Montag, 9. Februar 2009

Schweinebauch ist wenigstens ehrlich.

"Die Werbung ist nicht kreativ, aber sie funktioniert".

Wie oft hören wir Kreative dieses Argument.

Bevorzugt von Kunden oder von der Beraterfraktion. Aber auch von Kreativen, die ihre mittelmäßige Arbeit irgendwie rechtfertigen wollen. Erst neulich tauchte der Satz auch in einem Kommentar hier auf. Für Werbung, die nicht kreativ ist, aber die „ihren Job“ macht.

Ich habe diese Phrase auch schon häufig benutzt, aber wenn ich ehrlich bin, war sie immer eine Entschuldigung dafür, dass ich nicht wirklich etwas Kreatives auf einem Briefing entwickelt oder beim Kunden durchsetzen konnte.

"Meine Werbung funktioniert" ist die Kapitualtion vor der Differenz zwischen dem eigenen Anspruch und der veröffentlichten Realität.

In diesem Zusammenhang muss man sich fragen, was ist denn überhaupt eine „kreative Kampagne“?

Sicher kann nicht nur all die Werbung, die irgendwo einen Preis bekommen hat, als kreativ bezeichnet wird. Und vieles andere nicht.

Umgekehrt, wenn man mal den typisch deutschen Werbeblock im Fernsehen vor seinem inneren Auge vorbeilaufen lässt, wäre es eine Beleidigung für das Wort kreativ, so etwas wie Krombachers Helikopterflug über einen See oder die Rügenwalder Mühle als eine kreative Kampagne zu bezeichnen.

Mazdas Zoom-Zoom?

Die lila Kuh?

Der angestrichene Milka-Repräsentant war irgendwann sicher mal eine kreative Idee, um für Schokolade Werbung zu machen. Ich kann mir vorstellen, dass in der Anfangszeit auch die Kampagne kreativ war. Heute ist einfach der kreative Lack abgeblättert und sie nervt, weil die Agentur aufgesetzte Storys in den Alpen konstruiert. Oder (vermutlich) konstruieren muss.

Die Marketingabteilung von Kraft Jacobs Suchard würde mich für diese Behauptung mit folgendem Wort strafen: leg dich gehackt, wir wollen keinen Schönheitspreis gewinnen.

Warum nicht? Werbung, die "schön" (weil überraschend oder spannend) anzusehen ist, will man mehrmals sehen. Die Kuh von heute würde ich beim zweiten Mal ansehen am liebsten abschlachten.

Funktioniert – das ist das Lieblingsalibi der Marktforschungsgläubigen, Ängstlichen und Phantasielosen. All den Leuten, die anspruchsvollere Kampagnen immer mit den Worten abschmettern: zu intelligent, was sie da vorstellen. Unsere Verbraucher verstehen das nicht.

Ich unterscheide deshalb zwischen kreativem Marketing und kreativer Kampagne.

Lila Kuh, Rügenwalder Mühle, Krombacher Regenwald ¬ so etwas fällt eher unter die Rubrik kreatives Marketing. Wenn überhaupt.

Mit kreativer Werbung hat das nichts zu tun.

Unter kreativer Werbung verstehe ich Kampagnen, die so überraschend und neuartig sind, dass man sich mit ihnen beschäftigt, selbst wenn man sich eigentlich gar nicht für das Produkt interessiert.

Leute, die funktionierende Werbung wollen, unterstellen immer, dass kreative Werbung nicht funktioniert.

Das Gegenteil ist der Fall. Sebastian Turner hat dafür sogar mal Untersuchungen anstellen lassen. Typisch.

Egal, kreative Werbung funktioniert besser, weil sie meistens mit weniger Geld mehr erreicht als „funktionierende Werbung“.

Es ist doch klar, dass ich auf Möbelwerbung achte, wenn ich gerade Möbel kaufen will. Und selbst eine Schweinebauchanzeige (das sind die großformatigen Preisangebotsanzeigen in TZ) von Mediamarkt wird von mir gelesen, wenn ich einen Fernseher kaufen möchte. Aber sonst auch nicht.

Apropos Schweinebauch.

Mir ist eine unprätentiöse Schweinebauchanzeige immer noch lieber als eine pseudo-kreative Verkaufsanzeige.

Werbung hat ziemlich oft etwas mit dem Geschmack der Kunden zu tun. Oder damit, wie Kunden Werbung sehen bzw. wie stark sie denken, dass Werbung für „dumme Verbraucher“ gemacht sein muß.

Bevor ich peinliche Reklame mache ziehe ich unkreative, aber klare Preis- oder Produktinformation. Natürlich, herausfordern tut mich bedes ganz und gar nicht.

