Montag, 8. Dezember 2008

Verkommt Werbung zur puren Unterhaltung?

Letzte Woche habe ich von zwei Leuten den Link zu folgendem Video geschickt bekommen:



Ein chinesischer Viral für Nokia. Ein Tischtennis-Meister spielt gegen einen Bruce Lee-Verschnitt, der allerdings nicht mit einem konventionellen Tischtennisschläger auf den Ball eindrischt, sondern mit irgend so einem fiesen Schlagwerkzeug.

Ein bizarres Duell.

Ich vermute, am Ende geht es um eine Bruce Lee Sonderedition in Form eines Mobiltelefones, beweisen kann ich es aber nicht, da ich der chinesischen Sprache nicht mächtig bin.

Einer der Menschen, die mir den Link geschickt haben, arbeitet in einer Post Produktion und wahrscheinlich wollte er mir ein weiteres beeindruckendes Beispiel aus dem Land der unbegrenzten digitalen Möglichkeiten zeigen.

Klickt man dann auf die Absender-URL www.nokia-lee.com.cn, erscheint natürlich wieder eine obligatorische Microsite (siehe Beitrag letzte Woche). Voller Spannung wartet man auf das Ende des Ladeprozesses, doch dann kommt nicht mehr viel.

Nicht mehr viel heisst, keine Menüleiste, keine vertiefende Info, keine Bestellmöglichkeit (oder ich habe sie in dem Wust chinesischer Zeichen nicht gefunden).

Vielleicht sind chinesische Verbraucher nicht so anspruchsvoll wie europäische Konsumenten. Oder aber, chinesische Werber haben erkannt, dass es völlig reicht, das Produkt einfach noch mal visuell in Erinnerung zu rufen. Wem es gefällt, der wird es schon kaufen, warum noch viel erklärerisches Aufhebens darum machen?

Dieser Film ist von der Sorte, die man beim ersten Mal ganz amüsant findet und über die Technik staunt (wie haben sie das gemacht), aber sieht man den Spot ein zweites Mal, geht er einem schon auf den Keks.

Ich stelle mir tatsächlich die Frage, ob das der richtige Weg ist.

Der Film ist schräg, man amüsiert sich etwas, schickt das Ding weiter und alle, die ihn erhalten, werden unbestritten mitbekommen, dass es jetzt eine neue Bruce Lee Sonderedition von Nokia gibt.

Der Unterhaltungswert des Filmes ist ganz gut, der Informationswert auf der Microsite ist dünn, den Wert für die Marke stelle ich in Frage.

Aber vielleicht bin ich einfach nur noch ein alter Markenspießer. Einer, der glaubt, dass alles, was eine Marke tut, auch das Profil einer Marke schärfen sollte. Und zwar das Profil, das die Verantwortlichen anstreben.

Bin ich ein Auslaufmodell?

Schert sich die Marke der Zukunft nicht mehr um irgendwelche angestrebten Werte oder Profile? Bietet sie einfach nur permanent gute Unterhaltung, immer neue schräge, lustige Filme mit immer neuen, schrägen und ungesehenen Bildern und immer neuen, schrägen Microsites?

Denken die Leute irgendwann, hey, Nokia, die haben immer so coole Filme, das ist eine coole Marke?

Ist es nicht egal, ob das glaubwürdig ist oder nicht? Hauptsache die Zielgruppe hat (kurz) was zu lachen? Dank der Marke?

Wenn das die Zukunft der Marke ist, dann wird es für uns Kreative relativ einfach, aber für Marken ziemlich schwierig.

Einfach nur Unterhaltung bieten ist mir zu austauschbar.

Wo das endet, das kann man an den Fernsehkanälen sehen und an der Qualität von Humor, die da über uns ausgegossen wird.

Das Verhältnis guter Fernsehfilme, Fernsehserien oder Comedysendungen zum Gesamtprogramm ist die selbe wie das guter Spots im Gesamt-Werbeblock.

So um die 2%.

In Folge gibt es – außer Arte vielleicht – keinen Sender mehr, der ein scharfes Profil besitzt.

