Bars sind Bars. Restaurant sind Restaurants. Kinos sind Kinos. Und ein paar coole Locations hat Frankfurt auch zu bieten.

Mehr bekommt man in den 3 bis 5 Tagen eh nicht mit.

Hauptsache, der Inhalt stimmt.

Und der Rahmen wird nicht allzu peinlich.

Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen.





Hessisch zum Eingewöhnen. Von Badesalz.

Dienstag, 6. Oktober 2009

Ist Technologie die Kreation von morgen?

Vor einigen Tagen fand die dmexco in Köln statt. Hinter dem ziemlich unfuturistischen Namen für eine Messe versteckt sich die Begriffsschlange „Digital Marketing Exposition & Conference“.

Auf dieser Messe treten selbstverständlich gewichtige Referenten auf. Zum Beispiel Andreas Gahlert, CEO von Neue Digitale/Razorfish.

Er hat sechs Thesen zum digitalen Marketing aufgestellt. Eine Zusammenfassung findet sich in diesem Blog.

Ich finde fünf der sechs Thesen keine Herausforderung für einen Kommunikationsexperten. Aber oft stehen die armen Referenten ja auch vor dem Problem, dass auf solch innovativen Messen ebenso innovative Erkenntnisse von Ihnen erwartet werden, obwohl es gar keine gibt.

Also verpackt man die bestehenden Erkenntnisse in publikumswirksame Thesen wie „365 ist das neue 360°" oder „Marken gehen zunehmend auf den User zu und warten nicht darauf, dass die User kommen“.

Eine der These allerdings könnte eine gewisse Diskussionshitze erzeugen und differenziert denkende Kreative auf den Plan rufen:

„Technologie ist die Kreation von morgen. Technologie wird zunehmend Treiber herausragender Markenführung“.

Ist da der „Tecci-Wunsch“ Vater des Gedanken?

Klar ist eine Marke kurzfristig „vorne“, wenn sie die neuesten technologischen Entwicklungen in Kommunikation umwandelt (das erste App, das erste Widget, der erste Twit, etc.). Aber schon die zweite oder die dritte Marke ist Nachahmer – und gerade die stetig wachsende Zielgruppe der "digital natives" fängt an zu gähnen.

Wenn Technologie die Kreation von morgen wäre, könnten 90% aller Marken einpacken.

Ich behaupte, das wird nicht passieren.

Wichtig ist, wie man die vorhandenen technischen Möglichkeiten so nutzt, dass sie zur Marke passen und glaubwürdig sind.

Es wird sicher so sein (bzw. ist bereits so), dass technische Entwicklungen mehr Einfluss auf eine Idee oder eine Kampagne haben als früher.

Eine Marke sollte sich aber strategisch nie von digitalen Techniken abhängig machen.

Es gab und es gibt beim Film immer wieder aufregende Umsetzungen, die technisch auf dem neuesten Stand sind. Aber es gibt noch viel mehr Umsetzungen, die mit ganz profaner Filmtechnik funktionieren. Und genauso aufregend sind.

Ich glaube an die Idee. Die Technik ist immer nur Mittel zum Zweck. Allerdings ist sie wichtiger geworden, als es viele wahrhaben wollen.

Technology is redefining ideas. Das hat unser Londoner Planner Matthew Palmer gestern gesagt. Diese These trifft es meiner Meinung nach besser.

















Die Website von Skittles funktioniert als ein einziges Widget, welches zu diversen Communities verlinkt. So gelangt man durch einen Klick auf “Friends” zum Facebook-Profil. Beim einem Klick auf “Home” hingegen landet man beim YouTube-Profil. 

Ein technologisches Sahenstückchen. Aber Technik allein wird nicht die Kommunikationsstrategie der Marke von morgen sein. 

Samstag, 3. Oktober 2009

Mein Gott ist der Plot.

Wer über 20 Jahre in der Werbung tätig ist, der hat sich schon Hundertausende von Film-Treatments ausgedacht. Und immer wieder sitzt man da und denkt: wie kann ich einen Film so überraschend machen, dass sich die Menschen draussen an ihn erinnern, die Botschaft mitnehmen und sich idealerweise die Marke merken.


Im Zeitalter von Virals natürlich: Dass die Leute den Spot weiterschicken.


Ich habe über die Voraussetzungen für gute Treatments schon geschrieben (hier und hier und hier).


Ich kann mich nur wiederholen: Der Gott im Treatment ist der Plot.


Plot sollte nicht mit Pointe verwechselt werden, obwohl sie natürlich viel miteinander zu tun haben. Der Plot ist – übersetzt – der Handlungsverlauf. Je unerwarteter die Handlung, desto überzeugender wird der Film. 


Trotzdem muss man als Kreativer aufpassen, dass man in dem Bestreben, einen ungewöhnlichen Plot zu kreieren, die Handlung nicht verkompliziert und keiner die Pointe mehr versteht.


Wir sitzen oft über den Skripten und überlegen, wie man in eine ganz gute Story einen noch stärkeren "Haken", eine "Kinke" oder eine "Ecke" reinbekommt. Wie man irgendetwas Unerwartetes erzeugt. Das kann die Musik, der Text, die Szenenfolge etc. sein – das kann aber einfach auch die Story selbst sein.