In Hamburg wirbt eine Autovermietung namens StarCar mit wirklich platten Wortspielen (Bsp. von der Webseite gefällig: Tierischer Anhänger für Pferdeanhänger). Da vergeht einem die Lust, dort ein Auto zu mieten.

Solche Wortspiele erinnern mich an meinen Vater, der mir immer wieder die gleichen alten Witze erzählt. Aber im Unterschied zu StarCar will mir nichts verkaufen. Und er ist über 80.

Zum guten Schluss noch ein Gedanke an all die kreativen Kampagnen, die leider keine Preise gewinnen:

Lasst sie uns in den Kommentaren ehren.




Nicht kreativ, aber dafür verkauft sie einen auch nicht für dumm.

Die klassische Schweinebauch-Anzeige.

34 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Kampagne für die Finanzagentur mit dieser Schildkröte find ich gut.

Also, dass sich so ein - mag man glauben - trockener Kunde überhaupt so locker machen kann.

Schwieriges Thema, einfach heruntergebrochen und PR wurde auch erzeugt.

http://www.hirschen.de/de/creations/Deutsche-Finanzagentur.html

Zschaler hat gesagt…

äh, kann es sein, dass du bei den Hirschen arbeitest?

Anonym hat gesagt…

genau

Ilja hat gesagt…

Kudos. Das ist das erste Mal, dass ich sowas erlebe. Normalerweise verstecken sich diese PR-Texter in Eigensache in den Kommentaren immer hinter ihrer Anonymität. Dann kann man ja schön so tun als ob man objektiv wäre. Aber das der Vogel zu seiner lächerlichen AgitProp steht, hat ja schon fast wieder was sympathisches.

Anonym hat gesagt…

der schildkröten beitrag sollte gelöscht werden. furchtbar. ich seh sie zwar vor mir. aber habe keine ahnung was sie mir erzählt hat und wofür sie wirbt. igitt.

nicht uniteressant - da musste ich mich fast über mich selber aufregen, dass sie mich nicht aufregt: die balisto werbung.

natürlich nasch ich. nette leute ton in ton mit dem farbigen hintergrund, der auf die sorte abgestimmt ist. komplett ideenbefreit. aber ich erinnere mich an ein trostloses dresden, das so ganz nette farbtupfer gekriegt hatte...

wie gesagt. ich ärgere mich fast ein bisschen, dass ich die geschichte nicht scheisse finde. vielleicht gab die reduzierte einfachheit den ausschlag und dass es irgendwie wenigstens hübsch war...

und nein. ich arbeite nicht bei scholz. igitt.

dann die skoda geschichten von euch. der eine oder andere film hat ja schon ne auszeichnung gekriegt, aber von einer preisgekrönten kampagnen kann man ja auch nicht sprechen. ohne jetzt hier rum zu schleimen. die sachen sind praktisch durchs band gut.

Anonym hat gesagt…

arbeitest du bei scholz – würdest aber gerne bei Leagas arbeiten?

Anonym hat gesagt…

Lila Kühe, grüne Schiffe, rote Mühlen, Eisvögel, Marlboro Country

das sind alles Paradebeispiele für gute Markenführung und super virtuelle Alleinstellungsmerkmale. Man muß bedenken, daß diese Marken meist seit über 50 Jahren so kommunizieren, meist mit der Agentur mit der die Kampagnen starteten z.b. Marlboro/Leo.

also ich als Jungspund-Texter betrachte diese Marken immer ehrfüchtig. Ist es nicht wahre kreativität einfach mal ne lila Kuh aus dem Ärmel zu Zaubern die dann, mit scheinbar ewigem leben, die Marke formt und Kinder denken lässt Kühe seien lila.

Also ich meine das ist sehr erstrebenswert und kreativ.

Zschaler hat gesagt…

Lila Kuh und Marlboro Country sind starke Marketingideen, die in ihren Anfängen und auch mal zwischendurch durch starke Kampagnen überzeugt haben und Emotionen wecken konnten.

Das grüne Schiff und die rote Mühle dagegen sind nicht nur platte Key Visuals ("mnemonic device"), sondern sie sind auch noch in platten Kampagnen inszeniert worden (Mitdenk-Faktor: 0).

Die Macher sind sicher stolz darauf, ich möchte sie nicht unbedingt gemacht haben.

milchsaeure hat gesagt…

Gute, kreative Werbung, (fast) keine Awards?

Ricola.

Edeka.

LBS.

Diskussion eröffnet.

Anonym hat gesagt…

gute beispiele.

