Donnerstag, 18. Dezember 2008

Pitch-Sitten werden rauher.

Wie kommt eine Agentur eigentlich an den Werbeetat einer Marke? Da gibt es naturgemäß mehrere Möglichkeiten.

Die schönste Variante ist, ein Kunde ruft an, weil er von den Arbeiten der Agentur angetan ist, man trifft sich, lernt sich kennen und der Kunde übergibt der Agentur anschließend das Briefing und den Etat.

Schön, aber rar.

Die fast genau so schöne Variante ist, dass der Kunde ein Projekt brieft und über einen absehbaren Zeitraum feststellen will, wie er mit der Agentur zusammenarbeiten kann. Ob ihre Leistungsfähigkeit und ihre Ideen seinen Vorstellungen entspricht.

Aus meiner Sicht die sinnvollste Variante. Kommt leider aber auch nicht so oft vor.

Die häufigste Variante ist, dass der Kunde einen Pitch ansetzt, zu dem mehrere Agenturen eingeladen werden. Er brieft alle Agenturen (wenn man Glück hat in Einzelterminen) und zu einem bestimmten Termin präsentieren die Agenturen ihr Strategien und Konzepte.

Was Wettbewerbspräsentation oder Pitch genannt wird.

In den Hochzeiten der Werbung, so in den 80ern und Anfang der 90er Jahre, wurden meistens 3 bis 4 Agenturen eingeladen und es gab ein Pitchhonorar (quasi eine Aufwandsentschädigung) zwischen 20.000 und 30.000 Mark.

Spätestens eine oder zwei Wochen nach dem Pitch bekamen die Agenturen die Entscheidung des Kunden mitgeteilt.

Heute werden oft 4 bis 8 Agenturen eingeladen und es gibt in vielen Fällen kein Pitchhonorar. Und die finale Entscheidung zieht sich bis zu einem Jahr hin.

Außerdem werden einige präsentierten Kampagnen erst einmal episch gegeneinander getestet. Was davon zu halten ist, siehe hier.

Diese Praxis, ohne Honorar zu pitchen, hat sich die Agenturbranche teilweise selbst eingebrockt, weil es immer wieder Agenturen gibt, die umsonst an einer Wettbewerbspräsentation teilnehmen.

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten argumentieren Kunden gerne dahingehend, dass es für Agenturen doch in eben jenen Zeiten eine tolle Chance ist, den Etat zu gewinnen.

Es sei quasi eine Ehre, sich um die Marke zu bemühen.

Eine Ehre mag es manchmal wohl sein, aber ein richtiger Pitch um eine große Marke kostet eine Agentur zwischen 30.000 und 100.000 Euro. Je nach Aufgabenstellung kann es sogar mehr sein.

Ein Pitchhonorar ist auch nicht dazu da, die Kosten zu decken. Es ist eher eine Art Ernsthaftigkeitsprämie.

Wie ernst meint es ein Kunde eigentlich wirklich mit der Aufgabe? Ist ihm die Lösung des Problemes wirklich etwas wert?

Umsonst-Pitch-Kunden verhalten sich da ziemlich fatalistisch.

Meistens haben ihre Unternehmen ein Kommunikationsproblem oder sie wollen ehrgeizige Bekanntheits- oder Umsatzziele erreichen und bitten Agenturen, sich Gedanken darum zu machen, wie man den Umsatz oder die Bekanntheit steigern kann.

Manche Unternehmen haben gar dramatische Probleme (Imageverlust, Absatzeinbrüche) und müssen handeln.

Doch wie irrwitzig. Dieselben Kunden suchen die Agentur, die ihr schwerwiegendes Problem lösen sollen, nur unter all den Agenturen aus, die bereit sind, umsonst an ihrem Pitch teilzunehmen.

Und wer nimmt eher an einem kostenlosen Pitch teil? Die, die es am nötigsten haben – also mitunter nicht die, die das Problem am besten lösen könnten.

Jetzt gibt es aber noch eine Steigerung zum kostenlosen Pitch.

Das ist der kostenlose Pitch ohne Kundengespräch – nur mit online Briefing.

Das heißt, der Kunde will sich die Agentur(en) vorher nicht einmal mehr ansehen und die Menschen kennen lernen, mit denen er später vielleicht zusammen am schwerwiegenden Problem arbeiten muss (meiner Meinung nach ein sehr wichtiges Auswahlkriterium für eine Agentur).

Bei diesem Prozedere sieht der Kunde die Agenturleute bei der Präsentation zusammen mit den Ideen das erste Mal.

