Sonntag, 28. Juni 2009

Ein wahrer kreativer Preis: Titanium.

Wenn ich in meinem Leben noch einen Kreativ-Preis gewinnen möchte, dann einen Titanium-Löwen in Cannes.

Hier werden wirklich Kampagnen ausgezeichnet, über die die Welt oder ein Land (bzw. Teile davon) geredet haben.

Oder wie es Dan Wieden 2003 bei der Einführung dieses Preise sagte: It should ask judges to celebrate daring.

Hier gibt es keinen Fake. Hier gibt es auch keine Irrelevanz.

Die Titanium/Integrated-Jury in Cannes zeichnet einfach die weltbesten Kampagnen aus. Schon auf der Shortlist zu stehen, ist eine echte Auszeichnung.

Es freut mich für die Kollegen von Heimat, dass sie es mit ihrem „Hornbach-Haus“ zu Silber gebracht haben. Ich glaube, es ist der erste deutsche Titanium-Löwe überhaupt.

Chapeau, Guido.

Nun ist der Titanium Grand Prix, die Obama/Biden-Kampagne 2008, zweifelsfrei eine Kampagne, die jeder kennt und daran konnte die Jury nicht vorbei.

Hat doch eine politische Kampagne zum ersten Mal das Internet und seine Möglichkeiten gnadenlos genutzt, um die Präsidentschaftswahl in Amerika zu Gunsten von Barack Obama zu entscheiden.

Mit den ganzen Prominenten, mit der Spendenaktion, mit allen sozialen Networken, etc.



Titanium Grand-Prix „Obama/Biden 2008 Presidential Campaign“.


Diese Kampagne ist zweifelsohne beeindruckend.

Aber natürlich stand hinter dieser Kampagne ein ganzes Netzwerk von Leuten, eine Lobby mit Geld und die ganze geballte Macht einer großen amerikanischen Partei.

Deshalb versetzt mich persönlich der Preis nicht so in kreative Euphorie wie andere, die aus ihren „beschränkteren“ Möglichkeiten etwas gemacht haben.

Ich empfehle jedem, sich unter www.canneslions.com alle Filme zu den Kampagnen für Titanium und Integrated anzusehen. 100% Horizont-Erweiterung.

Mich persönlich haben drei Löwen in dieser Kategorie besonders beschäftigt, und zwar die der Agentur namens Goodby, Silverstein und Partners.

Die Agentur hat für drei Kampagnen Löwen erhalten, war mit fünf Arbeiten auf der Shortlist.
Gold für Sprint (The Now Network), Silber für Haägen-Dasz (HD loves HB) und Bronze für Hyundai (Assurance).

Ich bilde mir ein, dass sie wie keine andere in den letzten Jahren den Wandel von einer reinen klassischen zu einer „integirerten“ Agentur vollzogen hat und eine Vielzahl von Kampagnenideen hervorbringt, die wegweisend sind.

Und das dazu mit weniger Getöse als viele andere Shops in Amerika.

In dieses Bild passt ein Kommentar von Jeff Goodby unter der Überschrift:

We are becoming irrelevant award chasers.

Eine Passage möchte ich herausheben und all den deutschen Goldjägern ans Herz legen, die mehr an die Medaillen und die Rankings denken als an die eigentliche Arbeit:

It's fast becoming clear that the majority of things we're rewarding, as an industry, are either small or marginal efforts for legitimate clients, things we made for real clients that the clients seem not to have ever heard of, or out-and-out fakes.

Some of these projects are well-intentioned since, at the very least, they are meant to "inspire" us when we work on bigger, better-paying accounts. But without getting into whether this kind of activity is immoral or just plain chickenshit, I'd like to point out a graver toll it's taking on us all:

It's making our business less famous. Less fun. Less public. Less about any of the reasons you probably got into it in the first place.

Okay, wir reden hier über das ganz große Kampagnenkino und viele von Euch werden sagen, wie schlage ich denn die Brücke zu meinem profanen Briefing-Alltag, der morgen früh wieder auf meinem Tisch liegt.

Im ersten Augenblick gibt es womöglich keine Brücke.

Im zweiten Augenblick sollte man dann mal reflektieren, ob man als Kreativer nicht viel zu wenig nach den geistigen Schubladen greift, die außerhalb der eigenen wahrgenommenen Reichweite liegen.

Wer den Biss nicht verspürt, immer und immer wieder höher greifen zu wollen, der sollte auch nicht von Edelmetall träumen.

5 Kommentare:

meistermochi hat gesagt…

obama hat offene türen eingerannt. und die kampagne hatte kohle. nichts desto trotz muss man sie erstmal so großartig durchziehen, is klar.

Fabian hat gesagt…

Ganz ehrlich: Was interessiert mich so ein "scheiß Werberpreis", wenn ich durch meine Kampagne einen Mann zum Präsidenten gemacht habe.

Zschaler hat gesagt…

Ach, eine große Kampagne gemacht zu haben und dann von der Weltwerberjury die höchste Auszeichnung zu bekommen, ist schon nicht so schlecht.
Ausserdem ist es eine Meßlatte, die man anderen vorgibt. Ich finde, das muss auch sein.

Wilhelm Busch hat gesagt…

Ein Lied aus meinem Nachlass, nicht persönlich gemeint und möglicherweise am falschen Platz zur falschen Zeit, aber es gehört nun mal ins Gesangbuch der größten Sich-Selber-Feier-Branche nach der Politik und den Elite-Bankern:


Als ich noch auf Löwenjagd ging
Hollahi hollaho
Und an Gold und Silber hing
Hollahi hollaho
Hab ich jeden Preis genommen
Hollahi hollaho
Um im Job voranzukommen.
Hollahi hollaho
War die Jury noch so Scheisse
Hollahi hollaho
Mich interessierten nur die Preise
Hollahia ho

Heute kann ich mir es leisten
Hollahi hollaho
Auf Gold und Silber leicht zu scheissen
Hollahi hollaho
Und auf all die Werbeaffen
Hollahi hollaho
Die da klauen, faken, raffen
Hollahi hollaho
Daß ich mal genau so war
Hollahi hollaho
Verwächst sich mit dem grauen Haar.
Hollahia ho

Und die Moral von der Geschicht:

Man erntet, was man sät,
wenn mans merkt, ists meist zu spät.

Brett hat gesagt…

Noch interssanter als die Frage, ob ein Werber beauftragt wurde oder sich selbst beauftragt hat bzw. ob es sich um Sex oder um Masturbation handelt, ist die mediale Realität... Hier was zu den gewohnten Koordinaten, die mit ansteigendem Tempo geschreddert werden:
http://www.youtube.com/watch?v=dBpey-htHRo