Freitag, 23. Januar 2009

Kreation hat keine Presse.

Die Werbefachpresse ist in keinem Land so ausgeprägt wie in Deutschland. Allein für den Großraum Werbung, Kommunikation und Medien fallen mir aus dem Stand sechs Publikationen ein:

New Business, Werben & Verkaufen, Kontakter, Horizont, Text intern und der Kress Report.

Die letzten beiden konzentrieren sich eher auf die Verlags- und Medienszene und streifen die Werbung nur peripher. Bei den anderen vier ist es genau umgekehrt.

Wie es sich in Österreich und der Schweiz verhält, weiß ich nicht im Detail, meine Leser aus den Nachbarländern mögen es mir nachsehen. Vielleicht kann der eine oder andere ja im Kommentar Aufklärung bringen.

Ich frage mich immer wieder, wie es in Deutschland so viele Fachmedien in einer Branche schaffen können, nebeneinander zu existieren.

Das Spiel in den Agenturen lautet denn auch: wer bekommt die Nachricht zuerst oder wer bekommt sie exklusiv. Da wird dann gerne auch, je nach Wichtigkeitsgrad der Meldung, eine exklusive Präsentation mit den Journalisten ausgehandelt.

Sollte die Meldung nicht so wichtig sein, fragt man sich, wann schicken wir die Pressemeldung raus? Gegen Ende der Woche, dann profitieren die am Montag erscheinenden New Business oder Kontakter. Am Anfang der Woche, dann ist das für W&V und Horizont (kommen am Donnerstag) besser. Die übliche Pressearbeit eben.

Alle diese Blätter haben natürlich ihre Schwerpunkte, dennoch dreht es sich meistens um wirtschaftliche sowie kommunikations- oder medienpolitische Themen. Dabei überschneiden sich die Nachrichten und Themen sehr oft. Es reicht eigentlich, wenn man sich zwei der Publikationen zu Gemüte führt. Oder eben das Ganze im Internet überfliegt.

Meine Kombi ist eher New Business und Horizont, man könnte aber auch New Business und W&V wählen oder Kontakter und Horizont (Kontakter und W&V macht wenig Sinn, die gehören inzwischen zu gleichen Verlag).

In der Regel werden dann die scheinbar neuesten Trends gewälzt, Hintergrundberichte zu gewissen Themen gebracht, Interviews mit den Personen, die scheinbar gerade am Puls des Geschehens sind, geführt oder Features über Kampagnen, Agenturen oder Unternehmen aufbereitet. Dazu der ganze Personalwechselkram. Und so weiter und so fort.

Der Nährwert hält sich in Grenzen, einzig New Business hat sich eine Nische erarbeitet, denn dieses Blatt schafft es regelmäßig, teilweise auch delikate exklusive Nachrichten auszugraben. Und es hat den Mut, zu polarisieren. Was daran liegt, dass der Chefredakteur schon sehr lange tätig ist und einfach ein profundes Wissen der Branche, ein perfektes Netzwerk und durchaus eine spitze Feder besitzt.

Bei den anderen Magazinen ist der Personaldurchsatz so hoch, dass es sehr wenig Fachjournalisten gibt, die sich wirklich in der Branche auskennen, geschweige denn wissen, wie der Hase läuft.

Besonders bei einem Thema: Kreation.

Dieser Bereich ist in dieser Presselandschaft besonders schlecht repräsentiert. Vielleicht, weil es schwer ist, einen wirklich anerkannten und fähigen Kreativen zum Journalisten umzuwandeln. Anders ist es nicht zu erklären, warum die wenigen Kommentare über die kreativen Arbeiten so substanzlos und oberflächlich wirken.

Seit Jahren.

Die Kolumnen von Spießer Alfons (letzte Seite Horizont) sind die Zeit nicht wert, die man zum Lesen braucht. Was da geschrieben wird, ist immer die gleiche, wortspielverliebte Polemik. Die verzweifelte Suche nach irgendwelchen Pseudo-Plagiaten, die meistens an den Haaren herbeigezogen sind. Da wird keine wirklich ernstzunehmende Kritik an kreativer Arbeit formuliert.

Wir Kreativen sehen uns im digitalen Zeitalter längst ganz anderen Problemen gegenüber als denen, die der Autor zum Besten gibt. Während er sich immer noch mit irgendwelchen schlechten Anzeigen oder gekupferten Plakatideen abgibt, ist die Karawane längst weiter gezogen. Das internationale kreative Niveau hat er zudem überhaupt nicht im Blick. Kurz: der weiß nicht, was abgeht.