Um das zu erkennen, muss man kein Marcel Reich-Ranicki sein.

Der Gipfel der Austauschbarkeit ist übrigens, dass die Fernsehsender auch noch die gleichen Formate mit den gleichen Inhalten zur gleichen Zeit senden (so geschehen gestern abend mit diesen unsäglichen Rückblicks-Shows "Menschen 2008").

Ok, vielleicht sehe ich es wirklich zu eng. Aber wundern darf man sich ja wohl.

Tipp 69: Unterhaltung darf nur die Verpackung eines Werbeinhaltes sein und sollte nicht zum reinen Werbeinhalt werden.

4 Kommentare:

hello hat gesagt…

Hallo Suchender,

für mich das schönste Beispiel, dass es auch anders - also wie von dir und der Marketingtheorie gefordert - geht ist www.whoppervirgins.com. Großartig!

Was mich zu einer nächsten Frage führt, die mit dem hier besprochenen Thema nix zu tun hat (sorry dafür): Die Idee "Whopper Virgins" finde ich zum Niederknieen, als Werbemenschlein. Als Privatmensch finde ich es moralisch höchst fragwürdig. Frage also: Wie sehr darf ich in meinem Beruf moralische Bedenken haben? Kann ich meinem Chef einen Job zurückgeben, weil ich für einen bestimmten Kunden aus persönlichen Gründen nicht arbeiten will? Rein hypothetisch gesprochen, noch hatte ich den Fall nicht. Hattest du so etwas schon mal, also hast du einen Kunden abgelehnt, weil du es persönlich, ethisch, whatever nicht vor dir verantworten konntest?

Grüße reinen Gewissens
Steph

Zschaler hat gesagt…

Hallo Steph, ich gebe dir absolut recht, whoppervirgins.com ist die ideale Lösung zwischen Unterhaltung, Glaubwürdigkeit und Markenbildung.

Zu deiner Frage. Moralische Bedenken darfst du immer haben und wenn du eine einigermaßen einfühlsame Agenturführung vor dir hast, dürfte es auch kein Problem sein, auf gewissen Themen nicht arbeiten zu müssen.

Sollte man sich allerdings im grundsätzlichen Zwiespalt mit dem Kommerz befinden, dann muss man sich einen anderen Job suchen. Denn meistens hat Werbung kommerzielle Ziele.

Wir haben einmal Werbung für die FDP gemacht und ein Texter war aber überzeugter Grüner. Da hat er dann eben nicht auf dem Kunden gearbeitet.

Anonym hat gesagt…

Sehr schöner Eintrag, hat mich wieder an den Vortag von Amir Kassei erinnert, wo er immer wieder wiederholt Alte Welt Vs. Neue Welt. Auch kein neues Thema aber ja ...

Wie verkauft man eigentlich seinen CDs/ECDs (alte schule) ideen wie diese. vielleicht ist das ein schlechtes beispiel, weil das ja noch teilweise was logisches hat. bruce lee = cool = kann gut mit nunchuck umgehen = keiner kann ihm das wasser reichen = cool :)

aber wie schaut das mit der spot idee "affe spielt schlagzeug" aus? das ist ja unterhaltung pur. die botschaft ist reine interpretationssache, aber nach der suchen eh "nur" die werber. der konsument findets auch nach dem 1000ten mal noch lustig.

Zschaler hat gesagt…

Reine Unterhaltung als Kampagneninhalt ist mir definitiv zu wenig. Man sollte als Kreativer schon versuchen, dass sein Machwerk irgendwo eine Botschaft zündet.

Die Kunst ist, die Botschaft so zu platzieren, dass sie nicht offensichtlich und reklamehaft daher kommt.

Wie man das CDs verkauft, die darüber nicht nachdenken, kann ich dir nicht sagen, Wahrscheinlich ist das nicht möglich. Ich glaube, wer sich als CD mit der Entwicklung der Kommunikation und den neuen Formen der Werbung nicht beschäftigt, wird nicht mehr so lange CD sein.