Anonym hat gesagt…

also das mit der schildkröte finde ich bullshit.
das ist doch nix wenn wir mal ehrlich sind.

warum muß schweinebauch eine kreative idee haben. die idee ist das angebot in verbindung mit dem produkt. das reicht doch...

Anonym hat gesagt…

Soll sich der Kunde eher mit der kreativen Werbung beschäftigen oder mit dem Produkt?

Zschaler hat gesagt…

Na mit beidem.

Anonym hat gesagt…

„Unter kreativer Werbung verstehe ich Kampagnen, die so überraschend und neuartig sind, dass man sich mit ihnen beschäftigt, selbst wenn man sich eigentlich gar nicht für das Produkt interessiert.“

Wenn man sich für das Produkt nicht interessiert, dann haben die Werber die Hausaufgaben nicht gemacht, oder?

Was ist für das Produkt besser (Werbung muss verkaufen), das geile Porsche Plakat „Kills bugs fast“ oder das gleiche Bild mit „300 PS“ untertitelt?

Zschaler hat gesagt…

Ich finde dieses Beispiel ganz einleuchtend:

Mir sind WC Reiniger komplett egal. Auch wenn sie biologisch abbaubar sind. Oder tiefenreinigend. Interesiert mit nicht. Und ich beschäftige mich auch nicht die Bohne damit. Ich kaufe sie nicht mal.

Aber es gab schon einen Spot, der dafür gesorgt hat, dass ich mich mit einem WC-Reiniger für kurze Zeit auseinander gesetzt habe, weil ich die Werbung stark fand.

Kaufen würde ich ihn trotzdem nicht.

Was dein Porsche-Beispiel angeht, so hinkt das deshalb etwas, weil fast jeder gerne einen Porsche hätte und das Produkt per se eine viel höhere Bereitschaft zur Aufmerksamkeit hat als ein WC Reiniger.

Kills bugs fast erhöht diese Bereitschaft perfekt.

Anonym hat gesagt…

Ich werfe mal die "Print Ad of the week von Lützer" in den Blog:

http://www.luerzersarchive.net/weekly/2009-07/flv/adoftheweek.jpg

Meiner Meinung nach sehr gelungen!

Anonym hat gesagt…

... und tausche nachträglich ein T gegen ein R *shame*

milchsaeure hat gesagt…

Betr. Lürzers

Selten was unleckereres gesehen. Und die Idee ist echt schwer versteckt.

Mein Problem: Alles mehr oder weniger neue Variationen eines alten Gedankens. Erzählt mir nix relevantes über das Produkt und macht mich auch rein optisch nicht an (letzteres ist grade bei Food nicht ganz unwichtig).

Fazit: Zuviel Award, zuwenig gedacht.

Anonym hat gesagt…

Also irgendwie werden meine Kommentare hier immer vom www verschluckt, also nochmal:

Das die Anzeige nichts relevantes über das Produkt erzählt, ist schlicht weg falsch!

Die Anzeige sagt auf simple und m.M.n. sehr kreative Weise aus was wichtig ist: der Ketchup ist scharf!

Werbung ist leider all zu oft viel zu überladen und verkauft den Konsumenten für dumm.
Hier schaut man hin und zwar ganz automatisch weil man außnahmsweise mal nicht vom Text abgelenkt wird.

"Einfacheit ist die höchste Stufe der vollendung" L. da Vinci

Eine Headline/einen Störer dazuklatschen kann jeder, sie weglassen nicht ;-)

Zschaler hat gesagt…

Ich muss mich hier öffentlich bekennen als einer, der die Anzeige nicht verstanden hat.

Soll das Ketchup ein Ausrufezeichen sein?

Äh?

Anonym hat gesagt…

Schau dir mal die Form des Ketchupstreifens an ;-)

Oder: http://images.google.de/images?um=1&hl=de&client=firefox-a&rls=org.mozilla%3Ade%3Aofficial&hs=1pX&q=thermometer&btnG=Bilder-Suche

milchsaeure hat gesagt…

Chili-Ketchup ist scharf? Ja, das ist mal ne relevante Aussage! Wo brennts?

Anonym hat gesagt…

Ok, ohne den Tipp mit der Bildersuche wäre ich auch nicht darauf gekommen. Ich dachte zuerst, dass das Ketchup so lecker ist, bzw. so viele Vitamine und was weiss ich enthält, dass man sonst keine Zutaten braucht.

Aber man hätte es wesentlich leckerer präsentieren können.

Und verständlicher.