Genauso verhält es sich mit diesen Kategorien der anderen Magazine, so etwas wie „Top der Woche“ oder „Flop der Woche“.

Die Qualität der Kommentare ist so willkürlich und relevanzfrei, dass die Kritik ohne Wirkung bleibt.

Als Beispiel dient ein Artikel über eine neue Kampagne von uns:




Diese Kritik ist nicht nur konstruiert und ohne Relevanz (welches Kind wird sich durch dieses Plakat dazu verleitet sehen, etwas in seine Nase zu stecken?) – sondern sie ist dazu noch unintelligent formuliert. Mit plumpen Wortspielen, die jeder Texter von seinem CD um die Ohren gehauen bekäme.

Taschenlampe – unterbelichtet. So ungefähr das erste flache Wortspiel, das einem einfällt.

Natürlich hat die Werbefachpresse eine gewisse Wirkung, besonders auf Kunden und potentielle Kunden, weshalb viele Agenturen die Journalisten wie rohe Eier behandeln.

Aber die wenigen Exemplare der schreibenden Zunft, die etwas auf dem Kasten haben, lassen sich von der Agentur-Arschkriecherei eh nicht beeindrucken und haben ihre Vorstellung von Informationspflicht. Was auch gut so ist.

Alle anderen kennen sich meistens nicht gut genug aus und schreiben eben irgendwas, das hinten und vorne nicht stimmt.

Leider nun gibt es in Deutschland zu viele Fachmedien, die sich mit der Werbe- und Medienwirtschaft befassen, aber sich nicht mit Ideen und Kreation geistreich und kompetent auseinander setzen können.

Fatal.

Denn es sind die Ideen, es sind innovative Kampagnen und ungewöhnliche Kreation, die den Motor der gesamten Wirtschaft bilden. Über Ideen zu schreiben müsste doch Laune machen und Leidenschaft wecken. Die Leserschaft ist riesig, wenn man sich nicht nur auf Werbung begrenzen würde, sondern alle Randbereiche mit einbezieht. Quasi Lürzer's wöchentlich, mit ausgeprägtem redaktionellen Teil.

Wie Kevin Roberts am Mittwoch abend sagt: Kreative müssen inspiriert und gefördert werden.

Enthusiasmus für mutige Lösungen bringt das Land weiter, nicht dieses ewige deutsche Bedenkenträgertum und diese typische journalistische Besserwisserei. Keiner von denen hat je versucht, eine bahnbrechende Kamapgne zu entwicklen.

Die Autoren der englischen Fachzeitschrift Campaign haben zu Kreation ein anderes Verhältnis.
Hier wwerden neue Ideen ganz anders wertgeschätzt, bewertet und kommentiert. Allein der jährliche Jahresrückblick von Campaign mit seinen Top 10 und Flop 10 durch alle Bereiche ist ein Meisterwerk, das die hiesige Szene noch nie gesehen hat.

Die textliche Qualität ist geschliffen und voller Witz und Ironie, so dass man sich als Kreativer damit ganz anders auseinander setzt. Der Mut, einen neuen Weg in der Kommunikation zu gehen, wird hier respektiert und mit intelligenten Kommentaren bewertet.

Sicher gibt es auf internationaler Ebene das eine oder andere Magazin, welches sich mit Kreativität auseinander setzt. Aber eben nicht sehr redaktionell, sondern meistens als Sammelband der neuesten Arbeiten (Lürzer’s Archiv, Creative Review, Communication Arts, etc.).

Ich habe früher häufiger darüber nachgedacht, ein Magazin zu gründen, dass „Doppelseite“ heißt. Dort sollte wöchentlich über Kreation und Ideen berichtet werden und gleichzeitig können alle Agenturen ihre Fakes für günstiges Geld großzügig in diesem Blatt schalten.

Doppelseiten als Werbemedium sehen zwar immer noch gut aus, sind aber gerade total out.

Vielleicht kann dieser Blog die redaktionelle Funktion übernehmen, nur mit dem Schalten von Doppelseiten wird es etwas hier etwas schwierig.

Tipp 95: Die deutsche Werbefachpresse ist bei den Themen Ideen und Kreativität kein ernsthafter Gradmesser.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Jeah, ich werd mich beteiligen!