Wenn dem Kunden egal ist, wer präsentiert, um seine Probleme zu lösen, wie steht er wohl zum Problem selbst?

Und wenn er seine Agentur unter denen auswählt, die es für Null machen, dann ist das ein mangelnder Respekt vor kreativer Leistung.

Auf so einen Pitch sollte man als Agentur verzichten.

Dass Kreativität und Ideen so an Wert verlieren, liegt daran, dass viele Agenturen wild damit um sich schmeissen. Auch die Fake-Bewegung trägt ihren Teil zur Abwertung von guten Ideen bei (Goldideen werden dem Kunden ja meistens kostenlos präsentiert und auch noch von den Agenturen produziert).

Ich will hier gar nicht weiter davon berichten, was sich Agenturen teilweise alles einfallen lassen, um noch auf eine Pitchliste zu rutschen. Selbst wenn der Pitch nicht honoriert wird. Und auch nicht, was manche Agenturen unternehmen, um bei Kunden Gehör zu finden.

Das ist häufig unter der Menschenwürde. Und fördert auch nicht gerade den Respekt vor dem kreativen Potential der Agentur.

Es ist eine fatale Entwicklung, dass gute Ideen für viele Kunden keinen Wert mehr zu haben scheinen. Ideen, die ihr Geschäft ankurbeln.

Agenturen könnten das ändern, indem sie sich geschlossen dafür aussprechen, nicht mehr kostenlos präsentieren.

Das wäre eine weit sinnvollere Initiative als das Award-Kartell.

Tipp 77: Verschenke deine Ideen nicht.



Wie hoch ist der Wert dieser Idee einzuschätzen? Der Spot „Fishdog“ für den VW Turan (Spacefox) wurde in Brasilien entwickelt (Almap BBDO, Sao Paolo).

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Ich hab da eine koole Idee! Stell dir vor, wir machen einen Sechzig-Sekünder, davon zeigen wir ca. 10-12 Sekunden den … wie heißt das Auto? … Spacefox? … also gut, wir zeigen den Spacefox. Den Rest spielt unser Held – kooler Surfertyp, weißt schon – mit seinem Hund, der gleichzeitig ein Fisch ist. Er badet mit ihm, die beiden haben eine Menge Spaß. Dann Blende und: "Alles was Sie sich vorstellen können ... Der VW Spacedog", oder sowas ähnliches. Clever, ne? Da können wir einen Haufen CGI reinstecken und holen uns den Rest des Jahresetats. Wenn es dem Kunden nicht sofort gefällt können wir es immer noch über die Schiene verkaufen, dass wir er mit dem Spot auf die Marke VW einzahlt und damit an die junge Zielgruppe rankommt ... doder so"

Ich als bekennender Youngster mag keinen blassen Schimmer haben wie Werbung funktioniert. Und BBDO hin oder her. Aber ich hätte mir vor Angst in die Hosen geschissen, wenn ich damit zu meinem CD gegangen wär.

Entschuldige den unqualifizierten Kommentar ...

milchsaeure hat gesagt…

Welche Idee?

Zschaler hat gesagt…

@florian: Erstens, keine Angst vorm CD, das riechen die und dann wird es nur noch schlimmer. Mutig voran mit deinen Ideen. Zweitens, vielleicht hatte das brasilianische Kreativteam ein Moodfilmchen irgendwo auf YouTube mit so einem merkwürdigen Viech gefunden und alle fanden das lustig. Who know's. Ich finde den Film nicht den totalen Brenner, aber schon irgendwie schräg.

Zschaler hat gesagt…

@milchsaeure: Die Frage kannst du dir selbst beantworten. Ich bin sicher du schaffst das.

Anonym hat gesagt…

meist verschenken dann doch aber die agenturen die ideen und nicht die kreativen. der rennt zum chef. der findet die idee vielleicht gut und geht damit zum kunden. ihm mag die idee vielleicht auch noch ganz gut gefallen, hat aber keine kohle sie zu realisieren. das heißt das bei einer guten idee wieder mal die agentur in die eigene tasche greift, weil sie glaubt die idee ist so stark das sie was gewinnt und kunde hat ja sowieso keinen schimmer. am ende lacht aber der kunde, mußte nix bezahlen und ist im gespräch. so kann man auch eine agentur ruinieren...

Zschaler hat gesagt…

Hiermit hast du das Fake-Prinzip an einem Praxisbeispiel noch einmal plastisch beschrieben. Thx.