Anonym hat gesagt…

Kreativität ist eine notwendige Bedingung für gute Werbung, aber keine hinreichende. Daher kommen die Debatten. Wer Kreativität fordert und auf Rang 1 des Aufgabenzettels setzt, hat meine Liebe und Unterstützung, aber nur wenn er hinzufügt: Relevanz! Und: Angenehm! Den Leuten draußen, den Werbeopfern, sind ja schon gottfroh, wenn Werbung mal nicht unangenehm ist (wie z.B. Aldi, die markentechnisch mit ihrer knochentrockenen Art einen bewundernswert klarsichtigen Kurs fahren.) Es schadet daher keinem Kreativen sich gelegentlich zu fragen, warum Werbung funktioniert, obwohl sie nicht kreativ ist (und ich meine nicht die Spending-Könige von Ferrero und Procter). Verheiratet man deren Einsichten mit Einfallsreichtum und "angenehm", kann man Märkte verändern... Sonst feuert man nur Feuerwerksraketen ab.
P.S. Die "Lila Kuh" war mal ein Durchbruch...

Anonym hat gesagt…

Bin gestern im REWE gewesen. Latsche so an einem Tiefkühlregal vorbei. Auf einmal ein Teeniemädel zu nem anderen Teeniemädel: "Hey, hihi, guck mal. Kennste, aus der Werbung, hihi? Don't call it Schnitzel, hihi..."

Mh, ich find die Werbung beschissen, aber nicht so beschissen, wie der Rest, der im Moment im Fernsehen läuft.

Ich, als Werber.

Die Kiddies fanden es lustig. Konnten sich an die Werbung erinnern und haben das Produkt sogar im Tiefkühlregal erkannt.

Gute oder schlechte Werbung Stefan?

Zschaler hat gesagt…

@A12:43: Wie schon gesagt, nur weil Werbung irgendwie funktioniert heisst das ja nicht, dass man es hätte kreativer und noch besser funktionierend machen können.

Die Schnitzel-Kampagne lebt eindeutig von dem schrägen Spruch und auf den muss man erst mal kommen, deshalb kriegt sie von mir einen halben Pluspunkt.

Die Spot-Handlung selbst hat man schon öfter gesehen (eine Person sagt was Falsches und bekommt dafür eins in die Fresse). Der Innovationsgrad hält sich also in Grenzen. Auch mag ich den Spot nicht noch ein zweites Mal sehen.

Anonym hat gesagt…

Ok, auch auf die Gefahr hin, dass ich mich als total beschränkt oute:

Ich versteh diese Würstchenwerbung immer noch nicht.

Der andere Link hat mir leider gar nicht geholfen, da ich nur auf die Image-Suche von Google gekommen bin.

Das war doch nicht der Hinweis, oder?

Bitte klärt mich auf, ich will nicht dumm sterben!

Anonym hat gesagt…

Das Ketchup hatte die Form eines Termometers. . . und war bis oben rot. Also extrem heiß.

milchsaeure hat gesagt…

@12:43

Bitte nicht Penetration mit Inspiration verwechseln.

Gilt auch für Maxi King, Deutschländer, Sail away, Zoom Zoom, Ich trink Ouzo was machst Du so, Carglas repariert Carglas tausch aus, Blubbspinat, …

Zschaler hat gesagt…

Um es abzuschließen: die Thermometeridee ist lauwarm bis kalt.
Gruss aus Prag.

Anonym hat gesagt…

In Prag war es vor zwei Wochen saukalt, auch im Botel...

Anonym hat gesagt…

Es hängt bestimmt aber auch von Fall zu Fall, Kunde zu Kunde und Marke zu Marke ab, ob kreative Werbung wirklich effektiver ist. Aldi wird nicht einen Euro mehr Umsatz machen, weil der Discounter plötzlich bessere Werbung macht. Aldi kommuniziert aussschließlich nur über den Preis. Und das ist doch auch der einzige Maßstab für den Aldi-Kunden. Im übrigen ist es doch auch so, dass Deutschland nicht ohne Grund mitunter die niedrigsten Lebensmittelmittelpreise in Europa hat, weil die deutschen Verbraucher extreme Preissensibelchen sind. Jedes Land bekommt die Werbung, die es verdient. ;)

Anonym hat gesagt…

Häufig sind kreative Anzeigen viel zu gewollt und schwer verständlich (siehe Heinz Ketchup). Sie schießen daher am Ziel vorbei. Da bevorzuge ich doch ganz klar einen sympathischen, augenzwinkernden und unverwechselbaren Auftritt wie den von Balisto. Gleiches gilt übrigens auch für Ramazotti.

Anonym hat gesagt…
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