Plot heisst auch Anschlag oder Verschwörung. 


Etwas werbisch formuliert lässt sich das Rezept für einen guten Spot so formulieren:


Die Handlungsstränge und Szenen eines Filmes verschwören sich so überraschend miteinander, um einen erfolgreichen Anschlag auf die Wahrnehmung des gelangweilten Verbrauchers zu starten.


Ein ganz großes Beispiel für einen super Plot und eine einfache, aber ungewöhnliche Botschaft ist ein neuer Film für den Sender Canal+ in Frankreich.


Mein Lieblingsfilm der Woche.





Superstarker Plot: TVC „The Closet“ für Canal+ von BETC Euro RSCG, Paris. Regie: Matthijs van Heijnigen (sowieso einer der besten Storyteller unter den Werbefilmregisseuren – wenn ich mich recht erinnere, ist von ihm auch der Heineken-Spot "Walk-in Fridge").

Freitag, 2. Oktober 2009

Prügeleien sind in Mode.

Ein viraler Spot gilt dann als gelungen, wenn er häufig geklickt wird (häufig heisst für mich 100.000 plus x). Wenn die Leute den Spot oder den Link an andere verschicken. Wenn eine einflussreiche Blogger-Szene darüber berichtet. Wenn die Presse den Spot aufgreift.


Die Adelung eines viralen Spots in Deutschland: Spiegel online oder Bild.de bringen ihn auf der Titel-Webpage.


Letzte Woche jedenfalls hat mir meine Frau, was sie sonst eigentlich nie tut, einen Spot geschickt. Ihr seht ihn unten. Ich habe das Ding dann nicht weiter geleitet. Ich fand die Idee nicht so neu. Aber vielleicht bin ich in meiner kreativen Wahrnehmung auch einfach zu versaut.


Wie auch immer. Es wird die Kreativen sicher einige Diskussionen mit dem Kunden gekostet haben, um die Katalog-Prügelei ins Netz zu bekommen. Kunden der Generation "digital immigrants" (also momentan die meisten Kunden) fällt es immer noch schwer, einen Spot freizugeben, der eigentlich gegen ihre Marketing-Natur ist.


Besonders Kunden, die sonst in der klassischen Kommunikation eher die konservative Linie bevorzugen.


Schwarzer Humor, Ironie, Zynismus, Sex, Schlägereien, Rülpsereien, maßlose Übertreibung – und am besten: keine Logos. Im Grunde ist das virale Patentrezept ganz einfach. Im Internet funktioniert all das, was sich viele Kunden in der klassischen Kommunikation niemals trauen würden. Und was so gar nicht nach Werbung aussieht. (Weitere Tipps hier).


In der Modebranche jedenfalls müssen einige Leute einen festen Glauben an das virale Prügel-Konzept haben, denn Otto ist mit seiner Schlägerei nicht alleine unterwegs.





Modische Prügelei 1: Viraler Spot für Otto.







Modische Prügelei 2: Viraler Spot für jungstil.de

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Fleissarbeit.

Es gibt gute Ideen, die sind genial einfach. Auch in der Exekution. Und es gibt gute Ideen, die sind einfach genial viel Arbeit.

So viel Arbeit, dass kein normaler Kreativer auf die Idee käme, sich das zuzumuten.

Bis es einer dann doch tut.

Die Aktion ist zwar schon etwas älter (2 Wochen) und daher gehe ich stark davon aus, dass der Realtime-Facebooker oder -Blogsurfer gerade eine Gähnattacke bekommt.

Ich habe sie nun aber erst gerade entdeckt und reiche sie an den Rest der etwas verschlafeneren Kreativszene auf diesem Wege weiter.

New Balance, der „schon-immer-in-aber-jetzt-gerade-wieder-besonders-in-sneaker“, hat in Amerika 480 individuelle Schuhe aus Materialresten, genauer gesagt 574 clips, gebaut. Und deshalb für jeden Schuh – Achtung – einen kurzen Filmclip gedreht.

Diese kurzen Clips sind auf einer Aktionswebsite zu begutachten.

Wer eines dieser handgemachten wie individuellen Schuhpaare in und um den amerikanischen Bundesstaat Massachusetts erwirbt (da werden in Amerika die Schuhe hergestellt), findet neben den Schuhen auch ein Polaroid in seinem Schuhkarton. Auf der Rückseite des Polaroids steht eine Nummer drauf, die der Besitzer dann auf der Website seinem Clip zuordnen kann.

Er besitzt dann nicht nur die Schuhe, sondern auch den Filmclip.

Was diese "574 clips" (ausser das es Filmschnipsel sind) wirklich bedeuten, habe ich nicht ganz gerafft. Da kommt mein Englisch an seine Grenzen. Der online Übersetzer sagt „Bügel, Klemme, Schlinge, Lasche, etc“. Sind es die Laschen?

Ich hoffe hier auf das fundierte Know-How der Bloggemeinde in den Kommentaren.

Was lernen wir daraus: Wer keine geniale Idee hat, kann sich auch mal mit einer aufwendigen Idee auf den Weg nach Cannes machen.










Fleißige Werber: das New Balance Webspecial "574clips" von Mother, New York.