Anonym hat gesagt…

mann. endlich! dieses thema brannte mir zwei jahren unter den nägeln - genauso lange hab ich nämlich einen der beiden verlage als kunde mit betreut. furchtbar. ihrer vorstellung und ihr verständnis über kreation vermitteln sie ja auch mit der werbung / kommunikation in eigener sache. furchtbar. von redaktion kann man gar nicht sprechen. ab und zu gibt es einen artikel, den man lesen kann. das ist dann mal eine story. aber es fehlt jegliche konstanz. immerhin: über die bezahlten personalmeldungen von feld und wiesen agenturen, die mitteilen, dass praktikant xy jetzt zum trainee befördert worden ist, kann man wenigstens ab und zu noch lachen. die blätter sind das papier nicht wert, auf dem sie gedruckt werden. deshalb weiter zu deiner idee der "doppelseite"! ich hatte mich gestern oder vorgestern schon geäussert, bezgl. der weiterführung des blogs... campaign kenn ich nicht. aber trotzdem lohnt sich der blick nach england. und zwar in die bloggerszene. heute hatte bspw. ein weiterer folgespot von "gorilla" webpremiere. bei scamp - zu dem du dein blog ja auch verlinkt hast - gibt es schon über 75 kommentare zu dem film. vorwiegend kreative streiten sich köstlich über kreation. man kann es nur lesen, oder mitmachen. man kann den film gut - oder schlecht finden. aber: man bildet sich auf jeden fall eine meinung über ein stück werbung, dass in jedem falle wieder für furore sorgen wird. ich glaube, dass das nicht nur gut ist - sondern, dass es auch hier in deutschland einen echten bedarf dafür geben würde. spätestens ab dann, wenn man sieht, wie viel spass das machen kann... jeder, dem ich bisher scamp empfohlen habe, ist mittlerweile addicted. also. ich mache auch mit. in was für einer form auch immer. jetzt fairerhalber nochmal zurück zu der schwachpresse. horizont hat bei mir die nase auch vorne. in der schweiz teilen sich auch zwei titel den markt. die printtitel kenne ich nicht, aber die internetportale passabel. schönes wochenende!

Anonym hat gesagt…

Ich finde, New Business ist ziemlich weit vorne. Vor allem durch den Harald Nebel, der seinen Job ziemlich gut mach. Man beachte das Interview mit Amir Kassaei.
Er ist einer, der schon seit Jahren den ADC kritisiert bzw. deren Wertung und Preise Zuschieberei - und dann den Kassaei vor seiner Nase hat, und auch mal tiefer gehend fragt, wie er das denn anstellen wolle etc. Sehr gut. .. Ansonsten kannste den Rest in der Pfeife rauchen.
Find ich gut, mit dem Vorschlag - hier mal ein Forum über KREATION bieten zu wollen.
Thumbs up!

Anonym hat gesagt…

das ist doch wie in der kunst. gibt es ein buch welches die werke von chagall, picasso oder friedrich zerreisst, kritisiert oder begutachtet?

warum soll irgendein wichtigtuer darüber schreiben wie ich auf die idee gekommen bin, welche wurst ich wie gekackt habe und so weiter? dieses ganze geschwafel.

das kann ich auch beim spießer nicht ab. der, meiner meinung auch viel zu oberflächlich, ja schon bild-niveau-artig seine kolumne verfasst.

lürzers, style, dazed, monitor, creative review, novum, usw. sind für mich durchaus magazine die sich mit kraetion auseinander setzen.

und das netz gibt es ja auch noch...

Anonym hat gesagt…

Deinem Kommentar zu Spießer Alfons in der Horizont kann ich nur zustimmen.
Ich frage mich, warum dieser schlecht geschriebene, unqualifizierte, langweilige Unfug eigentlich gedruckt wird?

Anonym hat gesagt…

Ehrich: Kreation braucht keine Presse. Presse brauchen nur Sachen, die nicht von sich aus überzeugen können und deswegen kreative Leuten brauchen, die kreative Dinge darüber schreiben. Kreation ist in sich AUCH OHNE PRESSE die wertvollste Sache der Welt.

Zschaler hat gesagt…

Bestreitet ja keiner, das Kreation die wertvollste Sache der Welt ist.

Es geht nur darum, eine substantielle Diskussion mit Leuten, die Ahnung haben und eine schöne Präsentation von guten Ideen in einem wöchentlichen Magazin anzumahnen. Wäre auch eine Form von Lobbyarbeit, die die Ideenkultur in Deutschland dringend nötig hat. Und es würde vielen Kreativen bei der Arbeit helfen.

Aber vielleicht sind das eben jetzt die Blogs, die so etwas tun.

Ich bin möglicherweise etwas romantisch, denn ich liebe es nach wie vor, auch mal ein Magazin in der Hand zu halten.

Nichts geht über eine tolle Doppelseite, die man in Ruhe in den Händen hält.

Nichts blinkt, nichts poppt auf, nichts schreit ein an. Einfach nur gute Werbung, die ruhig da liegt.